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— Vichfelden (Oberndorf), 9. Sept. In der Nacht vom 5./6. d. M. brannte hier ein größeres Wohn« und Oekonomiehaus vollständig ab- Die Entstchungsursache des Brandes ist unbekannt. Beim Retten des Viehs wurdej der Bruder des auf dem Leinwand- Handel abwesenden GebiiudeeigenthümerS auf den Boden ins brennende »om Dach herabgefallene Stroh geworfen, und von einem Stöcke Vieh aus den Rücken getreten, wobei er am Kopf, Händen und Armen arg verbrannte. Heute Nacht ist derselbe seinen Verletzungen erlegen.
— Friedrichs Hafen. 16. Sept. Se. Mas. der König haben aus Anlaß des Geburtsfestes I. Maj. der Königin ein größere Anzahl Strafgefangener zu begnadigen geruht.
— Pforzheim, 11. Sept. Ein verheiratheter Mann aus dem
Oberamt Calw nahm am Donnerstag Nacht zwei ihm unbekannte Mädchen mit in ein hiesiges Gasthaus, sie für seine Frau und Schwester ausgebend. Nach reichlich genossenem Nachtessen, bei dem namentlich auch der Wein nicht gespart wurde, begaben sich alle Drei in das gemeinsame Zimmer. Als der Mann aber Morgens erwachte, fand er sich allein in demselben; mit den beiden Mädchen war all sein Geld, sowie die wcrthvollen Teppiche der Betten verschwunden. Die beiden Priesterinnen der Venus hatten sich vor 12 Uhr wieder heimlicherweise aus dem WirthshauS entfernt, ohne daß sie hierbei bemerkt worden waren. (Pf. B.)
— München, 9. Sept. Der verlebte Prinz Karl hat für die Armee folgende Legate in seinem Testamente bestimmt: 46,000 fl. als Stiftung zu Freiplätzen im k. Kadettenkorps namentlich für Söhne mittelloser Offiziere, welche vor dem Feinde gefallen oder in Folge der erhaltenen Wunden gestorben sind; 50,000 fl. dem Militär-Wittwen-Stiftungs-Fonds, um aus dem Zinsenerträgniß dieser Summe armen Militär-Wittwen und Waisen Unterstützungen gewähren zu können; 50,000 fl. dem Militär-Invaliden-Fonds mit der Bestimmung, die Zinsen zur Unterstützung von im Kriege oder im Dienste verstümmelten oder presthaft gewordenen baierischen Soldaten zu verwenden, und 50,000 fl. für den Militär-Wittwen- und Waisen- sonds, mithin im Ganzen die Summe von 196,000 Gulden.
— Gei dem Sedan-Festzuge in Cassel trugen die Primaner eine Fahne mit der Inschrift: Ora et ladora! (Bete und arbeite). Diese Fahne hatte die Kronprinzessin den Primanern geschenkt.
— Wie das „Fr. Journ." erfährt, wird die neue Befestigung von Köln so rüstig gefördert, daß in den Jahren 1876 und 1877 je drei und 1878 die zwei letzten neuen Forts fertiggestellt und übergeben werden können.
— Auf dem Gute eines streng welfischen Grafen bei Hildelsheim wurden bei den jüngsten Märschen preußische Offiziere und Soldaten eir.quartiert. Als es zum Essen kam, waren weder Teller, noch Messer und Gabeln da und der Herr Graf, ein sehr reicher Mann, ließ sagen, er habe kerne übrig. Der Amtshauptmann mußte sie, da die Preußen nicht mit den Fingern essen wie die Türken, sofort auf Kosten des Grafen anschaffen.
