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DienStag, den 23. März 1926.

100. Jahrgang.

Der Reichstag und Genf.

Stresemanns Bericht über Genf.

Die außenpotttische Aussprache.

Berlin, 23. März. Der Reichstag Hai am Montag vormit­tag schon um elf Uhr seine Sitzung ausgenommen. Die Tri­bünen ebenso wie die RegierungLbänke sind überfüllt. Die Dispositionen der Regierung haben sich im letzten Augenblick geändert. Mail hatte angenommen, daß der Reichskanzler einen Rechenschaftsbericht über Genf abgeven werde. Er hat ab diese Aufgabe dem Außenminister übertragen und sich selbst für "später in der Reserve gehalten.

ReichSministrr Dr. Gtresemann.

weist darauf hi», daß bei der politischen Aussprache setzt Zunächst die Genfer Vorgänge in dm Vordergrund der Debatte gerückt weren sollen. Das sei umso notwendiger, weil die Parteien in ihrer großen Mehrheit beschlossen haben, au^etne Erörterung im Auswärtigen Ausschuß zu verzichten. Der Minister führt dann einigeTatfachen aus der

Vorgeschichte der Genfer Konferenz vn. Er stellt fest, daß in Versailles im Jahre 1919 der dam- von Deutschland beantragte Eintritt in den Völkerbund abge­lehnt wurde. Nach der Londoner Konferenz im Jahre 1924 teilte dann Macdonald mit, daß der Völkerbund die Nichizugc- hörigkeit Deutschlands nicht ertragen könne. Das Laüinet Marx beschloß darauf kurz nachher, grundsätzlich seine Bereitwil­ligkeit zum Eintritt in den Völkerbund zu erklären, warf aber sogleich auch die Frage des ständigen Ratssitzes auf. Deutsch­land wandte sich dann an die schon im Rat vertretenen Mächte und suchte durch Befragen festzustellen, ob seine Forderung etneS ständigen Ratssttzes ihre Zustimmung finden würde. Die Ant­worten lauteten zustimmend. Der Rat des Völkerbundes selbst antwortete auf eine deutsche Anfrage im Februar 1925 und stellte dabei seinen Wunsch fest, mit Deutschland im Rat zu- sammcnzuarbeiten. Diese Antwort körnte nicht anders gewer­tet werden, als eine ausdrücklich Erklärung des Rats als Körperschaft, in der er nocheinmal die zehn Einzelantworten die sich für einen ständigen Ratssitz aussprachen, erhärtete. Deutschland behielt sich damals die weitere Klärung der Frage seines Eintritts vor, insbesondere wegen der Bedeutung des Artikls 16. Diese abwartende Stellung Deutschlands wurde von außen beeinflußt. Die Antwortnote Briands auf das butsche Februarmemorandum über den Stcherheitspakt glaubte, diese Vorträge nur abschließen zu können, wenn Deutschlaich dm Völkerbünde angehöre. In Locarno wurden dann Vcrci, darungen über den Artikel 16 erzielt

Deutschland ließ sein Eintrittsgesuch abgehen, und es wurde ein« Sitzung des Völkerbundes einberusen, deren Zweck die Auf­nahme Deutschlands war.

Deutschland hat sich nach lleberwindung schwerer 8r»»d.

sätzlicher Bedenke» zum Eintritt in den Völkerbund ent­schlossen. ES hat sich nicht danach gedrängt, ,s ist zweimal gerufen worden.

Nachdem die Mächte selbst die Zugehörigkeit Deutschlands zum Völkerbund zur Voraussetzung der Locarnoverträge gemacht hat­ten, entstand für sie die Pflicht, alles zu tun, was das Inkraft­treten der Locarnoverträge ermöglichte. Umso seltsamer war es, daß kurz nach dem Ersuchen Deutschlands offizielle Mitteilungen über eine Rekonstruktion des Völkerbundsrates auftauchten und daß drei Mächte Anspruch auf versprochene ständige Ratssitze er­hoben.

Der Minister schildert dann

dl« Situation, wie sie sich bei Eintreffen der deutsch«» Delegation in Eens darstellte.

