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gemachte Anzeige wurde nähere Untersuchung vorgenommen, welche auf einen frechen Kirchendiebstahl führte. Das Fehlen von zwei Kelch en, der Monstranz, der Kreuzpartikel uyd beider Klappen des neuen Meß- buchs im Werthe von zusammen über 600 fl., ein an der Sakristei, thüre eingeschlagenes Feld, die gewaltsam eröffnete Paramentenkammcr, m Chor und in der Sakristei zerstreut herumlicgende Altartücher, Kelchtücher, Meßbücher u. s. w. bezeichnten die Spuren des verübten Verbrechens. Dem Diebe soll man auf der Spur sein.;
— Stetten im Remsthal, 24. Nov. jGestern früh fand man einen schon 70 Jahre zählenden ledigen Mann von hier ertrunken in einem durch den Ort fließenden Bach, in welchen er ohne Zweifel, durch die Dunkelheit der Nacht geblendet, ohne Zuthun Anderer gefallen war; es ist nachgcwiesen, daß er nicht betrunken war, auch hatte er eine schöne Summe Gelds in der Tasche.
— Aus Thüringen, 24. Nov. Im gothaischen Landtage wurde gewissen finanziellen Bedenken vom Ministerium mit der Ankündigung begegnet, daß das gegenwärtige Jahr mit einem Eiats-Ueberschuß von mehr als 100,000 Mark abschlicßen werde.
— Die etwa- berüchtigte Strafgesetz-Novelle, welche u. a. der freien Presse ein gefährliches Kautschuk-Halsband anlegen würde, ist dem Reichstage übergeben worden und wird in nächster Woche verhandelt werden. Sie soll in mehreren inhaltschw-rcn ^aragra-! phen des Reichskanzlers eigenes Werk sein und seine Gegner hoffen und erwarten, daß sie zum Rubicon des Reichskanzlers werde. Bis ^ marck scheint aber den Grundsatz zu haben, daß man das nicht thun! dürfe, was die Feinde erwarten, und wird hoffentlich Freund and Feind ebenso überraschen wie neulich, als er trotz der Ablehnung der Steuergesetze mit heiterer Stirn und lächelndem Munde vor dem Reichstage auftrat.
— Berlin, 26. Nov. Der Oberstaatsanwalt beim hiesigen Kammergerichtshof beantragte beim Anklagescuat des Staatsgerichts. Hofs, den Graseo HarryA.nim als muthmaßlichen Verfasser der Broschüre kr Nibilo w:gen Landesvcrralhs in Anklagestand zu versetzen Der Anklagescuat beschloß, am Mittwoch hierüber in geheimer Sitzung zu verhandeln.
— Ueber einen Theaterbrand in Barmen am 25. Nov., welchem mehrere Menschen zum Opfer fielen, thrilt ein Augenzeuge der »Köln. Zig." Folgendes mit: Donnerstag Abends sollte in dem prächtigen Bauwerk, das erst im vorigen Jahre dem Dienste der Musen geweiht worden, die erste Aufführung der Wagner'schen Oper »Lohen- grin" m:t ganz neuen Dekorationen vor sich gehen. Der Dekora tionsmaler Hausmann war mit seinem Sohne und einem Gehilfen in dem Saale des obersten Stockwerks mit Vorbereitungen bescl äftigt. Theaterdirektor Wchiler und der Bühnenmeister, welche rbensalls im obersten Stockwerk ihre Wohnungen hatten, befanden sich gerade mit ihren Familien darin, als um 4 Uhr Nachmittags aus der Tiefe des Hause» ein Krach ertönte, das Parterre des Zuschauerraumes emporbarst und dicker Qualm heraufqnoll, aus dem bald die Flammen nach allen Richtungen hin sich verbreiteten. Der Brand war bald mit ras.