— Der König von Schweden ist auf seiner Heimreise aus Deutschland in Wittenberge, einer Station an der Berlin-Hamburger Cisenbahn, das Opfer einer Prellerei geworden. Er halte dort mit seinem Gefolge ein Lauer beim Bahnhofsrestaurateur eingenommen, für welches dieser eine Entschädigung forderte, deren Höhe dem König Oskar und seiner Begleitung Ausbrüche lebhaften Unwillens entlockte. Die Summe, welche der Wirth beanspruchte, und welche auch bezahlt worden ist, wurde nicht genau bekannt, aber zu einer annähernden Darstellung von derselben verhilft schon die Thatsache, daß am Schluß der Rechnung für Feuerungsmaterial noch 100 Tha- ler, schreibe hundert Thalcr, ausgeworscu waren. König Oskar sandte diese monströse Rechnung sofort dem deutschen Kaiser ein, worauf der betreffende Restaurateur von der Direktion der erwähnten Bahn aus seiner Stellung entfernt wurde.
_ Berlin, 9. Sept. Bekanntlich geht die gegenwärtige Sitzungs-
Periode des Reichstage» im Frühjahr 187? zu Ende. Nach den bei den Bundesregierungen vorherrschenden Ansichten ist spätestens in der letzten diesem Termine vorhergehenden Session der Antrag zu erwarten: die Dauer de« Mandats zum Reichstage von 3 auf 5 oder mindestens 4 Jahre zu verlängern.
_ Breslau, 9. Sept. Der Kaiser ist zur festgesetzten Zeit
hier eingetroffen und von der Bevölkerung in enthusiastischer Weise empfangen worden. Von Glogau, wo der Aufenthalt wegen der heißen Witterung abgekürzt worden war, bis nach Breslau wurde nur in Dyherufurt ein kurzer Aufenthalt gemacht und eine von den Gutsbesitzern der Umgegend durgebotene Kollation in einem Zelte im Freien eingenommen. SämmtUche Bahnhöfe waren auf das prächtigste g.schmückt. Ueberaü hatten die Kriegervereinc und die Schulen der in der Nähe oer Bahn liegenden Orte die Bahn entlang Aus stellung genommen. Nach dem Empfang auf dem hiesigen Bahnhose
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fuhren der Kaiser mit der Kronprinzessin und der Kronprinz mit denr. Herzog von Conuauzht in die prachtvoll geschmückte Stadt ein. Der Erzherzog Albrecht von Oesterreich ist heute Nachmittag 5 Uhr hier eingelroffen und von dem Kronprinzen am Bahnhofe empfangen worden. Auch der kommandirende General des 6. Armeekorps, General, von Tümpling, und der Oberpräsident von Arnim waren zur Begrüßung auf dem Bahnhof anwesend.
— Posen, 10. Sept. Die Untersuchung wegen der Vorgänge in Kosten, wo während des Gottesdienstes zu Beginn der Fastenzeit ein großer Theil der Anwesenden in demonstrativer Weise die Kirche verließ, als ein staatsfreundlicher Probst die Kanzel bestieg, ist zum Abschluß gelangt. Die intellektuellen Urheber des Skandals sind allerdings nicht entdeckt worden, dagegen mehrere Personen, welche die Kirche verlassen hatten, wegen Störung des Gottesdienstes vom Kreisgericht in Kosten zu je 14 Tagen Gefängniß verurtheilt.
