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Stuttgart, 3. Mai. (12. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) Tagesordnung: Bericht der Finanzkommission über den Haupts,üanzetat sür 1875/76. I. Staatsbedars: 6) Pensionen, 7) Quiescenzgehalte, 8) Gratialien, 13) Departement des Kirchen- und Schulwesens. In Folge der Erhöhung der Pensionen der Ministern uud übrigen GeheimcrathSmitgliedcr entsteh, eine lebhafte staatsrechtliche Debatte. Es soll sich nämlich eine Pension auf nicht mehr als 3000 fl. (bezw. 1000 fl.) belaufen. Durch Uebcrtragung der bei den Pensionen festgesetzten Umrechnung resp. Erhöhung in die Markrechnung zum Satz von 1 fl. 2 Mark würde bei 6000 Mark 350 fl. die bisherige gesetzliche Grenze um 500 fl. weiter vorgerückt werden. ES fragt sich nun, ob die Erhöhung der Mimstcrpcnsion von 3000 fl' (bezw. 4000 fl.) aus 6000 Mark (bezw. 8000 Mk.) eine Verfassungsänderung in sich schließ!. DerFi- rianzmmistcr stellt dieß laut Kommisfionsbericht in Abrede, die Kommission hält aber eine besondere staatsrechtliche Begutachtung des Gegenstandes für geboten. An der Diskussion betheiligen sich außer dem Berichterstatter: Schmid, Probst, v. Ow, Oestcrlcn, Fetzer, Hofer, v. Lobenstein. Der Antrag der Kom­mission, diese Frage an die staatsrechtliche Kommission zu verweisen, wird an­genommen, ebenso der weitere Antrag, 8- 9 des Berichts, die Aufbesserung der Pensionen betreffend, vorerst nicht zu derathen. Für Quiescenzgehalte wird die Summe von 28.240 Mk. genehmigt. Lenz hält es für zw ckmäßig, die Sitzung zu sistiren und den Etat des Kirchen- und Schulwesens oas nächste­mal vorzunehmen, auf welchen Vorschlag auch eingegangen wird.

Stuttgart, 4 Mai. (13. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.)

