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Nr. 65
Freitag, de« 19. März 1986.
100. Jahrgang.
Nach der Genfer Vertagung.
Luther und Stresemmm wieder in Berlin.
'' TU Berlin, 19. März. Die deutsche Delegation ist gestern nachmittag um 2.50 Uhr auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin «ingetroffen. Der Zugang zum Bahnsteig war nur mit Ausweisen des Auswärtigen Amtes gestattet, die diesmal den Vertretern der Presse versagt worden waren. Auf dem Bahnhof hatten sich unter sicherem Reichswehrmimster Dr. Gehler und verschiedene Vertreter des Auswärtigen Amtes eingefunden, sowie die Angehörigen der Delegationsmitglieder. Von der Presseabteilung der Reichsregierung war Geheimrat Zechlin und Legationsrat von Twardowski erschienen.
Der Bahnsteig selbst war durch ein starkes Polizeiaufgebot obgesperrt. Pünktlich um 2,50 Uhr lief der Zug ein, der außer den Mitgliedern der Delegation auch eine Reihe von Pressevertretern wieder nach Berlin zurückbrachte. Gegen 3 Uhr begab sich die Delegation durch den Seitenausgang des Bahnhofes in die zur Verfügung stehenden Autos, nachdem sie vorher noch dem Trommelfeuer der Photographen standgeahlten hatte.
Als erster fuhr Neichspresfechef Dr. Kiep mit Gemahlin ab. Ihm folgten in einem zweiten tivagcn der Reichskanzler und der Reichswehrminister, in einem dritten der Reichsaußenmini- ster, darauf die andern Delegationsmitglieder. Der Reichskanzler begab sich noch im Lause des gestrigen Nachmittags zum Reichspräsidenten zur Berichterstattung.
Einmütige Zustimmung de» Kabinette.
TU Berlin, 19. Mürz. Wie die Telegrgpheuunion erfährt, hat das Reichskabinett den von der deutsche» Delegation in Genf eingenommenen Standpunkt einmütig gebilligt.
Die amtliche Verlautbarung über die gestrige Kabinettsberatung hat folgenden Wortlaut:
„In einem heute nachmittag unter Borsitz des Reichskanzlers abgehaltenen Minifirrrat wurden die Genfer Verhandlungen durchberate», nachdem die beiden Delegation«» ihre sortlaufen. den schriftlichen Berichte durch mündliche Darlegungen ergänzt hatten. Das Reichskabinett billigte einstimmig die Haltung der deutschen Delegation und nahm insbesondere davon Kenntnis, daß durch die in Eens getroffene» Abmachungen die beiderseitige Fortführung der Locarnopolkttl gewährleistet ist."
Die Negierung fordert ein Vertrauensvotum.
TU Berlin, 19. März. Wie die Tclunion erfährt, wird die Reichsvegierung bei der parlamentarischen Erledigung der Genfer Frage ein positives Vertrauensvotum fordern.
Der deutsche Standpunkt in der Dölkerbundsfrage.
TU Berlin, 18. März. Wie die Telunion von gutunterrichteter Seite erfährt, sind vor den Genfer Verhandlungen in einem
Das neue Kabinett vor der Kammer.
TU Par»s, 19. März. Zn der gestrigen Nachmittagssitzung der Kammer, die um 4 Uhr nachmittags begann, stellte BrianL der Kammer das neue Kabinett vor. Gleich zu Beginn der Sitzung gab Briand die vom Minifterrat sestgelegte Regierungserklärung ab. Briand stellte fest, daß er die innere Politik des letzten Kabinetts fortsetzen werde. Die Sorge um die Stabilität des Budgets sei die Hauptaufgabe der neuen Regierung. Die zur Sanierung der Finanzen notwendigen Maßnahmen müßten sosort Mit aller Energie in Kraft gesetzt werden, um dem drohenden finanziellen und wirtschaftlichen Ruin entgegenzutreten. Die Frage der Schuldenregelung würde ebenfalls auf der Basis einer geregelten Finanzwirtschaft schleunigst einer endgültigen Lösung rntgcgengeführt werden. Zur Außenpolitik übergehend erklärte BrianL, man müsse endgültig die Methoden des Mißtrauens und Her Uneinigkeit aufgäben und dem Geiste internationalen Vertrauens und freundnachbarlicher Zusammenarbeit zum Sieg verhelfen, wolle man nicht im weltwirtschaftlichen Existenzkampf unterliegen. Die Genfer Vertagung der Zulassung Deutschlands zum Völkerbund sei sehr zu bedauern. Erfreulich fei demgegen- Mer, daß die Looarnomächt« ihr Werk einer ähnlichen Ungewißheit entrissen und dieses sichcrgestellt haben.
^ Die Aufnahme der Erklärung.