Die Völkerbunds Versammlung stand allgemein unter dem Ein­druck, daß die Aufnahme Deutschlands das einzige Ziel der Ver­sammlung sei. Gegen die Ansprüche Spaniens, Brasiliens und Polens hatte sich starker Widerspruch erhoben, der am stärksten in der öffentlichen Meinung Englands zu sehen war. Die schwe­dische Regierung hatte der deutschen Regierung und anderen Staaten offiziell mitgeteilt, daß fl« gegen jede Vermehrung der ständigen Ratssitze stimmen würde. Infolgedessen konnte die deutsche Delegation Berlin mit dem Gefühl verlassen, daß tat­sächlich die Entscheidung im Völkerbundsrat wegen einer Aen- derung des Rats faktilch in negativem Sinn gefallen war. Die deutsche Delegation hat von dem Augenblick an, als ihr das Be­gehren anderer Mächte nach ständigen Ratsfitzen bekannt wurde, aufs stärkst« gearbeitet um ihren Standpunkt zur Geltung zu dringen.

Das Ergebnis des diplomatischen Meinungsausausches war die Besprechung de, Locarnomächte vor dem Zusammentritt des Rats in Genf. Bei diesen Verhand­lungen war die Situation von vornherein erschwert durch den Sturz des Kabinetts Briands. In der Oeffentlichkeit ist versckie» deutlich die Meinung aufgetaucht, daß dieser Sturz nur ein Ma­növer gewesen sei. Diese Anschauung ist völlig abwegig und wird von niemand ernst genommen werden, der das Wirken des französischen Ministerpräsidenten in Eevf gesehen hat. In her

Diskussion in Genf ist der deutsche Standpunkt mit aller Ent­schiedenheit vertreten und kein Zweifel darüber gelassen worden, daß

eine Vermerhung der Ratssttze l>ie Zurücknahme des deutschen Aufnahmegesuchs zur Folge haben würde.

Wir haben uns nicht prinzipiell ablehnend den Wünschen nach einer Vergrößerung des Rats gegenüber verhalten, aber betont, daß diese Frage erst ihre grundsätzliche Regelung im Rate selbst finden müsse.

Wir haben deshalb die Fragen der Maximalgrenze für die Gesamtheit der Ratssitze, des Verhältnisses der ständigen Sitze zu den nichtständigen, der Einrichtung eines Turnus für die nicht ständigen Sitze und andere Fragen aufgeworfen. Erst wenn alle diese Fragen grundsätzlich geregelt waren, konnten wir dazu Stellung nehmen, welche Mächte bei einer Vermehrung des Rats in Betracht kamen. Der Minister geht dann auf

di« in Deutschland geübte Kritik an den Verhandln»-,» in «Senf

rin und erklärt, daß eine Kritik au dem negativen Ausgang doch nur jemand über Wune, der für den bedingungslosen Eintritt Deutschlaichs in Len Bund gewesen sei. Er weise die Kritik zu­rück, die an den deutschen Vorschlag der Einsetzung einer Kom­mt ffion geübt worden sei. Dieser Vorschlag stand durchaus in Zusammenhang mit den Richtlinien, die die deutsche Delegation mit nach Genf nahm.

Wir mußten zum Ausdruck bringen, daß unsere Stellung an­deren Staaten gegenüber nicht gebunden war. An der deutschen Oeffentlichkeit habe es auch den Anschein erweckt, als wenn manche Kreise von uns etwas hochmütig auf Staaten in an­deren Erdteilen Erdteilen herabsichen. Der Minister bezeichnte das als einen großen außenpolitischen Fehler, wie er vor dem Kriege auch z« der falschen Beurteilung der Balkanstaaten ge­führt habe. Es dürfe nicht der Eindmck erweckt werden, als ob der Völkerbund eine europäische Nngelegenbeit sei. Der Völker­bund müsse in seiner wahren Gestalt ein Weltvölkerbund fein.

In der Fortsetzung seiner Rede bestreitet Dr. Stresemann die Auffassung, daß Deutschland zehn Tage vor der Tür gestanden und gewartet habe. Tatsächlich mußten die Bundesmächte, die nicht im Rat waren, zehn Tage auf die Einberufung der Ver­sammlung warten. Der Auffassung der brasilianischen Presse, die die deutsche Haltung als eine Herausforderung bezeichnet, halten wir das Verhallen Spaniens entgegen, das tief gekränkt war, weil es in dieser Tagung keinen Sitz im Rat erhielt, aber gleich­zeitig erttärt hat, daß es sich dadurch nicht abhalten laste, für Deutschland zu üimmen. Brasilien hat die Verantwortung auf sich genommen. Nicht durch unsere Schuld war diese Situation entstanden. Es entstand dann die Frage:

Was wird aus Locarno?