über Eile inwendig so weit vorgeschritten, daß an Löschen gar mcht mehr, sondern nur an die Rettung der schwer gesährdeten Menschen im obersten Stockwerke gedacht werden konnte. Der Maler Hausmann war mit seinem Sohn und Gehilfin auf das platte Dach hwaufgesti-gen. D ort mußten sie vor dem Qualm, der aus sie ein- drang, auf dem Sims immer weiter zurückweichen, bis ihnen auf der äußersten Ecke nichts übrig blieb, als der Sprung in die Tiefe auf die Straße hinab. Es gmg alles so rasch, daß keine Zeit blieb, aus den Nachbarhäusern Betten zum Auffangen herbeuuschaffin. Vater und Sohn blieben aus der Stelle todr, als sie auf das Pflaster ansschlugen, der Gehilfe konnte, ins Hotel getragen, noch etwas sprechen; auf dem Wege ins Spital ist er aber auch gestorben. Endlich, 20 Minuten nach Ausbruch des Brandes, erschien die Feuerwehr mit ihren Rettungsapparalcn. Feau Direktor Wihrler hatte bereits ihr kleinstes K>nd, in Betten geschnürt, zum Fenster ihrer Wohnung hmaus unter die Volksmenge unten geschleudert; dasselbe ist auch glücklich ausgefanaen worden und unversehrt geblieben. Oben befanden sich aber noch acht Personen. Da erstieg der stellvertretende Haupt mann der Äarmer Turner Feuerwehr, Gastwirth'Trappmann, die oben eingchackte Rettungsleiter, zog oen Rettungssack nach sich und befestigte denselben an einem Fenstt," der Wchrlcr'schen Wohnung. Sämmtliche acht Personen, die Frauen zuerst, gelangten durch den Sack glücklich zur Erde, worauf Trappmoülan der Leiter wieder herunterstiez. Das Gebäude :..ußke nun den Flammen überlassen werden. Unberechenbar wäre das Unheil gewesen, wäre die Feuersbrnnst einige Stunden später ausgcbrochcn, denn das Haus war für die angekündigte Anf- süolung ansverkauit. Die Ursache des Brandes dürfte in der Luft. Heizung und darin zu suchen sein, daß der Dampfkessel oder ein Rohr m Kelle- gesprungen war. Achtzig Per-onen sind durch dieses plötz
Redigirt, gedruckt und verleg
lich hereingebrochene Unglück für den Winter ihrer Existenzmittel unb der Direktor seiner ganzen Habe beraubt worden.
— Oldenburg, 23. Nov. Ans den Kammerverhandlungen ist zu entnehmen, daß Oldenburg im Unterschiede von den meisten andern Staaten nicht nur ohne Schulden, sondern im Besitze eines zinstragenden Kapitales von 4,622,259 ^ ist.
— Petri Fischzug wird in diesem Herbst fast täglich in der Ostsee - aufgeführt. Die Netz« reißen den Fischern von der Menge der Aale, wie sie seit Menschengedenken nicht erlebt worden ist. Die Aale drängen sich ins Netz, daß man sagt, sie wollen sterben. Haben sie von d.m vielen Wein dieses Jahres gehört, der zum Aal so gut schmeckt?
^— Flensburg, 23. Nov. Wie die »Fl. Ndd. Z." aus zuverlässiger Quelle erfährt, Hst die schleswiger Regierung vor einigen Tagen auf Grund höherer knltusministerieller Ermächtigung einleitende Schritte gethan, um die Einführung der deutschen Unterrichtssprache ui den Schulen Nordschleswigs anzubahnen.
Schweiz. Zürich, 25. Nov. Gestern Mittags wurke der schon seil Freitag vermißte Zimmerpolier Franz Bum von Markels- hcim, Württemberg, beim Hafendamm als Leiche aus dem See gezogen. Man vermuthet, daß ein Verbrechen vorliege; schon vor Auffindung des Leichnams wurden Verhaftungen vorgenommen.
