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Liese „Belebung" die allgemeine Aufmerksamkeit besonders hinzulenken. Selbstverständlich ist, daß der „belebte" diplomatische-Verkehr mit der neuesten Phase der orientalischen Frage zusammenhängt. Und hier soff?« nach einer Depesche dex,,gestrigen „A. Z." die Konferenzen zwischen Bismarck und Gortschakoff, welchen auch der österreichische Botschafter beiwohnte, das vollständige Einvernehmen in der orientalischen Frage ergeben haben. Die Nordmächte, so versichert die De- pesche, haben die Mittheilung Englands von dem Ankauf der Suez- kanal-Aktien zustimmend ausgenommen.
— Das einst so hochgerühmte Zündnadelgewehr, dessen Wirkung so erheblich zu den Erfolgen der preußischen Armee namentlich im Jahr 1866 beigetragen hat, wird in Kurzem aus unserer Armee gänzlich verschwinden. Bislang waren damit noch immer die Friedensstämme der Landwehr bewaffnet und in den Depots lagerten Zündnadelqewehre, um im Falle einer Mobilmachung- die gesammtc Landwehr damit zu bewaffnen. Nach einer kürzlich ergangenen Verfügung des Kriegs- Ministers werden jetzt auch sämmlliche Landwehrlruppen das Mauser- gewehr erhalten und auch die Depots mit letztgcdachter Waffe an Stelle des ZündnadelgewehrS ausgerüstet werden.
— Der deutsche Reichstag hat sich wiederum mit großer M.hrheit für Diäten ausgesprochen. — Die neuen Erau und Bölfln- steuern sind abgclehnt und die betr. Commission hat mit Umsicht und Scharfsinn nachgewiesen, daß das angebliche Drfisit im Reiche Haushalte gar nicht vorhanden sei und daß die 16 Millionen Mark, um die es sich handelt, durch Ersparnisse und entschlossene Striche be schosst werde» können, die Keinem wehe thun, nicht einmal dem Betroffenen. Im Marine Etat namentlich körnen v elc Millionen Mark erspart werden, von denen der Marineminister Stosch selber e nge- rävurt hat, er könne sie in dem nächsten Jahre gar -icht verwenden. Auf diese Werse hat sich das Defizit jitzt schon bis auf eine Million verflüchtigt.
— Am 3. Dez. wurde im Reichstage über die vielgenannte S tra f« gesetznovelle verhandelt, das heißt über die Verschönungen vieler Paragraphen des Strafgesetzbuches. Dabei hat sich wieder einmal g,znpt. daß die Suppe nicht so heiß verzehrt w>rd, me. sie umgetru gen wird. Das Wort nahmen der Justflminister Leonhardt für, die Abgeo-dneten LaSker (nat. lib.), Schwarze (ReichSpart.), Hänel (Fort schriet) gegen und der R^chekanzler BrSrna ck (für). Lasker sprach 2'/2 Stunden, Bismarck 1 Stunde. Minister Leonhardt bc rimdrte die Ncldwendigtert der Vorrage durch die g-sliegene Verwilderung im Volke und Mißachtung des Gesttzes — kühl und doch übertreibend und nicht sehr glücklich nach allgemeinem Unheil. Laster widersprach, bekämpfte d e Vorlage in ihren meisten Bes>ilnm»mer> vi-d be r-chiete im Namen der nationallibcralen Parlei die sogenannten Keulsäuk- Paragraphen der Vorlage wider die Rede-, VersammlungS- und Preß, sreiheil als vollständig unannehmbar. Diese allen Grundrechte der. Lolkesreiheit müsse jede Partei unverbrüchlich wahren. Lasker be gründete seinen Widerspruch scharf lvg'sch und juristisch, in ter Sache selbst sich auf den theoretischen und idealen Standpunkt