Briand- Erklärung wurde mit eisigem Swetgen ausgenommen. Die Kommunisten und einige Abgeordnete klatschten komisch, als Briand .sich setzte. Der Eindruck war offensichtlich rm- igünstig. Unmittelbar nach der Verlesung der Erklärung erhielt her Redner der Opposition, Dbarne Garay da- Wort zu der Interpellation über di« Zusammensetzung des Kabinetts. Er stellte fest, Briand sei mit reichen Erwartungen nach Genf aufgebrochen und mit leeren Händen zurückgekommen. Das Kabinett hätte auf republikanischer Grundlage gebildet werden müssen. Marne Garay übte schärfste Kritik an der Person MalvyS und seiner Zugehörigkeit zum neuen Kabinett- Solang« Malvy
regen Meinungsaustausch zwischen den Außenministern der verschiedenen Länder die Fragen berührt worden, die in Genf dann zu erheblichen Schwierigkeiten führten. Dabei hat sich ergeben, daß bindende Zusicherungen für die Ausnahme Irgendeiner Macht gleichzeitig mit Deutschland nicht gegeben wurden. Ob persönliche Versprechungen Vorlagen, ist eine andere Frage. Aber auch in diesem Punkte ist inan auf deutscher Seite der Ueberzeugung, daß solche Versprechungen sofort fallen gelassen wurden, als di« Unabänderlichkeit des deutschen Standpunktes sich herauSschälte. Die Haltung der deutschen Delegation, die sich aus der Entwicklung der Genfer Verhandlungen ergab, wurde nach der veränderten Stellungnahme Schwedens von der Erwägung bestimmt, ob eine veränderte Stellung gegenüber dem Völkerbunde und damit auch gegenüber dem Locarnopakt für di« deutsche Politik zweckmäßig erschien. Nach der in Genf getroffenen Regelung ist weder Deutschland noch die Gegenseite juristisch an den Locarnopakt gebunden. Tatsächlich ist durch die Vereinbarung die Situation geschaffen, als wenn Deutschland in den Völkerbund eingetreten wäre. Daraus ergibt sich auch, daß Deutschland ein unbedingtes Recht auf die weitere Erfüllung der Rückwirkungen besitzt. Es wird übrigens damit gerechnet, daß schon in wenigen Tagen ein weiteres Trupp erckontin- gent zurückgezogen wird. Die Frage, ob und wann Deutschland in den Völkerbund eintritt, hängt von der Entwicklung der in diesem Zusammenhang befindlichen Besprechungen ab, insbesondere von den Beratungen der Studlenkommission, an denen Deutschland teilnimmt und deren Aufgabe gerade darin besteht, eine mit der deutschen These in Eingang zu bringende Situation für die Aufnahme zu schaffen. Wenn Brasilien an seinen: Veto festhält, käme auch die Aufnahme im September nicht in Frage, da die Mandate der nichtständigen Ratsmitglieder erst I am 31. Dezember erlöschen. Auch in diesem Punkte werden die diplomatischen Verhandlungen, wie man annimmt, bis zur Herbsttagung völlige Klärung bringen.
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Deutschland in dir Gensrr Studicnkommisfion gewählt.
TU Eens, 19. März. In der Geheimsitzung des Rats wurden in die Studienkommission die Vertreter folgender 15 Staaten gewählt: Die Vertreter der IS Mitgliedstaaten des Rates: Frankreich, England, Italien, Japan, Spanien, Brasilien, Uruguai, Tschechoslowakei, Belgien und Schweden. Dazu kommen die Vertreter der folgenden Staaten: Deuschland, Polen, Argentinien, Schweiz und China.
Minister fei, werde man Briand das Verträum nicht aussprr- chen können.
Die Kammer spricht Briand das Vertrauen au».
Am Schluß der gestrigen Kavnnerdebatte stellte Briand die Vertrauensfrage. Die Abstimmung ergab SSI Stimme« für »ud 184 Stimme« gegen die Regierung. Das Ergebnis der Abstimmung wurde aus der Linken mit lebhaften Beifallsrufen «ns» genommen. Die Rechtsparteien hüllten sich in mürrische« Schweige«. Entgegen dm Bora«ss«lgungea d«r Presse ist die Zahl de» Stimmenthaltungen weit geringer als angenommen rv»r"e.
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Die britische Regierung
hinter Ehamberiain.
TU Berlin, 19. März. Das Berliner Tageblatt meldet aus London, die Regierung habe beschlossen, sich nicht nur hinter Ehamberlain zu stellen, sondern auch den Standpunkt zu ver- trrtm, daß der englische Außenminister während der Märztagung des Völkerbundes sein Aeußerstes getan habe, um Deutschland in den Völkerbund aufzunehmen. Nach einer Erklärung Macdonalds wird die Arbeiterpartei während verkommenden Unterhausdebatte von einem Mißtrauensvotum gegen Ehamberlain absehen.
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Anschläge aus den Prinzen von Wales und Baldwin.
Anschläge auf den Pri«zen von Wales und Baldwin.
TU London, 19. März. Als Baldwin aus Anlaß des irischen Nationalfestes im Hotel Cecil in London einem Bankett beiwohnte, wurde von einem Anhänger des Jrenführers de Va- lera von der Galerie eine kleine Höllenmaschine in den Saal geworfen, durch die mehrere Tischtücher in Brand gesetzt wurden- Baldwin blieb, unverletzt. Eine halbe Stunde später wurde
Tages-Spiegel.
