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— Stuttgart, 4. Juni. Dir Kammrr der Abgeordneten rrledigte heute die Berathung über das Gesetz, betreffend die Beschaffung weiterer Geldmittel für den Eisenbahnbau im Jahr 1875/76.
— Aus dem Kanals bei Berg wurde am Freitag Nachmittag
4 Uhr dir 55 Jahre alte ledige Anna Maria Hofmeister von Kup-
pmgen todt herausgezogen. Es ist noch nicht ermittelt, ob hier ein Selbstmord oder ein Unglücksfall vorliegt. (N.T.)
— Baihingen, 4. Jirkr. Am 2. d. Mts. Abends 7 Uhr brach in dem Stalle des LammwirthShauses in Großsachsenheim ein Brand aus, drr im Entstehen gelöscht wurde und geringen Schaden an Vor- riithen und am Gebäude verursachte. Da» im Stall befindliche Rind konnte noch lebend, aber mit verbrannter Haut gerettet und mußte alsbald geschlachtet werdm. Während man mit dem Ausräumen des hinter der Stollthüre ausgehäuften Strohs beschäftigt war, hörte man das -Stöhnm eines Kindes und fand zum Entsetzen das Kind des Beschädigten — einen 4>/z Jahre alten Knaben — in einer Ecke halbliegend jäm- merlich auf dem Rücken und an den Füßen verbrannt. Trotz sofortiger Hilfe zweier gerade gegenwärtiger Aerzte erlag das Kind gestern früh
5 Uhr den erhaltenen Brandwunden. Ohne Zweifel wollte das Kind, das. kurze Zeit vor Ausbruch des Brandes im WirthschaftSzimmer gewesen sein soll, ein keines Feuer machen, flüchtete sich aus Furcht jn dir Ecke, wurde durch den Ranch besinnungslos und fand den Ausweg nicht mehr. Eine wiederholte Warnung für Eltern, ein erneuter und berechtigter Wunsch zu Einführung der sog. schwedischen Zündhölzer, die sicher manchem Unglücksfall Vorbeugen würden. (St A.)
— Urach, 3. Juni. Wegen eines in der Nacht vom 29. auf den 30. v. M. in der früher Lindenmeier'schen Bandfabrik in Me- ziugcn ausgebrochenen Brandes wnrde der Besitzer Lindenmeier, der E Fabrik, wie man hört, ohne den Waarenvorrath kürzlich verkauft hat, gestern verhaftet und zum K. Oberamtsgericht hier eingeliefert. Durch den ganzen Arbeitssaal waren in Erdöl getauchte Bänder gezogen und zwei hölzerne Pfeiler in Erdöl getränkt.
— Ulm, 3. Juni. Die Zufuhren zu dem herannahenden Voll- markte, welcher am 17., 18. und 19. Juni stattfinden wird, mehren sich täglich in erfreulichster Weise. Schon sind zwei von den vier geräumigen Hallen gefüllt, und wird die dritte zur Aufnahme der noch ausstehenden Maaren zugerichtet. Wie die bereits aufgeschichteten .Dorräthe zeigen, ist Heuer die Wäsche eine sehr schöne, was sich auch
bei der ausgezeichneten KrühlingSwitterung nicht anders erwarten läßt.
— Am verwichenen Freitag erregte auf dem Eiermarkt in Augsburg eine Bauersfrau die Aufmerksamkeit der schönen Käuferinnen» weil sie ihre Eier billiger feilbvt, als alle andern Verkäufer, nämlich drei Eier um vier Kreuzer. Dieser Preis lockte auch einen Herrn herbei, der sofort den kategorischen Imperativ anstimmte, und das große Wort gelaffen aussprach: „Machen Sir den Korb zu, Ihre Eier find verkauft." „Na", erwiederte entschieden die Bauersfrau, „die Oar sinh no net verkauft, und der Korb wird net zuegmacht. Es seids a Händler, und für die bin i net aus'n Markt kimme, i bin do für die andere Leut!" „Bravo!" rief das Publikum; der Herr aber gab sich nicht zufrieden, sondern holte einen Marktdiener herbei. Als dieser den Sachverhalt ergründet hatte, that er den Salomonischen Ausspruch, daß es der Bauersfrau sreistehe. ihre Eier zu verkaufen, wie und an sie wolle, en xros oder en cketail. Der Händler mußte nach diesem Urkheil abzirden, und daS Publikum rief dem Spruch und der reso> luten Bauersfrau Bravo zu. So verlief dieser Eier-Auflauf zur allgemeinen Zufriedenheit im Sande, und dem Händler tönte es nach: Ja, Kuchen!
