Her vielen leichtsinnigen Neujahrsschützen zur ernsten Warnung dienen dürfte, trug sich in vergangener Nacht hier zu. Ein sehr geordneter stiller Bursche, 24 Jahre alt, brachte den Silvester-Abend im Schwa­nen zu und als Schuß auf Schuß krachte öffnete er das Fenster. In dem Augenblick, da er den Kopf hinausstreckte, zerschmetterte ihm «in Schuß die Hirnschale und er sank bewußtlos auf das Fensterge­simse, während seine Tischgenosscn in der Stube glaubten, er schaue immer noch hinaus. Endlich riefen die Schützen unten, man solle ihn hereinziehen, es scheine ihm übel geworden zu sein. Groß war der Schrecken, als man sah, daß er getroffen und so verletzt sei, daß ihm an der Stirne das Gehirn hervorquoll. Unter einigem Seufzen und Röcheln gab er bald den Geist auf. Die Stimmung im Ort ist ob dieses Vorfalls eine sehr gedrückte. Auch der unglückselige Schütze wird bedauert, da er wohlgelitten ist und zu dem Erschossenen in intimem Freundschaftsverhältnisse stand. Mittags fand die gericht- licht Untersuchung statt und Abends legte der Thäter ein freiwilliges Geständniß ab. Im Kopfe des Getödteten fanden sich sechs Papier- pfropfen vor.

Heidelberg, 1. Jan. Aus dem Berichte über die letzte Kreisversammlung ist noch vachzutragen, daß im Laufe dieses Jahres die Aufrichtung der Pfeiler der neuen eisernen Brücke über den Ne ckar, diese selbst aber bis zum Frühling 1877 vollendet werden soll. Mit der letzten Nacht hat die sogenannteLumpenglocke", welche um 3/jt I Uhr den Elnlritt der Polizeistunde dcmeribar machte, de» l Hewetoergern zum lctzirumul getönt. Sie kann, wie sich ein hiesige? Blatt ausdrUckte, jctzj von ihrer langjährigen, leider oft vergeblichen Arbeit ausruhen. Ob die Polizeistunde überhaupt aufhören wird, ist in der betreffenden amtlichen Bekanntmachung nicht gesagt. -

Heilbronn, 3. Jan. Ueber die Person des unlängst im Neckar Ertrunkenen scheint sich nun einiges Licht zu verbreiten. Ein Arbeiter der Zuckerfabrik, Namens Groß von Sontheim, der sich nock spät in der Nacht hier Herumtrieb, wird seitdem vermißt, und man glaubt annehmen zu dürfen, daß derselbe, der betrunken gewesen sein soll, an einer der leider nicht geschützten Stellen des Neckarufers durch einen Fehltritt ins Wasser stürzte

Leutkirch, 1. Jan. Kaum hat vor einiger Zeit ein Dieb in einem hiesigen Bauernhause mit einem Stemmeisen daS HauSthür - schloß abgerissen und nur in Folge des Aufwachens der Hausbewoh­ner von seinem unheimlichen Geschäft abgelassen, so ist schon wieder rin ähnlicher Fall zu verzeichnen, und zwar schlich sich ein Bursche am Hellen Mittag in den unbewohnten oberen Stock des hiesigen De- kanatshauses. Der Dieb wurde gerade in dem Augenblick, als er vor einem geöffneten Kasten in den Wcrthpapieren blättrcte, von dem Hausherrn ertappt, und ging nun mit gezücktem Messer auf diesen los, um sich Ausgang zu verschaffen; doch wurde er durch den sctnel- len Abschluß des Zimmers daran gehindert. Der Hausherr holte Hilfe herbei,j aber der Dieb verschaffte sich gleichwohl Luft und ent­kam für den Augenblick, bis er in der Wirthschaft zurNeuen Welt" festgemacht wurde, nm sodann hinter Schloß und Riegel das Neue Jahr anzutreten.

