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Friedrichshafen, 2. Okt. Seine Königliche Majestät haben auf die Kunde von dem Unglücksfalle, in Folge dessen Hofrath Freiherr v. Seckendorfs in Ludwigsburg das Leben verlor, der Familie desselben die allerhöchste Theilnahme an dem erschütternden Ereignisse auSdrücken lassen, durch weiches sie so jäh und unerwartet ihres Hauptes beraubt worden ist.

Stuttgart, 20. Okt. Oberst v. Fränzinger, Flügeladjutant Sr. Maj. des Königs ist gestern früh nach schmerzhafter Krankheit an einem Herzschlag mit Tod abgegangen.

Stuttgart. In der 6. Sitzung der evangelischen Landes- Synode, 2l. Okt., kam als erster Gegenstand der Tagesordnung der kirchliche Gesetzesentwurf, betr. das Alter der Verpflichtung des Be- fuchs zur Sonntagskinderlchre (Christenlehre). Der einzige Artikel lautet: Die seitherige kirchenrechtliche Bestimmung über .den Besuch der sonntäglichen Katechese wird dahin beschränkt, daß die Verpflich­tung sich nach der Altersklasse der 2 Jahrgänge nach der Confir- mation erstreckt. Das evang. Cvnsistorium ist mit Vollziehung die­ses Gesetzes beauftragt. Der Bericht der Kommission für Lehre und Kultns (Berichterstatter Sandberger) stellt den einstimmigen An­trag : die Synode wollendem beantragten Gesetzesentwurf zur Zeit die Zustimmung nicht ertheilen.

München, 21. Okt. Zur Geschichte der letzten Tage erfährt man nachträglich, daß, nachdem das Entlassungsgesuch der Minister und die Bitte des Kammerdirektoriums um Gewährung einer Audienz zur Ueberreichung der Adresse nach dem Linderhof gelangt war, Se. Majestät die allerhöchste Entscheidung sofort traf, dieselbe dem Kabi- netSchef mitthcilte und diesen behufs geschäftlicher Behandlung der Sache am 19. d. zum Vortrag nach dem Linderhof beschick. Die aller- höchste Entschließung, durch welche dem Gesammtministerium das könig­liche Vertrauen bekundet wird, ist in Plakatform in 8600 Exem­plaren vervielfältigt worden, und wird gemäß dem königlichen Willen in allen Städten BaiernS zur Verbreitung gelangen.

Kaiserslautern, 22. Okt. Die Blätter enthalten einen Aufruf angesehener Bürger zu einer Volksversammlung für heute Abend, um dem Gefühle der Freude und des Dankes über die kömgl. Entschließung in der Adreßfrage Ausdruck zu geben.

In einem Dorfe Unte rjf rank en s herrscht eine Volkskrankheit, die jedenfalls eine traurige Folge des Heirathens zwischen nahen Verwand­ten ist. Das ist die sogen. Starrsncht. Die davon Betroffenen bleiben plötzlich bildsäulenartig in der Lage, in der sie sich befinden, stehen, die Äugen sind starr auf einen Punkt gerichtet, das Gesicht ist blaß, todtenähnlich, der Mund zusammengezogen, die Finger sind halb gekrümmt, Hand und Kopf in zitternder Bewegung. Dieser Zustand tritt besonders bei Erkältung ein, oft im Zimmer, auch oft im Wirthshans. Ein solcher Anfall dauert 15 Minuten, bis das Blut wieoer läuft, wie sie sagen. Die Hälfte des Ortes soll die Starrsucht haben und, so gut cs geht, geheim halten. Die Bewohner leben abgeschlossen von andern Orten und haben so in einander hinein geheirakhek, daß in dem 400 Seelen zählenden Dorfe nur 5 Familien­namen Vorkommen.

Aus dem deutschen Brauerkag in Leipzig hat man erlebt, daß

nicht nur der Wein, sondern auch das Bier beredt wacht. Die Brauer gingen gewaltig ins Zeug gegen die drohende Verdoppelung der Bram malzstener; an den Reichstag richten sic einen geharnischten Protest, nachdem ihr Protest bei dem Bnndesrath zu den Akten gelegt worden ist. Die Herren konnten um so unbefangener sprechen, als disTriN' ker von der Gefahr noch mehr bedroht sind als die Brauer; wenn die Steuer aufschlägt (1 Pf. ä V- Liter), schlagen auch die Brauer auf, natürlich nicht nur 1 Pfennig, die Wirthe schlagen auch auf und alle drei Schläge fallen auf die Biertrinker, die ganz geschlagen sind und arm meisten, wenn das Bier durch die neue Steuer etwa nicht nur vertheuert, sondern auch verschlechtert werden sollte, denn daS Bier, sagten die Herren in Leipzig, möchten wir selber nicht trinken. Mitten unter den Brauherren saß vr. Hans Blum und legte seine schärfste Lanze gegen die neue Braustcuer ein. (Dfz.)

L Die Umgegend von Annaberg im Erzgebirge war am 19. Okt. vollständig in Schnee gehüllt, und in Platten, Gotteszab, Sauersack und Fribus fuhren die Leute Schlitten. Schlittenfahren ist zwar schön, aber beneiden wollen wir die Erzgebirger darum so wenig, wie die reichen Leute um ihr Frühgemüs.

Gera. Das TodeSurtheil des dreifachen Raubmörders Schlör

ist vom Fürsten bestätigt worden. Die Vollstreckung des TodeSur» theils findet dem Bernchmen nach im Laufe dieser Wdche im hiesigen Kreisgerichtshofe statt.