Die heutige Sitzung ist die interessanteste und wichtigste aller bisherigen, indem in ihr die katholisch-kirchlichen Angelegenheiten eingehend zur Sprache kamen, v. Kolb berichtete nämlich über den Etat des Kulte eparlcments, wofür im Ganzen, exigirt find: 4.317,806 fl. 34 kr. oder 7,401,954 M. 10 Pf. Bei 8 11 des FlnanzkommlssionsbcrichtS, Besoldungen der Kirchendiener katholischer Kon­fession 532,592 fl. 33 kr. oder 912,816 M. 19 Pf. ergriff das Wort Frhr. v. Gemmingen: Der konfessionelle Friede sei bis jetzt in Württemberg durch das einmüthige Zusammenwirken von Regierung und Bischof gewahrt worden, neuerdings aber scheine er durch das Hervordrängeu extremer Elemente bedroht; es zeigen sich dunkle Punkte am Horizont, welche ihn zu stören drohen und die er hier zur Sprache bringen uud dem Hrn. Minister einige Fragen darüber vorlegen wolle: es sei dreß erstlich die Ernennung des Stadtpfarrers Schwarz zum päpstlichen Hausprälaten, nachdem ihm kurz zuvor der Herr Bischof die Bestätigung der Wahl zum Dekan versagen zu müssen glaubte. Diese Er­nennung scheine nun gegen den Herrn Bischof gerichtet und ermuthige die extremen Elemente zu weiterem Borgehen. Ec frage daher den Herrn Minister, ob Schwarz diesen Titel in Württemberg führen dürfe? Sodann sei zweitens die Papstadresse Landauf Landab colportirt und Unterschriften für sie gesammelt worden, selbst auf amtlichem Wege, obschon der Herr Bischof sie zurückgewiesen, weil die Regierung darin in ungerechter Weise angegriffen sei. Er frage da­her, ob die Regierung nichts dagegen thun und dieses Treiben untersagen könne? Dann sei ein neues ReligionShandbuch in den Volksschulen einge­führt worden, welches das Unfehlbarkeitsdogma lehre und zwar mit stillschwei­gender Billigung der Regierung. Er frage daher, ob dieses Dogma gelehrt und in seinen Konsequenzen dürchgeführt werden dürfe. Endlich suche sich, wie aus öffentlichen Blättern aus Anlaß der Gcmeinderaihsverhandlungcn von Stuttgart bekannt geworden, der Orden der Schulschwestern immer weiter auszubreiten im Lande und habe sogar in Stuttgart ein Mädchen-Erziehungs­und Unterrichts-Institut errichten wollen. Das Gesuch sei zwar zurückgezogen worden, aber man wisse, daß die Kongregation der Schulschwestern, obgleich im Lande nicht eigentlich konzessionirt doch schon 48 Stationen inne habe. Es sei nun bekannt, daß die Lehrtätigkeit von OrdenSmitglicdern, die unter aus­wärtigen Oberen stehen, nicht der Erhaltung des konfessionellen Friedens dien­lich sei. Er frage daher den Herrn Minister in Betreff dieses Ordens, der sogar aus Ehingen entfernt worden, was er zu thun gedenke? Er habe sich bemüht, durchaus nur objektiv sich zu halten, aber cs handle sich um die Erhaltung des religiösen Friedens, die er allein im Auge habe und da müssen von anderer Seite alle aggressiven Mißtrauen erweckenden Schritte vermieden werden, wenn ein wahrer Friede erhallen bleiben solle. (Mehrseitiger Beifall.) Minister v. Geßler: Auch ihm sei an der Wahrung des religiösen Friedens im Lande Alles gelegen uno er habe daher von jeher in dieser Hinsicht Allem ausgeboten, was ihn fördern könne, was bisher gelungen sei und wie er hoffe, auch ferner gelingen werde. Auf die einzelnen Punkte des Herrn Vorredners habe er Folgendes zu erwiedern: Was Stadtpsarrer Schwarz betreffe, so fei unterm 1. ds. demselben die Annahme des ihm verliehenen Titels unter­sagt worden. Die Papst-Adresse sei der Regierung ihrem Inhalte nach be­kannt, der Inhalt sei abgeändert und der gegen die Regierung gerichtete Satz daraus weggelassen worden Die Regierung habe keinen Anlaß zum Einschrei­ten, gehabt, was selbst von der preußischen Regierung zugestanden weide. Jede amtliche Mitwirkung zum Kolportiren sei den Geistlichen vom Bischof untersagt worden. Ein neues katholisches Religionslehrbuch sei nicht in den Volksschulen, wohl aber in einigen Gymnasien eingeführt worden. Dasselbe sei nicht extrem; er habe davon Einsicht genommen; es sei voll unklarer Be­griffsbestimmung; aber den Geboten des Staates werde darin nicht zu nahe getreten. Uebrigen« habe er einen Bericht darüber eingefordert. Die Schul­schwestern seien nicht von ihm zuerst im Lande zugelasscn worden, sondern bei seinem Amsantritt schon im Lande gewesen. Er habe sich Gutachten über sie verlegen lassen,. gegen ihre Wirksamkeit aber nichts Anstößiges vernommen Die Regierung werde aber der Frage die volle Aufmerksamkeit zuwenden. Vorläufig dürfen die Schulschwestern nicht in neue Orte ausgenommen und keine neuen Schulschwestern eintreten. Uebrigens werde die Entscheidung wohl vom Reiche ausgehcn. Nachdem er nun die Fragen des Herrn Vorredners beant­wortet, wolle er selbst noch auf einige weitere da und dort schon berührte Punkte entgehen. Man habe von Anstellung .gesperrter Priester" gesprochen. Solche befinden sich in der Diözese nicht; von der preußischen Regierung sei keiner von den fremden Priestern beanstandet worden. Provisorische Anstel­lungen, die allerdings ohne die Regierung gemacht werden können, dürfen nicht über ein Jahr dauern. Endlich sei vom Martinihaus in Rotten­burg, als einem Knaben-Seminar, die Rede gewesen, das sei es aber nicht, denn die Kinder werden an der öffentlichen Lateinschule unterrichtet. Einen Staatsbeitrag habe es bis jetzt nicht bezogen und sei auch nicht un:er seiner AmtSsührung die Genehmigung dazu ertheilt worden. Nach alledem scheine ihm nichts vorzuliegen, was den religiösen Frieden gefährden könne, den zu wahren die Regierung stets bemüht sei. Frhr. v. Gemmi ng en dankt nun für die erhaltene Auskunft. ^ ^ (Schluß folgt.) ^

, ->> Rediqirt, gedruckt und verlegt >

Aus Hechingen wird gemeldet, daß das Festcomits für das fünfte deutsche Bundesschießen in Stuttgart beschlossen habe, daß Sonn­tag, 8. August, ein Festausflug der deutschen Schützen nach der Burg Hohenzollern stattfindeu solle. Die Burg sei für diesen Tag von dem Kaiser dem Comilv zur Verfügung gestellt, und habe der Kaiser auch angeordnet, daß dieselbe zur Begrüßung festlich beflaggt werden solle.

Künzelsau, 3. Mai. Ein großes Unglück hat heute eine hiesige hochgeachtete Familie betroffen, indem deren einziges Kind, ein Knabe von 10 Jahren, vom Glockengebälke des Kirchthurms auf den Läutboden herabstürztc und sich die Hirnschale derart zersplitterte, daß der Tod ihn nach wenigen Stunden von seinen Leiden erlöste.

München, 4. Mai. Mit dem heute Vormittags von hier abgegangenen Schnellzug nach Italien sind in 4 Wagen ca. 150 Katho­liken. größtentheils Deputirte aus ganz Deutschland , besonders auS Westfalen, nach Rom abgereist, um dem Papste persönlich die verschie­denen Adressen zu überreichen, welche in letzterer Zeit in fast allen größeren katholischen Städten Deutschlands auflagen.