— Wir haben früher schon von der großen Arbeitsnoth der Stgl- schen Maschinenfabrik der Wiener-Neustadl berichtet. Dieselbe beschäftigte bis zum Jahre 1873, wo der große Krach durch die halbe Welt zog, 3500 fleißige Arbeiter und brachte, von andern Maschinen abgesehen, wöchentlich 3 Lokomotiven fix und fertig. Seitdem aber ging'S bergab, das Geld feblte, der Credit fehlte und vor allem fehlten die neuen Bestellungen; zuerst liefen Hunderte von Arbeitern fort, weil ihnen der Lohn verkürzt wurde, und dann wurden 1000 Arbeiter entlassen» die gern um geringeren Lohn fortgearbeitet hätten» und wieder tausend; denn die Zeit besserte sich nicht und jetzt arbeiten nur noch 700 Arbeiter in der Fabrik, aber auch nur bis Dezember, wo alle alten Bestellungen aufgcarbeitet sind. Die Regierung griff zwar ein paarmal in aller Stille mit Geld unter die Arme, aber auch sie konnte den flauen Gang der großen Industrie nicht ändern und keine Bestellungen schaffen. Da ist nun Jammer und Noth in ein paar tausend Arbeiterfamilien und nicht minder bei den Krämern» Wirthen, Metzgern, Bäckern rc. in Wiener-Neustadt, die ihre Kunden verloren haben. Auch die großmäuligsten Sozialdemokraten, die früher die Streikes einrichteten, sind verstummt vor dem großen unbarmherzigen unfreiwilligen Streike in der Industrie, der von Niemand kom- mandirt ist und unter dem Alle leiden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
— Prag, 9. Sept. Gestern hat der Kassier der Taborer Sparkasse seine Frau, seine drei Kinder und zuletzt sich selbst getöütet. Furcht vor Strafe wird als Motiv der That bezeichnet.
Fürst Milan von Serbien hat in seiner mit großer Spannung erwarteten Thronrede in der Sknptschkina (Nationalversammlung) erklärt, daß Serbien auf jedes thatsächliche Eingreifen in den Ausstand gegen die Türkei verzichte. Damit ist die größte Gefahr, daß dort ein europäischer Brand entstehe, beseitigt, zumal Montenegro dieselbe Haltung wie Serbien einnehmen muß.
— Belgrad, 10. Sept. Der Passus der Thronrede über die Ereignisse in Bosnien und der Herzegowina lautet: „Unsere Nation ist an den Grenzen des Vaterlandes in ihrer Entwickelung beunruhigt.
Ein Theil der Grenzbevölkeiung muß, Haus und Hof verlassend, mit den Waffen in der Hand die Sicherheit des Vaterlandes im Oste» und Westen überwachen. Die Ereignisse in Bosnien und der Herzegowina schufen uns eine schwere Lage. Ohne Hoffnung auf Verbesserung seiner Lage griff jenes Volk zu den Waffen, um sich seiner Mißstände zn erwehren. Die Regierung des Sultans häuft Militär an unsere Grenze. Dieß verwickelt die Lage. Die Nation bittet uns um Schützmaßregeln, das bosnische Volk flüchtet zu uns vor Feuer und Schwert. Dadurch ist die Lage noch schwieriger. Es ist zu hoffen, daß es der Weisheit des Sultans und der Garantiemächte gelingen werde, einen Modus der Beruhigung jener Gegenden Zlk finden und sie zufrieden zn stellen; als unmittelbare Nachbarn leiden wir mehr als irgendwer durch diese periodischen Kämpfe. Ich werde daher nach Kräften streben, einen Zustand zu schaffen) der Bosnien ! und der Herzegowina den Frieden wiedergeben wird."
Italien. Mailand, 9. September. Für den erwarteten Besuch des deutschen Kaisers wird bei dem italienischen Hofe und in städtisch.n Kreisen ein würdiger Empfang vorbereitet. Die „Perse- veranza" meldet: Bei der Ankunft des Kaisers sollen Vertreter des Senats, der Depntirtenkammer und des AnnnziatenordenS neben den Würdenträgern des Hofes gegenwärtig sein. Außer einer militärischen Revue über 15.000 Mann sei eine Jagd bei Monza und ein großer Ball in Aussicht genomm-n.
Spanien. Madrid, 10. Sept. Es heißt, daß die Jesuiten in den baskischen Provinzen, überzeugt von der Nutzlosigkeit der Anstrengungen des Don Carlos, gemäß den von Nom gekommenen Befehlen für den Frieden thätig sind. Man versichert, daß der Erzbischof von Vitoria einen Hirtenbrief erlaffen hat, welcher den basklschen Clerus
auffordert, zu Gunsten des Friedens zu predigen^_
von A. OelschlLger.