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nachgeahmt, daß sie leicht für echte gelten können, namentlich so lange sie noch den natürlichen Glanz haben.

InAltona fand am 20. August vom dortigen Militärlazareth die Beerdigung der auf dem Marsche verstorbenen Soldaten des l. hanseatischen Infanteriercgimenls Nro. 75 statt. Die Beerdigung erfolgt« mit allen militärischen Ehrenbezeugungen; die Trauer und die Erbitterung des Publikums waren gryß. Dir, Weser-Ztg." widmet dem traurigen Borkommnisse einen Leitartikel, worin sie strenge und öffentliche Untersuchung fordert, damit, wenn menschliches Verschulden nachgewiesen werde,die Heeresverwaltung diejenigen Personen kennen erne, deren Unfähigkeit oder Gewissenlosigkeit nicht allein Trauer in lvielen Familien verbreitet, nicht allein dem KaiseHeine Anzahl tüchtiger Soldaten geraubt, sondern auch die hohe Achtung, deren das Offizier­korps mit Recht genießt und die zu den Grundsäulen der deutschen Wehrverfaffung gehört, in den Augen der Nation und der Mannschaften kompromitrtrt haben." Im andern Fall aber, wenn die Todesfälle die Folge eirsts unabweisbaren Zufalls waren, sei die öffentliche Un­tersuchung ebenso nothwendig. denn die Ermittlung der Wahrheit werde Unschuldige von einer auf ihnen lastenden furchtbaren Anklage eutbürden und die Angst und Sorge zahlreicher Familien beschwichtigen, welche jetzt sich vorstellen, daß ihre im Heere dienenden Angehörigen nicht allein den unvermeidlichen Gefahren des Soldatenstandes, sondern außerdem auch denjenigen einer einsichtslosen oder gar unmenschlichen Führung ausgesetzt seren.

Wken, 23. Aug. Die Mächte stellten als moäus proceäeruii fest, die Insurgenten sollten Vertrauensmänner ernennen, welche dnrch Vermittlung nordmächtlicher Kommissäre mit dem neuernannten Kom­missär der Pforte Server Pascha unterhandeln würden. Man meldet von Besörgniß erregender Gährung Bulgariens. Italien und Frank­reich schlossen sich direkt, England indirekt dem nordmächtlichen Pro­gramm der orientalischen Politik an.

Wien, 25. Aug. DiePolitische Korrespondenz" bringt Aus­führliches über die Ereignisse in der Herzegowina und in Bosnien, wovon Folgendes hervorzüheben: Der für heute vorbereitete Angriff der Insurgenten auf Trebinje unterbleibt vorläufig in Folge von Weisungen aus Cettinje. Vorgestern wurden in Klck zwei weitere türkische Nizämbataillone mit Nedjib Pascha ausgeschifft. Aus Bosnien flüchten zahlreiche Familien mit Hab und Gut auf öster­reichisches Gebiet.

Türkei. Konstant in opel, 22. Aug. (Offizielle Mitthei­lung.) Obgleich heute alle zur raschen Unterdrückung des Aufstandes nölhigen Maßregeln ergriffen unv Truppen in genügender Stärke auf dem Jnsurrektions-Schauplatze konzentrirt sind, hat die Hohe Pforte, von dem Wunsche erfüllt, dem Blutvergießen Einhalt zu lhun und den Frieden aufrecht zu erhalten, die folgenden, von den Großmächten formulirten Vorschläge angenommen: Dazwischentreten der Konsuln, welche den Insurgenten auseinandersetzen sollen, daß sie sich einer Täu­schung hingeben, falls sie auf Unterstützung seitens der angrenzenden Fürstenthümer oder von Seite der Großmächte rechnen. Die Aufgabe der Konsuln wird sich strikte hierauf beschränken. Wenn die Jnsur- genten Beschwerden gegen die Lokalverwaltung zu erheben haben, so mögen sie dieselben an den außerordentlichen Delegirten der Hohen Pforte, Server Pascha, richten, welcher zu diesem Zwecke nach Mo- star gesendet, und welcher ihre Beschwerden im Geiste der Billigkeit prüfen wird. Indem die Hohe Pforte vermöge dieses letzten Zuge­ständnisses sich jeder Verantwortlichkeit für hinkünftige Eventualitäten rntledizt, ist sie in dem Falle, daß die Schritte der Konsuln den ge- wünschten Erfolg nicht haben sollten, fest entschlossen, Gewalt anzu­wenden und dieser Sache ein Ende zu machen.

