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Amerikaner mußten die Baumwolle Marien, die Indier die Indigopflanze, die Europäer den Hanf, zudem mußten Wolle und Leder erzeugt werden, und alle diese Gegenstände mußten nach verschiedenen Orten, oft Tau« -sende von Meilen weit geschafft, und dort in der mannigfachsten Weise verarbeitet werden. Nachdem er sich gekleidet, setzt er sich zu Tisch. Er greift nach dem Brod, bedenkt aber nicht, was zur Erzen- gung dieses unentbehrlichen Lebensbedürfnisses Alles nöthig war. Mußte -nicht der Boden urbar gemacht, gepflügt, geeggl und gesäet werden? Waren hierfür nicht gewisse aus Eisen, Stahl und Holz bestehende Instrumente nothwendig? Mußte nicht das Getreide geerntet, gemahlen und in Teig verwandelt werden? Wenn er die Wahrheit eingestehen will, so muß sich dieser Arbeiter daher sagen, daß man seit Jahrhunderten für ihn gearbeitet hat. Und wenn der gute Mann selbst Besitzer wäre, würde er da nicht Richter und Hüter des Sigenthnms finden, und verdanken diese Richter ihre Stellung nicht setwa gewissen wissenschaftliche» Kenntnissen, zu deren Erlangung ein beträchtliches Kapital gehörte? Er holt ein Buch aus der öffentlichen Bibliothek, aus dem er Nutzen zu ziehen hofft. Nun, mußte der Mann. der dieses Buch schrieb, nicht über ein gewisses Kapital verfügen können, um im Stande zu sein, sich und vielleicht eine Familie eine Zeitlang über die täglichen Existenzsorgen hinwegzusctzen? Es ist unmöglich, rächt davon froppirt zu sein, wie groß die Dienste sind, welche diesem Arbeiter durch das Kapital geleistet wurden, und )vie wenig er selbst leisten könnte, wenn er auf seine eigene Arbeit angewiesen wäre. Dank diesem Kapital kann er in einem Tage mehr genießen, als er allein in 10 Jahrhunderten Herstellen könnte. Müßte er z. B. nicht ein ganzes Leben daran wenden, um so ein einfaches Ding, wie ein Nagel ist, zu erzeugen? Er müßte das Erz erst graben, pochen und mit geeigneten Zusätzen schmelzen, und, das resultirende Gußeisen erst in Schmiedeeisen umwandet«. Welchen Scharfsinn, welchen Kraft« und Geldaufwand erfordert dieß nicht? Der Arbeiter, welcher im Glauben ist, daß das Kapital sein Feind sei, ist daher im Jrrthum! Er kan» ohne es gar nicht existiren. Die Arbeit hat zwar jenes ge« schaffen, allein cs stellt ihm in seiner Weise solche Dienste zur Verfügung, ohne die seine Anstrengungen vergeblich sein müßten. Beide sind vereint, beide ergänzen sich gegenseitig." — Ja es ist schon sprachlich ein Widersinn, das Kapital als Feind der Arbeit hinzustellen, denn cs ist ja nichts Anderes, als aufgespeicherte Arbeit, die Arbeit kann sich aber doch nicht feindlich sein! Was dem Arbeiter fehlt, das ist der Besitz von Kapital, vor Allem das wichtigste.- fachmäßiger Kenntnisse ; mit diesen fällt es nicht schwer, auch das andere zu finden.
(Deutsch-amerikanische Gewerbe- und Industrie-Zeitung.)
— Nagold, 24. Okt. Heute Mittag ist in Egenhausen eine
große, mit Fruchtgarben und Futter angefüllte Scheune nächst der Kirche trotz der schnell hcrbeigeeiltcn Hilfe ein Raub der Flammen geworden. Der Beschädigte, einer der reichsten Bauern im Ort, ist nicht versichert. Ueber die Ursache der Entstehung des Feuers ist bis jetzt nichts bekannt. (Ges.)
