7 — Konstanz, 7. Juli. Gestern Nacht halb 10 Uhr traf die Kaiserin Engenie hier ein und versüßte sich sofort nach Arenenberg. Auch der Prinz Napoleon wird in einiger Zeit hieherkommrn. — 9. Juli. Dem Vernehmen nach wird die Kaiserin Engenie sich vorerst nur kurze Zeit auf Arenenberg aufhalten, sich vielmehr in Bälde nach Haben im Aargau begeben und dann erst zu einem längeren Aufenthalt nach Arenenberg zurückkehren, wo verschiedene neue Einrichtungen getroffen werden.
— München, 8 . Juli. Wie die „Eorresp. Hofmann* aus
sicherer Quelle erfährt, wird der, deutsche Kronprinz als Generalin- spektor der vierten deutschen Armee in diesem Jahre die Inspektion deS 1. baierischen Armeekorps vornehmen. — Prinz Wilhelm von Württemberg, welcher den Begräbnißfeierlichkeiten des Kaisers Ferdi« nand von Oesterreich in Wien beigewohnt hatte, ist gestern Abends von dort hier angekommen und heute Morgens in die Schweiz weitergereist. (Allg. Ztg.)
— München» 3. Juli. In dem Vorstellungs-Schreiben mehrerer Geistlichen an den Erzbischof von Münchrn-Freising gegen die Publikation der Wahlbeeinfluffung von der Kanzel herab, heißt es u. A.: „Durch diesen bei dem öffentlichen Gottesdienste anbefohlcnen politischen Akt wird nach unserem Ermessen die hl. Stätte entweiht, die Kirche zu einem Wahllokale, die Kanzel zur Rednerbühne, das Evangelium zur Politik, die Priester zum Agitator erniedriget. Von der Stätte deS Friedens wird Haß und Unfriede gesäet zwischen Pfarrer und Gemeinde, zwischen Priester und Volk, dem Sohne und dem Vater, dem Manne und der Frau, zwischen Nachbar und seinem andersgesinnten Nachbar. Sind wir an diesem Tage Gesandte Gpttes an Christi Statt? Kann uns das Volk für Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes halten? Wir gedenken an diesem Tage, an welchem unser Oberhirte uns in den Wahlkampf treibt, des treffenden -Evangeliums, welche Antwort haben wir einst zu geben, wann der wahre Oberhirte uns zuruft: „Gib Rechenschaft von Deiner Verwaltung.* Aus der Milte eines katholisch-gläubigen Pfarrklerus heraus wird hier dem Ordinariat der begangene grobe kirchenpolitische Fehler dargelegt. Die Warnung hat nichts gefruchtet und die Kanzel wird am 11. d. M. durch politische Agitation ent- weiht werden. Der erste Kirchenfürst Baierns har seine Kirche nach Maßgabe seines Einflusses in den Culturkampf hineingestürzt, er hat den Culturkampf nach Baiern verpflanzt.
— Die baierischen Bischöfe rücken Einer nach dem Andern in die Schlachtreihen der ultramontanen Wahlkämpser ein. Der Bischof von Speyer hat nach dem Beispiele des Münchener Oberhirten einen Wahlhirtenbrief erlassen, dem wir nach der „Franks. Ztg." folgende Sätze entnehmen: Die Landtage find entweder das Werkzeug zur Bekämpfung und Zerstörung der Kirche und der christlichen Religion oder eine Schutzwehr gegen die unheilvollen Bestrebungen des Unglaubens. Ist das Christenthum der Grundstein in dem glücklichen Bestände unseres Vaterlandes, so ist es die Aufgabe des wahren Patriotismus, den Entwürfen des Unglaubens Widerstand zu leisten- Jene Rathgeber der Völker. welche einen Staat ohne Religion bauen, oder nur eine Religion dulden wollen, welche dem Staat ganz unterworfen ist, müssen nothwendig auf die llnrcrd ückung der katholischen Kirche ausgehen. Der Vertilgungspla,. ist bereits entworfen, feine Ausführung hat im Norden und Süden begann n. Kein größeres Unglück könnte Baiern treffen, als wenn es ebenfalls in einen Schauplatz d>s Kampfes gegen die katholische Kirche verwandelt wir, de und wenn die Beschlüsse des Landtages die Waffen zu ihrer Verwüstung leiben müßten. Daher ist es eine heilige Pflicht aller Katholiken, ja Aller, welche am Ebristenthum festhalten wollen, durch gute Wahlen einen Damm gegen unheilvolle Gesetze und Maßregeln der Kirchenverfvlgung zu bilden.
