)rr rine wackere Familie betroffen hat. Herr Gemeindepfleger Strohm war eben mit Schreiben eines Briefes beschäftigt, während neben ihm Lein 5jähriges Söhnchcn mit einer in der Nähe liegenden Pistole, die «r ungeladen wähnte, spielte. Letztere entlud sich und der Schuß traf Len Vater durch den Leib, so daß er lebensgefährlich verletzt darniederliegt.

Würzburg, 29. Okt. Heute begannen die Verhandlungen beS Schwurgerichts gegen Kullmann, welcher im Juli d. I. das Attentat gegen Bismarck begangen. Gegen ^9 Uhr füllte sich der sehr kleine Sitzungssaal, der im Gange etwa 200 Personen faßt. Der eigentliche Zuhörerraum war in wenigen Minuten gedrängt be­setzt. Außerdem fanden noch etwa 80 Personen gegen Specialkarten, wo immer, Platz. Die Zeugen wurden mit großer Mühe unterge­bracht. Um 9 Uhr trat der Gerichtshof in den Saal. Nach den üblichen Formalitäten folgt die Verlesung des Ueberweisungsbeschlusses und der Anklageschrift des Staatsanwalts. Wir entnehmen der letzteren folgende von Kullmann selber als richtig bezeichnete Thatsa- chen. Kullmann wurde am l4. Juli 1853 in Neustadt-Magdeburg als der Sohn eines armen Fischhändlers geboren, erlernte später das Böttcherhandwerk bei Meister Welsch, ging 1872 auf die Wander­schaft und arbeitete u. a. in Tangermünde, Berlin, Salzwedel und Sudenburg. Von Jugend auf zeigte er sich roh, frech, trotzig, heim­tückisch, rachsüchtig und ohne Sinn für Religion. Als Lehrling und Geselle bedrohte und verwundete er bei den geringsten Streitigkeiten seine Kameraden und sogar seinen Meister mit dem Schnitzer und Messer, und führte oft auch eine Pistole bei sich. Die Anklageschrift führt viele Fälle auf, die K. zugesteht. In Salzwedel wurde K. Mitglied des katholischen Männervereins, zunächst wahrscheinlich, weil es dort billiges Bier und wohlfeile Cigarren gab. Nachdem er aber einmal Mitglied des Vereins geworden, lebte er sich mehr und mehr in diese scheinbar religiöse Richtung hinein. Die aufreizenden Vorträge des katholischen Pfarrers Störmann, die Flugblätter, das Lesen von Zeitungen verschiedener Richtung und Tendenz mit ihrer gegenseitigen Polemik über das Jesuitengesctz und die späteren preußischen Kirchen­gesetze, dazu die Regierungsmaßregeln gegen einzelne Bischöfe und Geistliche riefen aber nach und nach in K. eine Stimmung hervor, die ihn gegen alle Akte der Staatsgewalt in der verbissensten Weise Partei nehmen ließ. Von solchen Gesinnungen erfüllt, betrachtete er mit der Zeit den Reichskanzler Fürsten Bismarck als den ärg­sten Feind der katholischen Kirche, er schimpfte über denselben, wo er Gelegenheit dazu hatte und es sind insbesondere folgende Aeußerungen aktenmäßig:Bismarck ist ein liberaler Schuft, ein liberaler Philister; von oben herab wird gewühlt und Bismarck ist der Wühler; Bismarck mit seinen drei Haaren hat die Jesuiten aus dem Lande vertrieben; wenn er sich noch drei Haare wachsen läßt, wird er sie wieder herein­holen; das nützt ihm Alles nichts". Allmälig wurde K- auch mit dem Gedanken an Mord vertraut. So äußerte er zu seinem Mitge- selleu Pieper in Sudenburg :Wenn eS einmal dahin käme, daß Ihr Pastor ein Wort zu viel sagte, und er abgeführt werden sollte, dann würde der, welcher ihn abführe, fallen, und er mit". Schon in Salzwedel halte Kullmann sich eine neue einläufige Pistole gekauft, dieselbe, welche ihm beim Attentat als Mordwaffe gedient hat. Den Entschluß zu der Thal hat er seinem eigenen Eingeständniß zufolge um Ostern dieses Jahres gefaßt. Um jene Zeit äußerte er denn auch zu dem Zeugen Ernst Meisner mit Bezug auf seine Pistole: Das Ding hat seinen Zweck und wird ihn auch erreichen" . ferner gegen den Böttchergesellen Karl Dörr:Ehe ich sterbe, wird noch ein anderer fallen." Von Salzwedel war Kullmann nach Sudenburg gegangen und von dort reiste er am 29. Mai nach Berlin,um den Bismarck aufzusuchen" ; dieser begab sich aber wenige Tage darauf nach Varzin, und Kullmann wanderte daber, seinen Plan verschiebend, nach Sangershausen, wo er am 23. Juni in Arbeit trat. Er hatte im Sinne, zunächst nach Westfalen und nach dem Rhein zu wandern, änderte aber plötzlich dieses Vorhaben, als er im Sangershausener Kreisblatte die Beschreibung über die Reise des Fürsten Bismarck nach Kissingen las. Sofort suchte er seine Reisekarte hervor, maß den Weg nach Kissingen ab und sagte, daß er dorthin gehen wolle. Am Montag den 6. Juli, verließ Kullmann SangerShausen, und ging zu Fuß über Nordhanscn, Sondershausen, Langensalza, Gotha und Meiningen noch Kissingen. Am Sonnabend, den 11. Juli, Abends, traf er in dem eine Stunde von Kissingen entfernten Dorfe Nüdlingen ein und übernachtete dort nochmals bei dem Gastwirth Johann Schnaus. Am nachfolgenden Morgen brach Kullmann nach Kissingen auf und traf dort gegen 9 Uhr Vormittags ein. Auf dem Wege von Nüdlingen nach Kissingen lud er seine Pistole, und zwar, wie er selbst angibt, mit entsprechender Pulverladung/ daraus einen Papierpfropf, dann zwei Rehposten und auf diese wieder einen Papier- pfrops. Den Sonntag, 12. Juli, verbrachte Kullmann in Kissingen, ohne zur Ausf ührung der beabsichtigten That zu schreiten , weil, wie

