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hundert Paffagiere in den Flammen oder in dem Meere umkamen. Rach, einigen Jahren folgte das Mädchen doch einer Einladung der Schwester mid reiste nach Amerika, wo es ihr bis zu Ende des vorigen Jahres gelang, sich durch unermüdliche Arbeit ein kleines Vermögen zu erwerben. 'Da «kamen Briefe aus der Heimath, dir. sehr alten Eltern könnten nicht mehr arbeiten, es ginge ihnen schlecht, und schnell war diel Tochter entschlossen, ihre Pflicht zu erfüllen. Sie raffte ihr keines Vernuigen zusammen, die Schwester-gab ihr auch etwas mit, sie eilte in die Heimath, um die alten, schwachen vermögenslosen Eltern zu unterstützen und zw verpflegen. Diese hatten Nachricht erhalten, 'Saß sie bald kommen werde;' sie kam aber nicht — auf dem ^Schiller" machte sie die Reise, und sie ist nicht bei den wenigen Geretteten! (N. Bgz.)
-- Der bekannte'Jugendschrissteller Gustav Nieritz hat in DreS- den seinen 80. Geburtstag .frisch mid rüstig gefeiert.
— Berlin, 8. Juli. Der „Reichsanzeiger" schreibt: »Da die Kisfinger Kur. welche der Hr. Reichskanzler in Barzin gebraucht, angreifend wirk, und die Aerzte ihm eine völlige Enthaltung von Geschäften zur Pflicht gemacht haben, so müssen diejenigen Personen, welche ungeachtet der Beurlaubung des Fürsten sortfahren, sich an denselben zw wenden» darauf gefaßt fein, ohne Antwort, zu bleiben."
— Berlin, 9. Juli. Der »Preuß. Staats-Anzeiger" veröffent. licht das vom König vollzogene Gesetz, betreffend die Rechte der altkathotischcn Kirchrngemeinschaften an dem kirchlichen Vermögen. Somit find sämmtliche kirchen-politische Vorlagen, welche den Land» tag in der letzten Session beschäftigt haben, als Gesetze publizirt.
— Berlin, 9. Juli. Da rS, namentlich in katholischen Landes, theilen, vorgekommen ist,-aß Geistliche über Geburten^ Heiralhen und Todesfälle, welche sich nach dem 1. Oktober 1874 ereignet, Atteste ausgestellt haben, so ist Veranlassung, genommen worden, darauf hinzuweisen, daß derartige Atteste auf Grund-, des Gesetzes vom 9. März 1874 aller und jeder öffentlichen Beweiskraft entbehren.
Man will im Wege der Reichsgesetzgebung Maßregeln treffen, damit Eltern und Gewalthaber ihre Kinder und Pflegbefohlenen nicht, ehe diese das 16. Lebensjahr vollendet haben, Gauklern, Seiltänzern, Idmstreitern und ähnlichen Gewerbetreibenden in die Lehre geben dürfen. DaS RrichSkanzleramt soll die Regierungen bereits davon verständigt haben.
In die Heilanstalt des berühmten Professors von Langenbeck in Berlin ist in vergangener Woche ein zehn Monate altes Kind gebracht worden, das eine eigenthümliche körperliche Mißgestaltung durch ein «igenthümlicheS Ereigniß davon getragen hat. Die Mutter deö Kindes ist die Frau eines bei Kassel wohnenden Försters. Während sie mit diesem Sprößling guter Hoffnung war, fand es deren Ehe« mann für nothwendig,. einen alten Hund, den alle im Hause lieb hatten, erschießen zu lassen. Der Förster selbst fühlte sich außer Stande, die Execution gegen sein altes, getreues Thier zu vollstrecken, und beauftragte einen Jägerburschen damit, chat seine Frau dringend, in der Stube zu bleiben und sich nicht um dir fallenden Schüsse zu kümmern. Darauf entfernte er sich aus dem Forsthause. Die Frau ging mich, dem Wunsche ihres Mannes folgend, nicht aus dem Zimmer. Aber neugierig war sie doch und trat daher an das Fenster zum Hofe, auf dem der Hund getödtet werden sollte. In dem selben Augenblicke fiel der Schuß, der nicht sofort tödtlich war. Das nur schwer verwundete Thier sprang auf, sah seine Herrin am Fenster stehen und wendete sich, wie Hilfe suchend, zu dieser in die Höhe. Die Frau fuhr erschreckt mit der Hand nach dem Gesicht und tau. melk zurück, als der zweite Schuß fiel, der dem Leben des Hundes rin Ende machte. Einige Monate später kam ein Kind zur Welt, das auf der rechten Sette des Kopses ein liebliches Mädchenantlitz zeigte; die linke Seite aber war wir ein Hundekopf mit dickem schwarzem Fell und langen Haaren überzogen. — Professor Langen- heck hat erklärt, er glaube, für eine glückliche Operation einstehen zu können; dem Kinde werde davon kaum eine entstellende Narbe Zurückbleiben. Er hoffe, ein schönes Mädchen der Welt zu erhalten.