DieAgence Havas" meldet aus Konstantinopel vom 24. d. M.: Die Pforte konzentrirt anläßlich der Haltung Serbiens Trup­pen bei Nissa, über welche der KriegSminister Hussein Avni Pascha selbst den Oberbefehl übernehmen soll. Für den Fall, daß cs erfor­derlich erscheinen sollte, ist die Okkupation Serbiens in Aussicht ge­nommen. Eine anderweitige Bestätigung der Nachricht bleibt abznwarten.

Bosnien mit der aufständischen Herzegowina ist fast so groß wie das Königreich Baiern. Obwohl gebirgig, erfreut es sich doch eines milden Klimas. Die Höhen flnd meist dicht bewaldet und die fruchtbaren Niederungen könnten noch viel reichere Ermen an Weizen, Mais, Hanf, Obst und Wein liefern, wenn die ertödtende Türkenherrschaft nicht auf dem Lande lastete. Bienen, Geflügel, Wild gibt es in Menge, der Viehzucht kommen kräuterreiche Weiden, den Borstenthieren förmliche Waldungen von Kastanien ,zu statten, die großen Metallschätze harren noch der Hebung. Aber die Provinz ent­behrt noch der Straßen und Verbindungswege, in den wenigen verkom­menen Städten vermag sich der Gewerbefleiß nicht zu entwickeln, und was dem christlichen Bauer die türkischen Steuereinnehmer nicht ab­hande n, nimmt s ein stammv erw andter, zum Islam Ubergctretener

Rediftirt, gedruckt und verlegt

Grundherr erbarmungslos weg. Die Türken verstehen sich nur auf/ Raubbau, sie gönnen keine Ruhe und Erholung und fällenden Baum, um zu den Früchten zu gelangen. Alle Ahnung, daß ihre Herr« schüft zu Ende geht, bringt keine Aenderung in ihrer WirthschastS- weisr hervor, und wenn die Verödung immer weiter greift, so sehen sie darin nur eine Fügung des Schicksals

Italien» Rom, 20. August. Einer Nachricht desFanfulla* zufolge hat der vor Kurzem verstorbene Kaiser Ferdinand von Oester-! reich dem hl. Vater zehn Millionen Gulden, sowie alle heiligen Geräthe seiner Kapelle vermacht. In einem Anhänge seines Testaments fügte? er noch das Geschenk der Glas- und Porzellans eschirre, die er besessen, hatte, bei. Die Testamentsvollstrecker haben sich beeilt, diese Anord­nungen auszuführen. Die zehn Millionen sind sammt den heiligen Geräthen in Rom angelangt. Die Sachkundigen, denen die Schätzung der letzteren übertragen wurde, geben ihren Werth auf mehrere Mil­lionen Lire an, ohne die Vollkommenheit der Arbeit ganz in Rechnung zu ziehen.

Spanien. Seo d'U rg el, 24. Aug. Die Parlamentärflagge ist aufgehißt und sind die Feindseligkeiten eingestellt worden. Die Vorschläge von Lizzaraga sind vom General Martine; Campos noch, nicht acceptirt. Es ist indessen möglich, daß noch heute eine Kapitu­lation mit den Karlisten abgeschlossen wird.