Redimrt. gedruckt und verleg

er sich nach seiner Verhaftung cusdrückle, der Sonntag ein heiliger Tag für die Katholiken sei. Er trieb sich während des Tages in der Stadt und in den sic umgebenden Anlagen umher, erkundigte sich nach des Fürsten Bismarck Wohnung und nach der Zeit, wann derselbe auszufahren pflegte. Die nächste Nacht brachte Kullmann im Freien zu und auch am Vor­mittage des 13. Juli hielt er sich an verschiedenen Orten in Kissingen auf» bis er sich um halb 12 Uhr, seine geladene Pistole in der inneren Brusttasche seines Rockes bereit haltend, vor die Wohnung des Fürsten Bismarck begab, um dessen Ausfahrt nach dem Salinenbade abzuwarten. Um 1'/, Uhr Nach­mittags erfolgte das Attentat aus den Fürsten.

Würzburg, 30. Okt. sProzeß siullmann.s Die heutige Sitzung begann um 9 Uhr mit dem Gutachten der beiden Sachverständigen Hofrath Professor von Rinecker und vr. Hubrick, Direktor der Irren­anstalt Werneck. Gegen 11 Uhr 15 Minuten begann der Staats­anwalt, welcher den Antrag auf Schuldig ohne mildernde Umstände stellte, sein Plaidoyer, welches bis 12 Uhr 10 Minuten dauert. Nach ihm ergriff der Dertheidiger, welcher Freisprechung wegen Man­gels der Zurechnungsfähigkeit beantragte, das Wort und redete bis 12 Uhr 35 Min. Daraus wurde die Sitzung bis Nachmittags 3 Uhr vertagt.

Würzburg, 30. Okt. sProzeß Kullmann. Forts.j Der Ver- theidiger, Rechtsanwalt Gerhardt, wirft einen Rückblick auf den Kir- ^ chenconflict und die Entstehung der Maigesetze. Kullmann, der sich bis dahin um Religion, insbesondere um den Kirchenconflict nicht ge- . kümmert, habe in Salzwedel in dem katholischen Männeroerein, in den eraus Laugeweile" getreten, Interesse für diese Dinge gewonnen, j und sei durch die dortigen Vorträge fanatisirt worden. Diesem un­heilvollen Emflusse sei der Entschluß Kulmann's zur Ermordung des Fürsten Bismarck zu danken, um so mehr, als er nach dem Gutachten ^ der Sachverständigen hereditär belastet sei: Kullmann habe si i> in einer krankhaften, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Gemüthsverfassung befunden. Er beantrage Freisprechung. Nach dem Resume deS Präsidenten und dem geschehenen Vorhalt an die Geschworenen, begaben sich viese kurz vor 4 Uhr in das Gcrathungszimmer. Die einzige Frage lautet: ist Kullmann schuldig, am 13. Juli 1874, Mittags,