H— Wien, 9. Juli. Ei» glückliches Wort vom Fürsten Auersperg. „WaS glauben Sie, daß werden wird" — fragte ihn ein böhmischer Landsmann czechischer Nationalität —, „nachdem der letzte gekrönte König vou Böhmen gestorben ist?" „Ich stelle mir die Sache sehr einfach vor" — erwiederte der Ministerpräsident —, „wir werden jetzt dem ersten nichtgekrönte« gehorchen."
— Der Brünn er Sinke dürfte bald sein Ende erreichen. Eine
Verständigung ist im Gang, wobei die Behörden ihr Möglichstes tl un, um dazu behilflich zu sein. Die Fabrikherren wollen eine kleine Lohnaufbesserung gewähren, die übrigens bei Einzelnen früher schon beschlossen war. Die Arbeiter haben darauf verzichtet, nur durch das Arbeiter-Comitö mit sich unterhandeln zu lassen und gehen aus separate bmachungen ein. _
Stzauie». Aus San Sebastian schreibt man der „N. Allg.. Ztg." unterm 5. Juli: Mit dem gestrigen Tage hat die Re« gierung die Brücke der Sanftmuth hinter sich abgebrochen, und dm Entfchluß gefaßt, mit Rücksichtslosigkeit gegen den Karlismus vyxzu- gehen. Der, welcher den Gewilterßurm heraufbeschworen hat, ist der durch seine Rohheit ebenso wie durch seine soldatische Befähigung bekannte karlistische General Mendiri, der vor ungefähr acht Tagen den Befehl erließ, das Eigenthum der Liberalen zu konstsziren, um diese „Bestien" mit Gewalt in die Arme des KarliSmuS zu treiben. Mendiri hat mit dem Erlaß dieses Dekrets den denkbar größten polltischen Fehler begangen; er hat aber wohl hauptsächlich auf die bisherige Schwäche der Regierung gebaut, und an eine rückwirkende Kraft seines Dekrets nicht geglaubt. Die Regierung hat, ehe sie sich zu dem letzten Schritt entschloß, kluger Weise erst die Durchführung der kailistischen Befehle abgewartet; sie brauchte dazu nicht viel Zeit, denn schon zwei Tage nach dem Erlaß des Schriftstückes fanden in Estella die ersten Auktionen von Häusern statt. Bei der immerhin noch sehr zweifelhaften Zukunft des Karlismus sollte man schwer daran glauben, daß sich Leute finden könnten, die ihr Geld in . so unsicheren Werthen anlegten; der Zudrang zu den auch jetzt täglich in der Hiesigen Provinz stattfindenden Auktionen ist aber ein ganz, enormer, und besonders die besitzlosen Baücrn suchen sich auf diese Weise Grundbesitz zu verschaffen. Die Grundstücke, welche keine Abnehmer finden, werden niedergebrannt, der Boden von der Regierung verpachtet. Durch dieses Schreckenssystem glaubte Mendiri den Karlismus mit einem Schlage zum Beherrscher Spaniens^ zu machen; er hat aber gewaltig fehlgeschossen; Alles, was sich liberal nennt, hat mit lauter Stimme und einmütbig von der Regierung eine würdige Antwort gefordert, und diese ist nicht ausgeblieben. „Auge um Auge, Zahn um Zahn", heißt eS jetztj; es ist dekretirt, daß das Privatvermögen (bestehend in baaren Gelder»,. Werthpapieren und liegenden Gründen) aller karlistisch gesinvten kan» fiszirt ödet aber jvernichtet werden solle. Besonders die Damen der höheren Aristokratie