Wir freuen uns, daß die Auffassung aller beteiligten Mächte da­hin geht, die Politik von Locarno fortzusetzen. Der Ausgang der Verhandlungen in Genf, so fährt der Minister fort, ist tief zu bedauern. In erster Linie ist der Bund selbst Leidtragender. Wer Ler Auffassung war, daß der Bund eine Bereinigung der Völker unter dem Gesichtspunkt der Erreichung aller Humanitä­ren Ideale sei, wird die allerstärkstc Reaktion erfahren haben, von einer Tagung, in der sich deutlich zeigte, wie stark und brutal sich das Eigenintereffe gelend makte. Der Redner verweist auf die Aeußerungen der Delegierten Schwedens und der Schweiz, die ausdrücklich betonten, daß der einzige Zweck der Tagung die Zulassung Deutschlands gewesen sei. Niemand habe von einer Schuld Deutschlands am Schluß der Tagung gesprochen. Deutschland stehe jetzt vor der Entscheidung, ob es angesichts der Krisis des Buttes feine grundsätzlich« Einstellung ge­genüber dem Bnnd ändern soll oder nicht.

Eine Politik sei doch nicht deshalb falsch, weil sich ihrer Durch­führung Schwierigkeiten entgegenstellen. Es handle sich geradezu um einen Kamps um unsere Stellung im Völkerbund. Wir haben diesen Kampf fortzusetzen, zumal sich der Bund in seiner über­wiegenden Mehrheit aus den Standpunkt gestellt hat, Deutsch­land als Mitglied des Bundes zu sehen. Wir haben nicht die Absicht, uns irgend einer Mächtegruppierung im Völkerbünde anzuschließen. Wir haben auch nicht die Absicht, mit einem stän­digen Sitz das Renomme der Großmacht zu betonen.

Wt« sind moralisch nicht geschwächt aus Ee»f hervorgegangen. Bor und während des Krieges haben wir den Fehler began­gen, den Eroßmachtsaktor der öffentlichen Meinung der Welt nur sehr gering einzuschätzen. Es wäre ein Verbrechen, das jetzt wie­der zu tun. Deswegen durfte unter keinen Ilmständen der Ver­dacht einer Schuld auf Deutschland ruhen. Wir haben in Genf eine moralische Genugtuung erlangt. Man darf auk nicht die Bedeutung der Erklärung der Mächte verkennen, di« sich ohne Be­fragung Deutschlands auf den Standpunkt stellten, daß wir unsere internationalen Verpflichtungen erfüllt haben. Jahrelang habe» wir um «ine derartige Anerkennung gekämpft Auch hervor­ragende Mitglieder des Bundes haben erklärt, daß Deutschlands Bertretr in Gens nichts verschuldet haben.

Deutschlands Stellung ist auch juristisch ntcht geschwächt.

Ls ist festzustellen, daß unsere Partner sich zu den logischen Rück­wirkungen von Locarno bekennen» als ob der Vertrag in Wirk­samkeit wäre. Die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Bezie- hungey der Pökkr ist eine der Hauptaufgaben des Bundes. Es

Tages-Spiegel.

Im Reichstag fand gestern di« Aussprache über Deutschland» Bol- kerbuudvpolitik statt. Reichsautzcnmi»ist«r Stresemann «er» trat die Haltung der deutschen Delegation.

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Die Aussprache, an der sich di« AbSg. Gras Westarp (Du.), K»as lZtr.1, Gras Beraftorff (D3».P.)> v. Rheinbabe» (BLp.1. Bredt (W.V.) und Graf Lerchenfeld <BB.j teiluahmc», ergab bei schwacher Opposition dj« Zustimmung der Regierungspar­teien.

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Urber di« »illigungssormel der Regierungsparteien konnte ge­stern erst in den späte« Rachmittagsstunde« eine Einigung «r. zielt werden. Auch die Eozialdkmotrntir hat ihr Einverständ­nis erklärt.