Deutschland darf auf die Aufnahme seines Kaisers in Mai­land stolz sein. König Viktor Emanuel und die Stadt Mailand haben das Aeußerste zu glänzendein lind herzlichem Empfang aufgeboten, und die Italiener haben sich als geborene Künstler gezeigt. Der prachtvolle Mailänder Dom war umgrenzc von einem kleinen Häuser- und Baracken-Meer, alle diese Häuser rc. sind innerhalb 14 Tstgen vom Erdboden verschwunden, der Dom ragt frei empor in seiner un­vergänglichen Größe und Schönheit und wie vollends an den Fest» abenden, da er im magischen Lichte von der Kuppel bis zum Fuße erglänzte, und andern Abends, da ringsumher der gewaltige Domplatz in einem Lichtermeere strahlte und er allein im Helldunkel emporragte. Der Kaiser, der vieles in Wien und Petersburg rc.'gesehen hat nnd Vergleiche anstellen kann, schrieb seiner Gemahlin, sein Empfang sei unbeschreiblich gewesen und so etwas wie die Beleuchtung des Dom- Habe er nie in seinem Leben gesehen und Victor Emanuel sei Über alle Beschreibung liebenswürdig. Bei dem Empfange auf dem Bahn­hofe drückten sich die beiden Fürsten herzlich die Hand. Diesen Hände­druck stellt das Mailänder WitzblattZangara^ (Mücke) in bunten Farben und mit einer Randverzierung von entsetzten Philistern, Mönchen und Jesuiten dar und drunter steht:Ein Händedruck und ein Druck aufs Herz aller Feinde Italiens."

Ein Minister, scheint es, darf nicht unwohl sein. Weder die Italiener, noch die andern Leute sind vollständig klar und einig, ob Fürst Bismarck nur Unwohlseins halber nicht mit !über die Alpen nach Mailand gegangen ist. Die Einen sagen, er wolle den Kaiser ganz allein den Jubel der Italiener genießen lassen, die Andern,j er habe den Festjubel nicht durch eine kleine, wenn auch vertrauliche Lektion stören wollen, die er den italienischen Ministern wegen ihrer Kirchen­politik habe ertheilen müssen, wenn er anwesend gewesen wäre, die Dritten endlich, und das hängt mit Nr. 2 zusammen, er habe den Italienern durch seine Abwesenheit andeutcn wollen, daß auf dem deutschen Kerbholz noch einige italienische Schnitte fehlen und daß diese baldigst nachzuholen seien.

. Als man vor einiger Zeit bei einer heitern Tischgesellschaft des Fürsten Bismarck in Varzin auf den römischen Einfluß zu sprechen kam,, welcher jetzt in Frankreich die Oberhand habe, äußerte derselbe seine 'Zufriedenheit damit, weil die Wehrfähigkeit des Landes dadurch geschwächt würde, und sagte:Ein Bataillon, in welchem der Almo­senier mehr gilt als der Major, das schlägt man leicht. Da ist viel Heuchelei, aber wenig Dienst darin!" Auch wir wollen hoffen, daß sich die römische Unfehlbarkeit endlich in ihrer eigenen Schlinge fängt.

In der Ausrüstung und Bekleidung der deutschen Armee werden voraussichtlich in kurzer Zeit umfangreiche Veränderungen eintrcten. Bei einigen in Berlin garnisonirenden Garde-Infanterie-Regimen - lern werden seit einiger Zeit Tornister, wie sie in der englischen Armee eingeführt sind, versuchsweise getragen. Diese Tornisttr sind bedeutend kleiner als die bisherigen; aus geschmeidigem, wasserdichtem Leder ge­fertigt, lassen sie sich, wenn sie gefüllt sind, bequemer tragen, als die in der preußischen Armee bisher gebräuchlichen. Der Mantel wird bei den Versuchstornistern nicht gerollt über demselben getragen, son­dern zusammengelegt oben aufgeschnallt. Das Kochgeschirr erhält seinen Platz hinten auf dem Tornister, der ganze gepackte Tornister sitzt bedeutend tiefer, und unten ist eine Oese angebracht, durch welche der Leibriemen gezogen wird. Die weißen Tragrnmen werden dürch schwarze ersetzt. Mit der definitiven Einführung der Versuchstvrnister wird dem schon längst gehegten Wunsche, das Gepäck deS einzelnen Mannes so viel als möglich zu erleichtern, einem Wunsche, ker um so gerechtfertigter ist, als durch die Einführung der Mauserpatronen eine Mehrbelastung eingetreten ist, so viel als möglich genügt.

Der Telegraph hat sich durch seine wunderthätigen Leistungen im

Verkehrsleben so sehr in Gunst gesetzt, daß an manchen Orten seine überirdischen Fäden kaum mehr ansreichen, alle Aufträge zu besorgen, welche ihm von allen -'ten zugetragen werden. Man geht deßhalb damit um, ans sehr belast: 'nien wie z. B. zwischen Berlin

und Halle, auch unterirdische en einzurichten und überhaupt

das Reichstelegraphennetz im Jahre 1876 wesentlich zu erweitern. Das kostet natürlich Geld, welche- jetzt der Bundesrath in einer Summe von 0,300,000 bewilligen soll. Die Wage ist noch iw der Schwebe.

Bochum, 16. Okt. Heute früh um halb 6 Uhr ereignete sich auf der, eine halbe Stunde von hier entfernten ZecheDannenbaum" ein erschütternder Unglücksfall, der 5 Bergleuten das Leben kostete. Dieselben befanden sich im Förderkorb, um eben in die Grube ein­zufahren. In dem Augenblick, wo die Maschine den Korb zuerst etwas zu heben und dann zu seuken anfing, zersprang der eiserne Ring, an dem der Korb befestigt ist, obgleich er eine Dicke von meh.