Fr iedrichshafen, 3. Jan. Dieser Tage kam ein Jütt länder Matrose hier an, der wohl nie daran gedacht, daß er je in seinem Leben den Bodensee zu sehen bekommen würde. Derselbe reiste nämlich aus Holland nach Hamburg, verlangte dort in seinem gebrochenen, beinahe unverständlichen deutsch ein Billet nach Frü drichs- hafen, merkte aber erst, nachdem er hier, am Schwäbischen Meere angekommen, daß er nicht in Fredcricshaven (Dänemark), wohin er zu reisen beabsichtigte, sondern in unserem Friedrichshafen angekommen sei. Dir Ueberraschung war eine große und da die Baarschaft des Matrosen nicht mehr groß war, so wurde ihm von Seile der Bahn­behörde sein Unfall schriftlich bezeugt, um auf Grund dieses Zeug- nisses beim nächsten dänischen Konsulate die noch fehlenden Mittel zur Heimreise zu erhalten.

Pforzheim, 3. Jan. Durch allerhöchste Verordnung vom 22. Dez. ist verfügt worden, daß vom 1. d. ab die Verwaltung des Post- und Tetczraphenwesenö vom Ressort des Reichskanzleramtes getrennt und die Leitung derselben dem Generelpostmeister unter Ver- antwortlichkeit des Reichskanzlers übertragen wird. Dem General- Postmeister werden zugleich die Befugnisse der obersten Reichsbehörken beigelegt. Im Jahr 1875 übernachteten in hiesiger Stadt 23,696 anyemeldete Fremde.

Mannheim, 29. Dez. Eine Zigeunerbandr, bestehend aus zwei Männern und zwei Frauen, zwei Wagen und vier Pferdchen, von deren Arretirung wir vor einigen Tagen berichtet haben, wurde vorgestern Abend auf Anordnung der Polizeibehörde per Bahn auf den Schub nach der Reichsgrenze (Konstanz) gesetzt. Daß übrigens das Wanderleben dieser Leute nicht ganz so harmlos ist, als es er- scheint, und daß die von ihnen zur Schau getragene Armuth nur auf Heuchelei beruht, mit der sie in habgieriger Weise die besser situ.

irten Gegenden ausbeutend durchstreifen, mag auS dem Umstande her- Vorgehen, daß in dem Besitze der erwähnten Bande außer ca. 400^ baaren Geldes man höre und staune noch etwas über 800- Manns« und Frauenhemden von der feinsten Leinwand bis herab zum groben Tuche, von mannigfaltigster Form und Art aufgefunden wor- den sind. Aus den weiter aufgefundenen weißen und farbigen Lum­pen und Fetzen, die nahezu 6 Ztr. wogen, wurde allein schon in öffentlicher Versteigerung die Summe von 200 Mark erlöst, die mit dem aufgefundenen baaren Gelde zur Deckung der bedeutenden Trans­portkosten verwendet wurden. Wagen, Pferde, Kleidungsstücke, Bett­zeug, die große Zahl Hemden, worunter sich wohl Vieles befinden dürf­te, das nicht auf redlichem Wege erworben worden ist, wurden nun über die Grenze geschafft.

Mannheim, 2. Jan. Leider sind in der Neujahrsnachl ei­nige bedauerliche Wirthshaus-Ausschreitungen vorgekommen. Wie man derKr. Ztg." mittheilt. hat in einem vielbesuchten Kaffeehause ein hiesiger Fabrikant einem jungen Kanfmanne eine Flasche auf den Kopf geschlagen. so daß eine bedeutende Körperverletzung entstanden sei; den Anlaß bildete ein Wortwechsel über ein von Ersterem gesun­genes fremdländisches Lied. In einem Bierhause wurde der Sohn e ncs hiesigen Lohnkulschers von einem Schustergesellen, der trotz des Festes seinen Kneip in der Tasche hatte, mit dieser schwer verletzt; er soll 4 oder 5 Stiche erhalten haben und lebensgefährlich darnieberliegen»

Darm sta ot, 2. Jan. In diesen Ta. en haben die katholischen Vereine m Osseiwach von ihrem Vereinöhause Besitz genommen, das sic um das hübsche Sümmchen von 10'',857 M. angekauft haben» Altkatholiken und Protestanten könnten sich an dieser Opferwilligkeit immerhin ein Muster nehmen.