glaubten mit unglaublicher Unverschämtheit sich inmitten des Sitzes der Regierung ungestraft der Ausbreitung und umfassendsten Unterstützung des Karlismus hingeben zu dürfen; jetzt hat die Regierung aber >die friedliche und höfliche Larve abgestreift und schonungslos eine sehr umfassende Ausführung der erlassenerr Verordnungen begonnen; das Privatvermögen der in Madrid wohnenden Damen, Herzogin Union de Cuba, Gräfin Belascoain, Gräfin Bornos, der Wittwe Calderon Autunnano's, der Frau des kürzlichverstorbenen Geoeraldeputtrten der vier karlistisch-n Provinzen, wurde- konfiszirt, und bis auf die Gräfin Bornos, der wegen schwerer Krankheit noch ein sechswöiger Aufenthalt in ihrem Palast gestattet ist, sämmtlichen Damen Befehl gegeben, binnen 48 Stunden auf der Linie Zaragoza-Canfrone den Boden Spaniens zu verlassen.. Die konfiszirten Baarvorräthe, die meistens in der Bank von Spanien angelegt sind, belaufen sich auf Millionen, und die Preise, welche man bei der Auktion der verschiedenen Paläste erzielen wird, dürften auch nicht unbedeutend sein. Außerdem wurden von demselben Geschick noch sieben sehr eifrige Anhänger des Prätendenten betroffen. Die Provinzialbehörden haben die schärfste Weisung erhalten, ebenso vorzuzehen und keinerlei Rücksichten zu nehmen. Den beim> General Blanco eingetroffenen Befehlen zufolge haben die Vorposten gestern Abend bereits einen Theil der in den Außenstellungen liegenden und Karlisten gehörenden Villen niedergebrannt; auch bei den Karlisten leuchteten viele Feuer. Man wird jetzt hauptsächlich da» Prinzip befolgen, den Bauernstand durch Niederstechen seines VieheS zu vernichten, und auf dem zwischen den beiderseitigen Vorposten an Jaizquibel Höhen nach Jrun zu liegenden Terrain hat man damit heute Morgen den Anfang gemacht. (DaS heißt auch Krieg führen!)
England. London» 12. Juli. Die „Times" bespricht die neue russische Expedition nach Hifsär und bemerkt dazu, es sei zwar sicher eine Englands würdige Politik, die Fortschritte Rußlands in Centralasien als unvermeiolich zu betrachten, andererseits sei es die Aufgabe Englands, das Eisenbahnsystem in den Distrikten im Nordwesten von Ostindien zu vervollständigen, die Grenze zu befestigen und die Beziehungen zu Afghanistan zu verbessern. Aeyßersten Falls müsse man dem weiteren Vordringen Rußlands mit allen Mitteln entgegentreten.
— Der Kronprinz von Italien ist heute hier eingetroffen.
Vergangenen Samstag wurde auf der Themse ein Schwimmkunststück ausgesührt, das alle berühmten Schwimmer, von Leander bis Capilän Voyion in den Schatten stellt. Capitän Webb, ein junger Mann von 27 Jahren schwamm — natürlich bei eintretender Ebbe
— von Blackwall nach Gravesend, 20 englische Meilen weit (5 engl.
— 1 deutsche) in etwas weniger als 5 Stunden» ohne einen anderen Schwimmaazug als den, welchen die gütige Natur ihm mitgegeben. Heftiger Regen ergoß sich über den Schwimmenden.
Redigirt. gedruckt und verlegt von A. OeljchlLger.