Ueber den Untergang des spanischen KauffahrteidampfersEx­preß" in Barcelona, der durch die Explosion einer Ladung Pulver und Patronen, die er für die die Citadelle von Seo d'Urgel belagernde royalistische Armee an Bord nahm, erfolgte, liegen aus Madrid einig« Einzelheiten vor. Die Katastrophe ereignete sich um 5 Uhr Abends - vom 17. d. im Hafen von Barcelona. Siebzehn Personen wurden getödtet und etwa 20 andere schwer verletzt. Keines der andern zur Zeit im Hafen befindlichen Schiffe nahm irgend welchen Schaden. Die Ursache dnr Explosion ist noch nicht bekannt?

Vermischtes.

Zwei Kindermädchen in Nürnberg fahren mit ihren Wägel­chen, in jedem ein blutjunges Kindlein, zur Haller Wiese. Die Kinder schlafen so hübsch und dort kommen gerade zwei junge Herren, sogar solche in zweierlei Tuch, warum sollen sie nicht mit ihnen plaudern? Sie lassen die Wagen stehn und plaudern und kommen immer tiefer in die Wege und in die Gebüsche hinein und nach einer Stunde oder so etwas auch wieder heraus und fahren die Kleinen lustig plaudernd heim, die eine in diese Gasse, die andere in die andere Gasse. Di« Mütter warten schon und in beiden Häusern spielen Ach genau die­selben Auftritte ab. Endlich, endlich! rufen die Mütter in beide» Gaffen und stürze« auf ihren Liebling zu. In beiden Häusern ein furchtbarer Schrei: was ist das? das ist ja gar nicht mein Kind. Warum nicht gar? Ja, wahrhaftig! Die beiden Mädchen sind wie vom Donner gerührt, aber keines weiß, wie das zugegangen ist. Die Leute sammeln sich schon, da kommt ein alter braver Bürgers­mann und sagt zu der Mutter: Madame, beruhigen Sie sich. DaS ist allerdings nicht Ihr Kind, aber ich weiß, wo es ist und es wird sogleich da sein. Ich habe den leichtsinnigen Mädchen einen Denk­zettel anhängen müssen. Sie kamen auf die Haller Wiese und ließen die Wägelchen stehen und spazierten weit fort mit ihren Galans, da Hab' ich die Kinder vertauscht, sie Habens gar nicht bemerkt und ich bin ihnen auf dem Heimweg »achgegangen. Der Tabak war stark, aber die Freude noch größer; denn in 10 Minuten hatte jede Mutter das rechte Kind. Und die Mädchen? Sie haben ihre Galans ab- gedankt, so lange Manöver ist.

Eine Stenographir-Maschine. Einen Mechanismus, welcher das gesprochene Wort unmittelbar niederschreibt, hat Theodor Huppinger in Männerdorf am Züricher See erfunden. Der Grundgedanke be­ruht darauf, die Sprachwertzeuge nicht nur zum Sprechen, sondern auch unmittelbar zum Schreiben zu gebrauchen. Der kleine, höchst sinnreiche Mechanismus die ganz? Maschine ist etwa handgroß wird mit den Sprachorganeu so in Verbindung gebracht, daß die Be­wegungen der Zunge, der Lippen, des Gaumens rc. sich auf den Mechanimus übertragen, dessen Gliederung der Art ist, daß die mit- getheilten Bewegungen auf die Theile eines eigenthümlichen Schreib­apparats wirken. Der kleinen Maschine entrollt während des Spre­chens ein schmaler Papierstreifen, auf welchem das Gesprochene sofort Schwarz auf Weiß in eigenthümlicher Zeichenschrift zu lesen ist. Die Schrift besteht, wie die gewöhnliche Telegraphcnschrift, aus Punk­ten und Strichen. Da das Instrument nur die Bewegungen der Sprachorgane in Form von Schriftzeichen wiedergibt, so ist es gar nicht nöthig, laut zu sprechen. Man kann daher die Maschine zum Stenoaraphiren benützen und hat einfach jedes Wort des Redners lautlos nachzusprechen, um das Gehörte durch die Maschine geschrie­ben zu erhalten. Der Erfinder glaubt, daß sein Instrument in der hier angedenteten Richtung zunächst praktische Verwendung finden dürfte. vönHelschlS ger. (Hiezu Nro. 34 des UnlerhaltungSblallS.)