— Stuttgart, 26. Okt. Der König und die Königin sind mit der Herzogin Vera und Gefolge am Samstag Abend von Friedrichshofen zum bleibenden Winteraufenthalt wieder hier eingetroffen. — Die Eröffnung und Einweihung des neuen großen Saales der Lieder- Halle gab gestern zn einem schönen Feste Anlaß. Gesang und Reden wechselten von 11 Uhr an vor zahlreichen auswärtigen und einheimi- schen Ehrengästen. Professor vr. Speidel dirigirte mit Energie die Festgesängc eines imponirenden Männerchors, wobei sich der Saal als eben so gelungen akustisch erwies, wie er Pracht- und geschmackvoll ist. Die Festrede hielt Professor vr. Blum, ein Festgedicht trug Profes- sor I. G. Fischer vor. An dem Festessen, bei welchem zahlreiche Trinkfprüche sich folgten, nahmen 560 Personen Theil. Unter den zu Ehrenmitgliedern Ernannten befinden sich V. v. Scheffel und Oberbürgermeister vr. Hackh.
— Stuttgart, 25. Okt. (8. Sitzung der Landessynode). In der heutigen Sitzung wurde der vom Konsistorium vorgelegte Entwnrf einer veränderten Ausgabe des Spruchbuchs einstimmig angenommen. Zwar hatten sich viele Redner zum Wort gemeldet, die Mehrzahl der« selben empfahl jedoch Annahme des Entwurfs, den sic mit Freuden als eine zeitgemäße Neuerung begrüßten. Die wenigen Redner, die Einwendungen vorzubringen hatten, begnügten sich dieselben, sowie sonstige Wünsche zur Kenntniß des Hauses gebracht zu haben, ohne Anträge zu stellen. Durch diesen Beschluß ist das Spruchbnch seiner ursprünglichen Bestimmung, blos Mcmorirbuch und nicht zugleich Lehrbuch zu sein znrückgegeben, der Mernorirstoff angemessen reduzirt und dafür ein Gebetsanhang, sowie ein Anhang von Memorirliedern demselben beigefügt worden.
— Stuttgart» 25. Okt. Gestern hat Oekonom' Essig aus Leonberg im Hotel Marquardt an einen Herrn aus Petersburg einen Hund für 700 verkauft. Der Herr hatte im Merkur den Kauf
ausgeschrieben. Der Leonberger Hund trug über die andern angebotenen den Sieg davon.
— Stuttgart, 26. Okt. Gestern Abend 8 Uhr fiel der 2A Jahre alte ledige Bierbrauer Jakob Hermann von Pfrondorf, OA. Tübingen, welcher in der Wullc'schcn Bierbrauerei in Arbeit ist, aus Unvorsichtigkeit in den mit siedendem Bier angefüllten Grant. Der Unglückliche erlitt schwere Verätzungen; an seinem ganzen Körper hat sich die Haut abgclöst. Er wurde vorerst in das Katharinenhospital verbracht.
— Thamm, ON. Ludwigsburg, 25. Okt. Gestern Abend 7^/,
bis ZV? Uhr hat es hier das vierte Mal binnen Jahresfrist gebrannt; das Feuermecr war großartig und weithin sichtbar. Zwei Scheuern unter einem Dach wurden sammt ihrem Inhalt ein Raub der Flammen. Die Abgebrannten sind, wie überhaupt die Mehrzahl der durch die letzten Brandfälle gewitzigten Thammer, versichert, aber mit Entrüstung hört man audsprechen, daß eben auch dieser Brand höchst wahrscheinlich von ruchloser Hand gelegt worden sei, wie die drei vorhergegangenen. (N. T.)
— Stgmaringcn, 15. Okt. Das Kloster Beuron ist nunmehr aufgehoben und muß bis zum 2. Dezember d. I. geräumt werden. Am 11. traf die Ordre daselbst ein. Schon seit einiger Zeit haben die Patres in Belgien eine eigene Niederlassung, wohin sie jetzt alle ziehen werden.