In Würzburg starb dieser Tage ein 37jähriger Mann, der so dick war, daß man den Sarg nicht in den Leichenwagen brachte, sondern eigens nach dem Friedhof transportiren mutzte. Bei dem Begräbnisse konnte der Sarg seiner Schwere wegen der Versterbe ne wog bei Lebzeiten 3 Ctr. 86 Pfd.

nicht getragen werden und so erfolgte die Einsegnung gleich am Grabe.

Nach einem Prager Telegramm desDresdener Journals" hat in der Angelegenheit, betreffend die Verlassenschaft des Kurfürsten von Hessen das kaiserliche Oberhosmarschallamt entschieden, daß die Silberkamnier im Werlhe von 3 Millionen an Preußen als einzig erbberechtigt auszuliefern sei, weil dieselbe zum Fideikommiß gehöre.

Berlin, 4. Mai. Der russische Kaiser trifft am 11. oder 12. Juni zu einem zwölftägigen Aufenthalt in Jugenheim ein. Von der russischen Kaiserin verlautet noch nichts.

Ueber die deutschen Eisenbahnen streckt das Reich seine Hand aus, nicht um sie an sich zu reißen, sondern um sie zu beaufsichtigen. Und diese Beaufsichtigung wird nach dem Entwürfe eines Reichseisenbahn» gesetzes eine ziemlich umfassende und strenge sein, die manche Willkür und Herrschsucht brechen wird. §. 40 gibt dem Reichseisenbahn Amt die Befugniß, die einzelnen Eisenbahn-Verwaltungen zur Rechenschaft zu ziehen, die Vorlegung von Geschäftsbüchern und Akten zu verlangen, an Ort und Stelle durch Kommissare Ermittelungen anzustellcn, Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, Revision.» betreffs des bau­lichen Zustandes und der Ausrüstungen wie der Betriebseinrichtungen vorzunehmen u. s. w-, in besonder en Fällen kann ungehorsamen Bahn- Verwallungen sogar die Koncession entzogen werden. Die Regelung der Preise und Fahrpläne wird vollständig dem NeichseisenbahN'Amte übertragen.

Berlin, 2. Mai In der letzten Woche haben an der hiesigen Börse wieder bedeutende Goldankäufe, namentlich sür belgische Rechnung, stattgesunden. Für 20-Markstücke wurde en, Aufgeld von 4 pro Mille bezahlt. Da 'Napoleons von 16.34 auf 16.38 gestiegen, russische Imperiales dagegen unverändert geblieben sind, läßt sich erkennen, daß Frankreich einen fortdauernden Goldbebarf hat. Man glaubt daher, daß der Export nach Belgien sür französische Rechnung geschieht, wie es auch bei der großen Goldspeculation vor etwa 2 Jahren der Fall war.

Thor», 27. April. Das Schwurgericht hat heute den 36 Jahre alten Pfarrer Tetzlaff in Kaßczorek schuldig erkannt, seine Wirthschaftcriu Ottilie v. Lebmska, 30 Jahre alt, wegen Vernach­lässigung ihrer Arbeit mit einem Kantschu derart geschlagen zu haben, daß sie zwei Tage darnach an den erlittenen Körperverletzungen gestorben ist. Der Gerichtshof verurtheilte ihn, da die Geschworenen mildernde Umstände zugelassen, zu anderthalb Jahren Gefängniß und ließ ihn sofort in Hast nehmen. Beim Verhör hatte Tetzlaff aus die Frage des Präsidenten, wozu er überhaupt einen Kantschu habe, geantwortet, er züchtige damit die Hunde und die Konfirmanden.

Auf dem Erzgeb ir g.e liegt noch immer viel Schnee, und die Frühlingssonne, so sehr sie sich bemüht, ihn zu schmelzen, kann seiner nicht Herr werden.

Graz, 5. Mai. Der Statthalter löste alle Studentenvereine auf, soweit sie nicht humanitäre oder wissenschaftliche Zwecke verfolgen.

In Weißendurg (Elsaß) wurde dieser Tage ein Ochs ge­schlachtet, der 1960 Pfund lebendes Gewicht hatte.

Frankreich. Das amtliche Blatt veröffentlicht die Ernennung von 28 Divisions- und Brigade«Generale». DieAgentur Havas" bemerkt dazu, daß aus diesen Ernennungen nicht etwa auf die Schaffung neuer Stellen zu schließen sei, sondern daß sie nur zur Ausfüllung der durch Pensionirung entstandenen Lücken lnenen sollen.

Griechenland. In Kiparissa (Morea) fand am 29. p- M. ein heftiges Erdbeben statt. Die Kirche daselbst stürzte gerade in dem Augenblick zusammen, als die Messe gelesen wurde, und be­grub 47 Menschen unter ihren Trümmern. ^ önÄ.Oel schräg er. (HiezuNrv. 18 des Unterhaltungsblairs.)