stellend, während Bismarck auf die Forderungen der Praxis hinwies. Fürst Bis- ma.ck sprach sehr ruhig und versöhnlich und hob die volle Freiheit des Reichstages hervor, die Vorlage zu verweisen oder anzunehmen. Was die Regierung für nolhwendip halte, werde sie nöthigensalls späN r wieder »orlegen. Nur sür zwei Punkie der Vorlage trat er enlschie den ein: 1) sür einen stärkeren gesetzlichen Schutz der kxekutiv Beamten (Schutzmänner, Polizisten, Cxekutoren rc ) 2) für Veifolgung ungehorsamer Beamten im auswärtigen Dienst durch Staatsanwalt und Richter auch ohne ausdrücklichen Aitrog. Die englischen Schutzmänner, sagte er, erführen so selten Widerstand, weil jeder Widerstand den strengsten Strafen unterliege; so müßten auch die deutschen Schutz min ner geschützt werden. Gegen den Ungehorsam von Beamten >m auswärtigen Dienst reichten Disciplinarstiafen, ja Abberufung nicht vuS (Fall Arnim), er, der Reichekanzler müsse auf richterliches Stros verfahren Hinweisen können; die bloße Existenz eines solchen Paragraphen werde den Ungehorsam verhindern. B(willige man ihm diesen Schutz nicht, so werde er die Verantwortung für sein Amt nicht tragen können. (Schließlich wurden die technisch strafrechtlichen Bestimmungen an eine Commission verwiesen )
— Berlin, 4. Dez. Durch den Verlauf der gestrigen Reichs tags-Verhandlung sind die sogenannten politischen Paragraphen der Strafgesctznovrlle aus der Discussion ausgeschieden. Was auch in den späteren Stadien noch über dieselben gesagt werden »mg. ihr Schick- sal ist entschieden. Der Schwerpunkt der weiteren Berathung ist durch die Rede des Reichskanzlers in den sogenannten Arnim Paragraphen verlegt. Wenn der Reichskanzler sich gerade mit Rücksicht auf die hier in Rede stehende Materie über abweisende FraktionSbrschlüssr beschwerte, welche gefaßt seien, ohne daß d>e Regierung vorher gehört worden, so ging er dabei von einem, übrigens noch während der
Sitzung aufgeklärten Mißverständniß auS. Die nationalliberale Frac- tion, deren Beschlüsse er bei jenem Wort im Auge hatte, hatte den. §. 353a keineswegs mit unter jene Paragraphen zusammengefaßt, welche als schlechterdings unannehmbar zu bezeichnen seien. Wie wir hören, ist es außer Zweifel, daß der §. 353a bei Gelegenheit der zweiten Lesung an die Commission verwiesen werden wird, falls sich für denselben nicht bereit« vorher eine annehmbare Form gefunden haben sollte. In der heutigen Sitzung wurde die zweite Lesung deS Post-Eisenbahngesetzes unter Annahme des Commissionsantrages hinsichtlich der Haftpflicht erledigt, begleichen eine Wahlprüfung. Die zweite Berathung der Entwürfe ist für nächsten Donnerstag in Ans- sicht genommen. Trotz der überaus verwickelten Materien hofft man dieselbe in höchstens zwei Sitzungen zu Ende zu führen.
— Berlin', 6 Dez. Gutem Vernehmen nach hat der BundeS- rath beschlossen, vor Einziehung der Silberthaler zunächst deren Cours- fähigk-it ein,»schränken und dieselben wie Reichssilbermünzen als gesetzliches Zuhiuiigemiltel sür Zahlungen dis 20 Mark vorläufig fort- bestehen z» lasse».
— Berlin, 5 Dez. Der V>rlobte der Tochter des Fürsten Bismarck, Graf Wcndl zu Eulendurg, ist heute fiüh 7 Uhr am Typhus gestoiben.