Reichsfinanzminister De. Reinhard begründet« tm Steuekansschuß die neu« Regternngsvorlage. Sie wird« von d«» Sozialdemo­kraten abüelrhnt.

Reichspräsident von Hindenburg traf gestern nachmittag, lebhaft begrüßt, in Bon« ein. Der Reichspräsident erhielt von der Bonner Universität die Würde «in» Ehrendoktor».

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Hindenburg ist gesten abend 8LV Uhr auf seiner Rheinlondreis« i» Krefeld eirrgetroffr«.

An der jngoflawisch-italirnifch«« Errnz« kam es ,« einem Z«i. schenfall zwischen Erenzbeamten, welcher eine Brrftimmnng zwi­schen Ro» und Belgrad hervorgeruseu hat.

Die chinesische Nationalarmer zieht sich in nordwestliche» Rich­tung von Peking zurück. Mau erwartet stündlich daS Ei,,- treffen von Tfchangtsolio «ud Wupeif« zwecks Bildung eine» aktiouSfähigen Zentralregierung.

wäre töricht gewesen, das auszugeben, weil der Mechanismus des Bundes versagte.

Unsere Hauptaufgabe war, die Locarnopolitik nicht in den Abgrund fallen zu lasse».

Tine Aenderung des Denkens ist auf der anderen Seite schon zu erkennen. Wir haben seinezeit in der französischen Kammer ganz andere Worte gehört, als Herriot sagte, daß die Besatzungsfrist noch nicht laufe. Wer die Politik Deutschalnds in den letzten Jahren verfolgt hat, muß die Tatsachen verkenne«, w«nn er die Fortschritte der deutschen Konsolidierung nicht fleht. Wir sind noch nicht soweit, von vollkommener Freiheit sprechen zu können/ auf dem Wege dahin wird es immer wieder Rückschläge geben. ES ist die Absicht der Reichsregierung, die bisherige Politik auf dieser Banh fortzuführen und sie ist überzeugt, daß sie die große. Mehrheit des deutschen Lölkes hinter sich haben wird.

Die Au»spr«khe.

Zustimmung bei den Regierungsparteien schwache Opposition.

Der Außenminister hat mit seiner Red« Zustimmung bet dm Regierungsparteien gefunden. Er hat es aber gleich-eilig vermieden, daß die Deutschnationalen das Tischtuch -wischen sich und der Regierung endgültig zerschnitten. Graf West­arp ist zwar scharf geworden. Er hat aber och formell und sachlich dm Begriff des Mißtrauensvotums vermieden. Er hak eingehend dargelegt, weshalb di« Deutschnationalen mit der ganzen Anlage der Genfer Konferenz unzufrieden sind, hat sich aber schließlich damit begnügt, den beiden Vertretern der deut­schen Politik nahe-ulegen, daß sie aus eigenem Antrieb von ihren Posten gurücktretm sollen, nicht allein wegen de« Mißer­folges, sondern auch weil sie zu stark gebunden seien, um noch einmal Deutschland vertreten -u können. In der Form un­angreifbar. wmn auch in der Kritik gegenüber dm Berhand- lungsgegnern der deutschen Delegation sehr scharf, klang das Echo aus den RegierungSparteim selbst heraus Der Zen­trumsabgeordnete Kaas hatte seine Red« ganz aus di« Kritik eingestellt. Er war mit den Ergebnissen von Genf so unzu­frieden, wie es eigentlich eine Rcgierungsoppofltion nur sein kann. Er gab auch zu verstehen, daß er mit der Haltung der deutschen Delegation nicht in allen Einzelheiten einverstanden sei, fand aber dann doch auch von seinem Standpunkt an- den Weg zurück, der ihn hinter di« Regierung stellte, indem er die ganze Schuld an dem Vorkommnis der Entente -«schob. Nicht viel anders lautete das, wa« der Deutsche Volkspattci- ler von Rheinhaben der deutschen Delegation sagte. Er kam vornehmlich mit der ungenügenden diplomatischen Vorbereitung, zwar zu dem Ergebnis, daß wir in den Völkerbund hinein müßten, war aber doch mit Einzelheiten nicht einverstanden, die allerdings auch zum größten Teil von de, Entente ver­schuldet sei.