— Münster, 8 - Juii. Der „Westphälische Merkur" meldet, daß der Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten beschlossen habe, gegen den Bischof Brinkmann von Münster das Ve fahren auf Amtsentsetzung einzuleiten. Der Termin zur verantworrlichcn Vernehmung sei ans den 10. Juli anberaumt.
— Die Oesterreichcr sind über einen Unfall, welcher den deutschen Kronprinzen in ihrem Lande betroffen, sehr verstimmt; es fällt ihnen die in Trümmer gehende Postkutsche ein, welche den Kaiflr Wiih lm vor Jahren nach Gastein dringen sollte. Der Kronprinz war am 7. Juli Abends 7 Uhr auf der Elisabeth Westbahn von Wien atge fahren und zwar nicht mit einem Extrazuge, sondern mit dem Curierzuge; als der Zug Abends 10 Uhr auf der Station Haag einfuhr, stieß er mit dem auf demselben Geleise stehenden und kurz vorher angekommenen Gülerzug zusammen. Der Wärter hatte die Weiche falsch gestellt und der Stationsvorstand es trotz nachdrücklicher Einschärfung unterlassen, die Stellung des Wechsels zu prüfen. Als der Lokomotivführer des Curierzuges den Güterzug erkannte, bremste er zwar furchtbar, konnte aber den Zusammenstoß nickt mehr verhin- dern, nur die Wucht desselben war gebrochen Kein Waaen ging in Trümmer; der Leibjäger des Prinzen und eine russische Generalin wurden durch herabfallende Gepäckstücke leicht verletzt; d.r Kronprinz verließ sofort den Wagea, erkundigte sich, ob ein Unglück geschehen
und setzte seine Reise fort , sobald dse Wagen wieder in Ordnung waren. — Das österreichische Publikum hat schon lange über die- Unregelmäßigkeiten auf dieser Bahn geklagt.
— Wien, 8 . Juli. Kaiser Franz Joseph wurde noch, im Laufe,, der vergangenen Nacht »on dem Eisenbahn-Unfall- benachrichtigt, den- der von dem Kronprinzen de« deutschen Reichs benutzte Zug erlitten, hatte. Der Kaffer sendete sofort auf telegraphischem Wege dery Ausdruck des wärmsten Bedauerns an den Kronprinzen mit demc herzlichsten Glückwunsch über seine Rettung aus Lebensgefahr. Nach MittheUung der Direktion der Weftbahn trifft die Schuld des Unfalls? den Wächter und den dienstthuenden Beamten, der nach einer erst, jüngst wieder eingeschärften Vorschrift vor dem Einfahren des Personenzuges die Weichenstellung überwachen sollte. Der Handels««-, nister hat den General-Direktor der Westbahn zu sich berufen und- die strengste Untersuchung und Ahndung angeordnet.
- Wien, 8 . Juli. Das „Neue Fremdcnblatt" meldet: Krön«, Prinz Rudolph ist in Fplge einer Erkältung seit gestern leicht an den Blattem erkrankt. Der Zustand des Kronprinzen ist nach dem Aus» spruch der Aerzte durchaus ungefährlich. Der Kronprinz dürste schon in wenigen Tagen gesund sein.
Schweiz. Genf, 8 . Juli. In der letzten Nacht wüthkte em furchtbarer Orkan über den ganzen Kanton Genf und Savoyen. Die Feld- Md Gartenfrüchte sind durch den Hagel, von welchem das Unwetter begleitet war, überall zerstört. In der Stadt sind' über 10,000 Fensterscheiben zertrümmert. In Brrnet warf der Sturmwind ein Haus um, wobei 3 Personen erschlagen wurden.