— München. 2. Juni. Ein von den Ministern des Kultus und des Innern unlerzeichneteS M inisterialreskript verbietet für das gekämmte Königreich die Abhaltung von Jubiläumsprozessionen, indem die Nichteinholung des klseetum reßium als Grund der Maßregel angeführt wird.
— Die Stadl Lahrm Baden war jüngst so glücklich, Erbe des kürzlich verstorbenen Millionärs Jau.m zu werden. Sie hat nun, nachdem sie gehört» daß Fürst Bismarck um seiner Gesundheit willen einen schönen Landsitz in Süddeu.schland suche, ihm den zu ihrer Erbschaft gehörigen Park mit Landhaus zu lebenslänglicher Benutzung zur Verfügung gestellt
— Vor einigen Tagen wurde wiederholt die Beraubung eines Güterwaggons auf drr Main Neckar Bahn versucht. Zwei Bursche aus Niederrad halten sich auf den Zug geschmuggelt und wollten während der Fahrt einen Wagen plündern. Ein Bremser bemerkte dieselben und gab das Noth-Sigual mit seiner pfeife, damit der Zug zum Hollen kommen sollte. Die Bursche, ebenfalls mit Pfeifen versehen, gaben Eontre-Signale, und erst auf Wiederholung der Signale des Bremsers stellte der Führer de» Zug. Die Burschen entflohen nun in den Wald, wurden jedoch ermittelt und sollen sich bereits in Haft befinden.
, — Dresden, 4. Juni. Glaubwürdig wird versickert, daß die päpstliche Kurie den von der sächsischen Regierung vorge chlagenen, der
gemäßigten Richtung angehörenden Präses Bernrrt zum apostolischen Vikar für Sachsen nunmehr ernannt hat.
Der Fürst von Lippe hatzur Einweihung des Hermanndrnk- malS sämmtliche regierende deutsche Fürsten und die Bürgermeister der Hansestädte zu Gaste geladen. Die Göttinger Studenten haben sich sämmtlich angemeldet.
Am Ende kommt doch noch ein Hohenzoller auf den sp a ui schien Thron. Gerüchte wollen wissen, daß der junge König von Spanien um eine katholische Prinzessin des deutschen Kaiserhauses werbe. Dg- könnte nur eine Hohenzollernsche Prinzessin sein.
- Berlin, 2. Juni. Der Kaiser hat dem König von Schweden die Kxttk zum Stern der Großkomthure des königlichen Hausvrden« von Hohenzollern verliehen. Jn Erwiederung dieser seltenen Verleihung hat der Kaiser vom Könige Oskar eine Medaille erhalten, welche in dieser Form in Schweden und Norwegen allein der König trögt. Der „Post" zufolge hätte der König bei Ueberreichung der Medaille bemerkt, daß gleiche Auszeichnung während seiner Regicrungszeit weder verliehen worden sei, noch wahrscheinlich verliehen werden würde. Der Kaiser hat ferner dem Könige von Schweden zur Erinnerung an den Aufenthalt in Berlin und Potsdam eine prächtige Vase aus der hiesigen königlichen Porzellanmanufaktur mit den Ansichten des königlichen Schlosses in Berlin und der Burg Hohenzollern zum Geschenk gemacht.
— Am Dienstag Nachmittag wurde dem König von Schweden zu Ehren ein großes Feuerwehrmanöver veranstaltet. Drr Brand wurde im dritten Stockwerke des UebungShauses der Feuerwehr supponirt. König Oökar folgte jeder einzelnen Uebung mit gesparmter Aufmerksamkeit und ließ sich die verschiedenen Vorrichtungen erläutern. Darauf besichtigte König Oskar, Legiertet vom Kaiser und dem Kronprinzen, das Zeughaus, und begab sich von dort allein zum Reichskanzler Fürsten Bismarck, woselbst Se. Majestät nahezu 1'/, Stunden verweilte.