Von der Naab, 24. Dez. Gestern kam im katholischen Pfarrhausc zu Rothenstadt der 19jähripe Bruder der Pfarrköchin, ein Maler, auf Gesuch an. Um sich während seines Aufenthaltes im Pfarrhause nützlich zu machen, übertünchte er ein oder mehrere Zimmer und benützte dazu arsenikhaltigrs Schweinfurter Grün. Abends legte er und seine Schwester sich in einem der frisch getünchten Zimmer schlafen. Morgens fand man ihn todt, die Köchin bewußtlos; Mit­tags starb auch sie.

Offenburg, 3. Jan. Aus Eengenbach kommt die Kunde von einer neuer Barbara Ubryk, einer älteren blödsinnigen Frauens­person, die schon längere Zeit in einem Gemach eines Privathauses in höchst elendem und verwahrlostem Zustande soll gehalten worden sein. Die gerichtliche Untersuchung, die schon an Ort und Stelle war, wird das Weitere ergeben.

Berlin, 2. Jan. DieNordd. A. Z." läßt in ihre Neu- jahrsbetrachtnng Andeutungen und Warnungen folgender Art einfließen. Sie schreibt:So klar wie an der vorigen Jahreswende ist der Horizont dießmal nicht. Im Innern beginnt unser Parteileben eine neue Gestaltung anzunehmen. Der mächtig anschwellend-n Organi­sation des gesellschaftlichen Umsturzes gegenüber macht sich die Noth- wendigkcit eines engeren Aneinanderschließens aller wirklich erhaltenden Elemente im Staatsleben von Tag zu Tag fühlbarer, tritt das Ge­bot, die Schranken der Gesetzgebung nicht fort und fort weiter, son­dern enger und straffer zu fassen, immer unabweislichcr san unser Volk heran. Damit ist die Aufgabe für die im neuen Jahre bevorstehenden Wettkämpfe klar und deutlich gegeben. Jede Reform und jede Neu­gestaltung bleibt besser vertagt, als daß auf solche Weise Mittel und Zweck durcheinander geworfen werden. Wir haben in Deutschland ge­wiß noch viel zu thun, aber das Wichtigste, was wir zu thun haben, ist: uns vor Uebereilung zu hüten. Dieß klingt denn doch gar zu konservativ l

Wien, 2. Jan. DaS Einladungsschreiben an England, Frank­

reich und Italien, sich der in Konstantinopel einzuleitenden Reform- Aktion der Drei-Kaiser-Mächte zuzugesellen, wird jetzt sofort expedirt werden, denn die noch ausstehende Genehmigung Rußlands der öster­reichischen Textirung der Einladung ist eingetroffen. De» Beitritts Englands ist man nicht allein nicht versichert, sondern man ist auf die ausgesprochenste Reserve in London gefaßt; man ist aber evt» saloffen, sich dadurch nicht beirren oder aufhalten zu lassen, und eS scheint sogar, daß die Eventualität eines Fernbleibens Englands in den Vereinbarungen zwischen Wien, Berlin und St. Petersburg auS» drückich vorge sehen ist. __

(Briefkasten.) Calw. Auf eine Reclamation des Schultheißen- amts Stammheim, warum der von ihr eingcsandte Bericht über den dortigen Brand nicht zum Abdruck gekommen fei, diene zur Nachricht, daß der Beucht erst einkam, als seine Aufnahme nicht mehr möglich war. Die Notiz über zeit­weisen Wassermangel, die in Stammheim Erbitterung erregt haben soll, beruht auf einer Mittheilnng des Calwer Commandanten, dessen Verwendung bei ei­nem Stammheimer Offiziere erst die Folge hatte, daß die Calwer Spritze ge­hörig mit Wasser bedient wurde. Daß die neue Spritze von Kirchdörfer rn Hall vortreffliche Dienste gethan, bringen auch wir nachträglich nach den hie­rin übereinstimmenden Berichten andererer Blätter gerne zur allg. Kenntniß.

Die Redaktion.

Redaktion, Druck und Verlag von S. Oelschläger in Calw.