Frankreich. Paris, 8 . Juli. In der Normandie haben ebenfalls Überschwemmungen stattgefunden. Lisieux und die umliegenden Ortschaften wurden vergangene Nacht überschwemmt. Viele Häuser wurden zerstört und die Brücken sortgeschwemmt. Der Eisenbahnverkehr ist unterbrochen. 7 Personen sind ertrunken. In den niedrigeren Stadttheilen von Lisieux stieg das Wasser 250 Centi- meter. Gegenwärtig ist das Wasser im Sinken.
Spanien. Madrid, 8 . Juli. Nach Berichten, welche der Regierung zugegangen 'sind» wurden bei der Einnahme von Canta« vieja ca. 2000 Gefangene gemacht und eine große Menge Waffen,, Munition und sonstige Kriegsvorräthc erbeutet. Vor dem Beginn des Bombardements war den Frauen, Kindern und Greisen gestattet worden, den Ort zu verlassen. General Jovellar ist Nachts 3 Uhr gegen den Ebro aufgebrochen, um Dorregarah anzugreifen. Der
Angriff der Carlisten auf Junqucra ist von der Besatzung sehr energisch zurückgewiesen worden. Guerada schlug die Carlistcu bei Nanclaves, nahm ihre Positionen ein und stellte die Verbindung mit Viktoria her. — Die spanische Regierung bereitet eine Note vor,, durch welche die Handelsverträge aufgehoben werden, um 1876 deren Revision zu erzielen.
Rußland. Moskau, 9. Juli. Der König von Schweden ist Abenvs 8 l/z Uhr eingetroffen, und wurde in herzlichster Weise empfangen.
Eine interessante statistische Zusammenstellung über die Armeen Europas bringt der „Globe". Sieben von den 15 Staaten Europa'- haben die allgemeine Wehrpflicht eiugeführt: Deutschland, Rußland, Oesterreich, Frankreich, Italien, Dänemark und die Schweiz. Durch Conscription und freiwilligen Dienst rekrutiren sich die Heere Spaniens, der Türkei, Schwedens und Norwegens, Hollands, Belgiens, Portugals und Griechenlands. Nur England allein kann durch seine Lage geschützt mit der Anwerbung sich begnügen. Was Schnelligkeit der Mobilisation, Felddienst u. s. w. anbetrifft, rangiren Deutschland, Oesterreich, Rußland und Frankreich in erster, Italien und England in zweiter und die übrigen 9 europäischen Staaten in dritter Reihe. In runden Zahlen und auf dem Papier stellt Europa eine bewaffnete Macht von 7>/2 Millionen Männern resp. 5 Millionen Soldaten nebst 15,000 Kanonen und I V 4 iMill. Pferde in's Feld. Auf der See besitzt England die erste Macht; ihm reihen sich an: Frankreich,. Rußland, die Türkei, Oesterreich, Deutschland, Italien, Spanien, Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen und endlich Portugal. Lämmtliche Seemächte verfügen über 2,039 Schiffe (darunter 209 Panzerschiffe), die 15,000 Kanonen und 280,OM Mann an Bord führen. Außerdem sind 110 Kriegsschiffe aus den verschiedenen. Werften im Bau begriffen. Für Heer und Marine hat Europa die colossale Summe von etwa 750 Millionen Thalern auszugeben. In der Türkei und Griechenland kostet der Soldat am wenigste«, nämlich 200 Thlr. (750 Frcs.) pro Jahr; in England am meisten, nämlich 666 Thlr. (2,500 Frcs.), Deutschland liefert durch die allgemeine Dienstpflicht das kostbarste Material an Menschen, aber hat nur geringe Kosten, indem der Mann 227 Thlr. in Erhaltung erfordert. _
Redigirt. gedruckt veeiegt von A. Oelschläger.