— Bei der Besprechung des Besuchs des schwedischen KönigSpaareS hebt die „Prvvinz.>Corrcsp." hervor, der König habe bei der Vorstellung der Staatsminifter besonders Gelegenheit genommen, -seine ernste Theilnahme und Zustimmung auszusprechrn, welche er als eifriger Protestant allen Schritten der Regierung auf dem kirchenpolitische» Gebiete widme.
Belgien. Brüssel, 3. Juni. Jn dem Kirchspiel St. Nikolaus wurde eine größere Anzahl von Verhaftungen vorgenommen in Folge eines zwischen Landleuten und brüsseler Einwohnern gelegentlich einer Prozession entstandenen Streites. „Etoste Beige" verlangt Angesichts der im Lande herrschenden Aufregung, daß die Bischöfe Len niederen Klerus zum Frieden und zur Eintracht ermahnen, und fordert dieNothvlischrn Minister aus, in diesem Sinne auf die Bischöfe einzuwirken.
Frankreich. In allen Kirchevspielen von Paris ist das Fronleichnamsfest mit ungewöhnlichem Glanz: begangen worden. Obgleich die Processionen außerhalb der Kirche gesetzlich abgeschafft sind, so haben sie doch d ießmal stattgefunden und die Militärmusiker der Garnison waren der Geistlichkeit zur Verfügung gestellt? Der glänzendste und lärmendste dieser Umzüge fand in dem Kirchspiel St. Thomas d'Aquia statt.
Schweiz. Basel, I.Juni. Die „Baseler Nachrichten" theilen einen Gesetzentwurf der Berner Regierung, berreffend die Störung des religiösen Friedens mit. Der Entwurf untersagt die Vornahme von kirchlichen Ceremonien außerhalb der Kirchen, ausgenommen Begräbnisse» und bedroht die Anregung zum Haß gegen andere Konfessionen mit einer Strafe bis zu 1000 Francs, eventuell bis zu einem Jahre Gefängniß. Geistliche, welche bei Anlaß eines Gottesdienstes Einrichtungen des Staats in einer den Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstände von Erörterungen machen, sollen ebenfalls mit einer Geldstrafe bis zu 1000 Frcs., eventuell mit einer Gefängnißstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Die Vornahme bischöflicher Juris- diktionSakte von staatlich nicht anerkannten kirchlichen Oberen, ist nur mit Bewilligung der Regierung gestattet. Auf Zuwiderhandlungcnl ist eine Strafe bis zu 2000 FrcS., eventuell bis zu 2 Jahren Gefängniß gesetzt. Versammlungen von Religionsgesellschaften, welche die öffentliche Ordnung stören, sollen nicht geduldet und die Theilnahme an denselben durch das Gericht geahndet werden.
England. Der große Strike in Neusüdwales ist nach 4mo- natlicher Dauer endlich .beigelegt. Er endigte mit einem lieberem- kommen, wornach die Lohnherabsetzung, welche die Grubenbesitzer Anfangs auf 15 pEt. bestimmt halten, mit 121/z pCt. zunächst auf 3 Monate beiderseits angenommen worden ist. Die neuen Lohnsätze grlten auch für diejenigen Arbeiter, die seit Aufhebung der Sperre der Herabsetzung um 15 pCt. sich fügten. Am Strike nahmen mehr als 100,000 Arbeiter Theil und gingen dabei nach mäßigen Berechnungen etwa 3 Millionen Pfd. Steil, (etwa 36 Millionen Gulden) an Löhner» verloren. Mit Eröffnung der Kohlengruben werden auch die zur Unthätigkeit verurtheilten Eisenwerke wieder in Thätigkeit treten,
Asien. In Konstantinopel eingegangene Nachrichten über ein in den letzten Tagen in Kleinasien stattgehabtes Erdbeben bestätigen, daß durch dasselbe mehrere Dörfer vollständig zerstört nrden, und mehr als 2000 Menschen umge kommen sind.
gedrnst und v« egt vvn A. OeNchräger.