Frankreich. Paris, 26. Nov. Ein großes hiesiges Finanz- Institut ist durch einen glücklichen Zufall einem großen Verluste entgangen. Ein Unbekannter erschien auf dem Bureau mit Wechseln im i Betrag von etwa 600,000 Franken, die er, wie er sagte, mcht eS- komplirt, sondern nur acceptirt wünsche, um sic anderwärts verwenden zu können. Man bat ihn wie üblich, am.andern Vormittag 11 Uhr wieder zu kommen. Der Unbekannte erschien, zn: bestimmten Stunde, die Wechsel waren mit dem Accept versehen. 'In dem Augenblick, wo der Commis sie ihm einhändigen wollte, bemerkte derselbe, daß auf einem derselben der Stempel nicht gut festgeklebt war; er bat den Fremden einen Augenblick zu warten, geht in's Cabinet des Direktors, kommt sodann, nachdem die erforderliche Förmlichkeit erfüllt war, aber ! der Fremde war verschwunden!" — Dieses seltsame Verschwinden erregte Verdacht, man forschte genauer nach, wodurch man die Entdeckung machte, daß die Wechsel fatsch seien. — Als das Individuum ^ sah, wie der Commis in das Cabinet drs Direktors ging, hatte es geglaubt, es wolle ein Polizeiagent geholt werden. Wäre er ein klein wenig fester geblieben, so konnte er die 660,000 Franken einschicbcn.
Paris. Ein Schwiegersohn um 2 Millionen. Seit mehreren Tagen kann man im Bonlugner Wäldchen in einem von zwei prächtigen Füchsen gezogenen Landauer ein amerikanifches Ehepaar umherfahren sehen, das Gott Hymen unter eigenthvmlichen Umständen zusammenbrachte. Folgendes ist die Geschichte dieses Ehebünd- , nisses: Vor ungefähr einem halben Jahre verschwand der Kassirer eines der ersten Bankhäuser von Philadelphia, die Kleinigkeit von 2 Millionen mit sich nehmend. Die Polizei wird natürlich unverzüglich in Bewegung gesetzt. Die heilige Hermandat ist jedoch noch nicht re t „auf der Spur" als der Chef des Bankhauses, M. D. S.... folgenden Brief erhält: »Mein Herr! Ich habe diese Dummheit aus Liebe begangen. Geben Sie mir die Hand Ihrer Tochter Emma, und ich bringe Ihnen die Summe zurück, wovon Sie uns einen be- ^ liebigen Theil als Mitgift geben können. Wenn Sie meine Bitte abschlagen, so wissen Sie, daß ich den ganzen Betrag verwende, bevor cs gelingen wird, meiner habhaft zu werden. Antworten Sie mir durch die Journale. Ihr Ex Kassirer F." Der Bankier überlegte eine Weile, fragte seine Tochter um ihre Meinung und nach kurzer Berathung gelangte man zur Ueberzeugung, daß tue beste Austragung der Affaire wäre, den jungen Kassirer zum Schwiegersöhne zu machen.
Die beiden Gatten verleben nun ihren Honigmonat in Paris. — i Wenn nicht wahr, so doch gut erfunden! ^
England. London, 27. Nov. 6 Schiffe solle« beider Magdaleneninscl (britisch Nordamerika beim St. Lorenzbusen) gescheitert sein; von 62 Personen seien nur 17 gerettet.
Spanien. Madrid, 24. Nov. Den Nachrichten der Regierung zufolge nahm der General Quesada die Stellungen der Karlisten in den Bergen von Escaba ein; die Karlisten haben drei For'.s vo» j Villaba verlassen. Die Einnahme von San Cristobal und der Stellungen der Karlisten bei Pampelona wird bestätigt. — 26. Nov. Eine offizielle Depesche aus Pampelona vom 24. Nov. meldet: Ge- neial Quesada schlug 12 karttslische Bataillone und nahm Pampelona nach dreitägigem Kampfe ein.
San Sebastian, 26. Nov. Die Proklamation des Don Carlos an die karlistischen Truvpen hat bei diesen nur eine kühle Aufnahme gefunden. Die Erfolge Que'adas, namentlich die siegreiche ^ Entsetzung Pampelona's, haben ans die Karlisten -inen bedeutenden Eindruck gemacht, von A. OefischHg e r