in Kissingen auf den Fürsten Bismarck in der Absicht, denselben zu tödten, vorsätzlich und mit Ueberlegung eine mit zwei Rehposten ge­ladene Pistole in einer Entfernung von IVa bis 1 Schritt abgeschvfsen zu haben? Bei dem Wiedereintritt der Geschworenen verliest der Obmann das Verbiet:Auf Ehre und Gewissen, die Antwort der Geschworenen ist: Ja!" Die Berathung der Geschworenen dauerte 7 Minuten. Der Staatsanwalt beantragt eine fünfzehnjährige Zucht- > hausstrafe und den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre. Nach einstündiger Berathung verkündigt der Präsident das Urtheil, welches auf vierzehnjährige Zuchthausstrafe und zehnjährigen Ehren­verlust sowie Polizeiaufsicht lautet.

DieProv.-Corr." schreibt: In den letzten Tagen nahm >der Kaiser vielfache Vorträge in Betreff der bevorstehenden Reichstags­sitzung entgegen und hatte am Mittwoch eine längere Besprechung mit dem Reichskanzler Fürsten von Bismarck.

Kaiser Wilhelm hat am 29. Oktober den deutschen Reichstag in B erl in persönlich eröffnet. Die Thronrede kündigt an: 4 Just-z- gesrtze über die Verfassung der Gerichte, über das Civilverfahren, über das Strafverfahren und über das Concursverfahren; es sind das die großen Gesetze, welche die Einheit des bürgerlichen Rechtes im deut­schen Reiche herbeiführen sollen. Ferner ein Gesetz über den Landsturm, über die militärische Controle der beurlaubten und über eine gleich­mäßige Regelung der Naturalleistungen für das Militär im Frieden. Die Steigerung der Lebensmittelpreise und die Fortschritte der mili­tärischen Technik erfordern einen Mehrbedarf (von 17 Mill. Thlr.) für das Heer und erhöhte Matrikularbeiträge. Zur Vorlage kommen ferner ein Bankgesetz, ein Postvereinsvertrag und die Rechnungen des Reichshaushaltes. Die Thronrede schließt:Unsere Beziehungen zu allen fremden Regierungen sind friedlich und wohlwollend, und in der bewährten Freundschaft, welche mich mit den Herrschern mächtiger Reiche verbindet, liegt eine Bürgschaft der Dauer des Friedens. M i r liegt j e d e Vers uch ung f er. 1 , die geeinte Macht des Reiches anders als zu dessen Berthe i dsi g u n g zu verwenden; vielmehr ist es gerade diese Macht, welche meine Regierung in den Stand setzt, ungerechten Verdächtigungen dieser Politik ! gegenüber zu schweigen und gegen das Uebelwollcn und die Partei.- leidenschaft erst dann Stellung zu nehmen, wenn dieselben zu Thaten übergehen sollten. Dann weiß ich, daß für die Rechte und die Ehre des Reichs jederzeit die gesammte Nation und ihre Fürsten mit mir einzntreten bereit sind."

Berlin, 30. Okt. Bis hmte Miltag sind über 200 Reichs-

tagsäbgeordnete angemeldet und ist jetzt zweifellos, daß der Reichstag morgen beschlußfähig sein wird. i

Die Verhandlung des Stadtgerichts gegen den Grasen Arnim soll in etwa 14 Tagen beginnen.

: von ÄchO e l s ch l ci g?r.

Das La erscheint m:i z

»ZK U. Samkw «u Uri beigege mentSpr durch dii Bezirk 1 «anz Wr

Z

hier eir

gedrücki

nisten,

späteste.

auf' den derselbe D

Die:

in der streich Es i 1 Pst 3

sch

Fe

16

8

Dce für Bei ins Mitt lich gern sich die ( hältnisse Gewerbe Publikun consumvi auch in geschehen

In - meindera geschehen in der ir hen den Ritbenüi