— Wien, 3. Dez. Nie ist eine Meldung so vollständig grundlos gewesen, als die der „Times", daß Oesterreich und Rußland sich in der orientalischen Frage »ist hätten ewigen können und daß die bezüglichen Vcthuodlungen abgebrochen seien. Die Einigung ist längst erfolgt; Rußland hat die leitenden Prinzipien, welche Oesterreich für die Lösunz der Wurm ausgestellt, rückvalislos gebilligt und es erübrigt jetzt nur noch, die praklis geil Konsequenzen für das Detail aus ihnen zu ziehen Sobald der russische Kaiser und sein Reichskanzler wieder in St. Petersburg sind, wird man an "ie Feststellung dieser Detai'S gehen. Von einem Plan Rußlands übrigens, die Neutrali- sirung des Suezkanais in Szene zu setzen, ist wenigstens in Wien abiolui nichts bekannt
— W'-n. 6. D-? sAlg. Z'g) Der Fi--st on M ontenegro ertlarie der Psvilc und inn Machten formell: die Auistellung von 2000 Montenegrinern habe lediglich den Zweck der Defensive und der Grenzbewachuna.
Türkei. Konst a n t i nv p e 1, 6. Dezember. Soeben habe» Reform Maßregeln von hoher Wichtigkeit die Sa cston de» SuttmiS erhalten und sollen dieselben ohne Aufschub publicirt werden.
England. London, 7. Dez Heule fand eine furchtbare Explosion in der Kohlengrube Swaithr-Main bei Barne» ley» einer der größten Gruben m Süd-Aorkshirr, stall. Mehr als 300 Arbeiter sind i» der Grube; man fürchtet, daß über -00 umgckommen sind. — Nach den Abendzeitungen haben in Bel fast die Leinenfabri- kamen William Dpoite» u Co. mit 300.000 Pfund ihre Zahlungen ,uspe»din Ui'günst'ge L quidanon wird befürchtet.
Ncdigirt, gedcall >ru» verte,k vo i *
Literarisches.
Aar Kinckerbmk. „Was wäre die Weihnachtsfreude der Kinder ohne Bilderbücher, ohne Weihnachtslieder? Was erhebt die Herzen der Kleinen am sä önen Wcchna . l> abend über die alltäglichen Em« sfindungen empor zu einer himmlüietz F-eude? Es sind jene herzigen Klänge vom „liebn heiligen Christ", witcle wie SegenSworie der Mutier immer wieder und immer traulicher in unserer Seele nach- klu gen, e» sind jene Weihnschtslirder, die uns aus dem Munde unsere, K >'d>r cnlzüüei ! Um dieselbe» den Kindern richtig einzulernen, reicht aber bei vielen Eltern das Gedächtrnß nicht mehr aus und sie bedürfen einer g^druckien Norl Hilfe Das „Kinderbuch" von I. G. Freihofer (Ver'ag von W Nitzschkr), bereits in fünfter ver- b sie,ter Auflage erschienen, >st so recht eigentlich ein Kinderbuch sür Mültrr und znm Weitvochrsgeschenke mehr geeignet als viele andere in bunter und priuikmoer Ausstattung. Darin findet sich eine r-'che Fülle reiflicher Kndeipoesie in bester Anordnung, Gebete, Sp'üche, Erzählungen, Fabeln, Märchen, ferner die beliebtesten Wiegenlieder, eine vioß, An;ail Kinderspiele der sinnigsten Art, eiist nid sei erzhaste Räthsel, übeiüenpl Erbauliches und Kurzweil si» jede Johns« und Tage zell. Es ist auch geschmückt mit 6 feine» bunten Bildern von Künstleihand.
Die kleinen Vnbliiigk Nid p'vße» Tyianmn verlangen beständig Abwechselung, also wird mit dieskm Buche in der Hand auch die vielbeschäftigte und wenig eifindensche Mutter das lernbegierigste unix lebhafteste Kind befriedigen können. Auch die Wärterinnen und Kindermädchen können den Kleinen aus diesem Buche oorlesen, und sie selbst werden dabei wieder lernen, werden mit den Kindern gemächlicher und vertraulicher. Ein derartige- Buch wird zu einem wirklichen Haus- und Fs-nilirnschatz ^ vr. 8.
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