— Pforzheim, 26. Okt. Gestern Abend gegen 6 Uhr fuhren 3 Enzberger, ein Kommissionär, ein Maurer und ein Bauer, welch Letzterer neuen Wein nach der Stadt gebracht hatte, mit leeren Fässern aus diesen rittlings sitzend zurück. Der Neue mag ihre Köpfe in Konfusion gebracht haben, denn der Maurer, dem die Zügel überlaffen waren, trieb trotz mehrfachen Zurufs die Pferde in scharfem Trab vom Bahnhöfe gegen die Lindenstraße zu. Er mag die Pferde wohl nicht mehr in der Gewalt gehabt haben, denn diese setzten mit dem Wagen über einen aufgeworfenen Graben und der daran arbeitende Mann entging dem Ueberfahrenwerden nur dadurch, daß er Geistesgegenwart genug besaß, sich der Länge nach in den Graben zu werfen. Am Rezenold'schen Hause geschah, was vorauszusehen war: Der Wagen schlug um. Der Maurer (Stieß, verh., 27 I. alt) stürzte so unglücklich, daß er nach wenigen Minuten den Geist aufgab; der Besitzer des Fuhrwerks wurde, schwer verletzt, nach der Wohnung einer hier verheiratheten Tochter gebracht; der Dritte kam mit einigen leichten Quetschungen davon und wurde mit der Leiche seines Freundes nach Enzberg geführt.
— München, 24. Okt. Die „Allg.Zrg." schreibt: Es ist dieser Tage mehrfach und auch in der Presse die Vermuthung ausgesprochen worden: es werde der Vertagung der Kammern alsbald die Auflö- sung des Landtages folgen; es ist diese Vermuthung jedoch, wie wir vernehmen, eine unbegründete. Die Wiederberufung der Kammern wird nach dem Schluffe des Reichstages, wie man zur Zeit anneh. men darf, zu Anfang Januars, erfolgen. Die Kammern werden sich dann alsbald mit dem erforderlich werdenden Gesetzentwurf in Be- treff der provisorischen Steuererhebung zu beschäftigen haben, und erst wenn diese Gesetzesvorlage die Zustimmung der Abgeordnetenkammer nicht erhalten sollte, und stch mit Sicherheit annehmen ließe, daß mit dieser Kammer eine Vereinbarung über das Budget nicht möglich sei — erst dann dürfen wir uns am Vorabend einer Kammerauflösung und der Anordnung neuer Wahlen befinden.
— München, 24. Okt. Der König soll nun wirklich in den nächsten Tagen hierher kommen wollen, und für diesen Fall werden ihm Huldigungen, namentlich ein Fackelzug, vorbereitet. Aus vielen Städten liegen Nachrichten vor über Festversammlungen und dgl. aus Anlaß der vom König in der nun so glücklich beendeten Krisis getroffenen Entscheidung. Die hiesigen ultramontanen Blätter verhakten sich noch auffällig reseroirt, nur die „Augsb. Postztg." meint, das Mini- sterium werde mit oder ohne Kammerauflösung nach einigen Wochen vor denselben 79 stehen, auf deren Umfallen dieses Mal vergeblich gerechnet wird, und das „Reg. M.", das Organ des dortigen Bi- schoss Senestrey erklärt: „die Kammermehrheit werde unter allen Verhältnissen auf ihrem Mißtrauensvotum beharren und demselben schon noch Nachdruck geben. ... Die verfassungsmäßigen Mittel, das Mißtrauensvotum für das Ministerium wirksam zu machen, sind noch nicht erschöpft." Das kann nichts anderes, als die Drohung mit Steuerverweigeruog bedeuten.
— Aus Bamberg und Hof sind aus Anlaß der bekannten kgl. Entschließungen Dankadressen an den König auf telegraphischem Wege abgegangen; in Ansbach und Lindau fanden Zustimmungs- nnd Dank« sagungskundgebungen mit Beflaggung der Häuser u. s. w. statt. — Den „Neuesten Nachrichten" zufolge gelangen nicht blos aus Baiern, sondern aus ganz Deutschland, ja selbst vom Auslande zahlreiche Telegramme an den König, an dessen Kabinetssekretariat und an, das Gesammtministerium.