Das Reichskabinett hat gcp«r» abend die Haltu«g v« deutschen Delegation in Gens gebilligt. Das Kabinett wird im Reichstag bei der Behandlung der Dölkerbundsfrage die Vertrauensfrage stelle«.
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Morgen tritt d«r Auswärtige Ausschuß des Reichstages zusammen, um Pir Völkcrüundssrage Stellung zu nehme«.
Im Rrchtsausschuß des Reichstages beginnt heute die Generaldebatte über dos Abfinduugskompromiß.
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Für das Volksbegehren wurde« bis gestern abend 7 Millionen Stimmen gezählt. Man rechnet mit et«rr Gesamtzahl »an 8 Millionen Stimmen.
Der Bölkerbundsrat behandelte gestern die Saarstogr. Anstelle des Franzosen Raoult wurde der Kanadier Stephens zum Präsidenten der Soarkommisfi», gewählt.
Bon den französischen Truppe« im Saargebiet soll bis Ende Mai mir ein JLgerbataillon zurückgezogen werden.
I« der franzSfischrn Kammer gab gestern abend Briand seine Regierungserklärung ab. Die Kammer sprach dem neue« Kabinett das Vertrauen aus.
Die englische Regierung hat beschlossen, sich hinter de« Außenminister Ehamberlain zu stelle».
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Der österreichische BundeLpräsident Dr. Haiuisch wird sich zur Eröffnung der Zugspitz-Bahn im April nach München begeben. Bei diesem Anlaß wird er sich mit Reichspräsident von Hindenbnrg zu einer freundschaftlichen Begegnung treffe«.
auf den Prinzen von Wales, der ebenfalls an einem Bankett teilnahin, ein Attentat verübt. Eine Acetylengasbombe mit brennender Zündschnur wurde von der Straße aus in den Saal des Picadillyrestaurants geschleudert, in dem sich der Prinz befand. Kriminalbeamte konnten die Bombe unschädlich machen. D ieTäter find unerkannt entkomme».
Aus dem Reichstag.
Berlin, 19. März. Bei gähnender Leere hat der Reichstag am Donnerstag die Beratung des Jnnenetats zu Ende gebracht. Das Kavitel „Gesundheitspflege" gab Gelegenheit zu ausgedehnter Aussprache, die sich um die Erwerbslosigkeit und di« schwierige Wirtschaftslage herumgruppierte. Einen erheblichen Raum nahm auch die kommende Reichsgesundheitswoche ein. Das ReichsgesundheiiSamt, das in diesem Jahr sein öOjährigeS Bestehen feiert, wurde von allen Seiten lebhaft beglückwünscht Dieser Teil der Beratung gestaltete sich zu einer besonders lebhaften Ovation für den Präsidenten des ReichsgesundhritS- amtes Dr. Bumm, der demnächst wegen Erreichung der Altersgrenze von seinem Posten zurücktreten wird. Am Schluß der Sitzung erfolgte dann eine ununterbrochene Kette von Abstimmungen, zunächst über die Mißtrauensvoten, die gegen den Minister des Innern Dr. Külz eingebracht waren. Bemerkenswert war dabei die neue Taktik der Kommunisten, die nach einer Gelegenheit suchten, um sich von den Deutschnationalen auch in der Opposition kennen zu können. Sie erklärten deshalb das deutschnationale Vertrauensvotum für ein lückenloses Machwerk und enthielten sich der Stimme. So wurde der deutschnationale Antrag mit 252 gegen 97 bei 41 Stimmenrnthaltungen abgelehnt. Der kommunistische Antrag wurde gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Rach den Abstimmungen wurde noch der allgemeine PenstonSfond erledigt und dann die Beratung vertagt. _
Lage und Aufgabe der Reichsbahn.
Eine Red« Dr. Oeser».
TU Berlin, 19 . März. Auf einem parlamentarischen Abend beim Generaldirektor der deutschen Reichsbahngeseltschaft. zu dem Vertreter der Regierung, der Parlament«, der Wirtschaft, des Handels und der Presse erschienen waren, hielt Dr. Oeser einen Vortrag Wer die Lage und die Aufgaben der Reichsbahn. Der Vortragende hob die große Aufgabe hervor, die die Reichsbahü als Träger von 40 Prozent Reparationslasten bei der Ausglei chung ihrer Erweribsaufgabe an die volkswirtschaftlichen Interessen zu erfüllen hat. Dr. Oeser wies die Angriffe gegen die Reichsbahn wegen Übertriebener Aufwände als unzutreffend zurück. Den Hauptteil seiner Ausführungen nahm di« Darstellung der von der Reichsbahn geleisteten gewaltigen Umstellungsarbeit ein. Die Durchfiihrung der neuen finanziellen Aufgabe sei, so führte Dr. Oeser -um Schluß aus, von der deutschen Wirtschaftslage und dem Zutrauen des Auslandes zur deutschen Kreditfähigkeit abhängig.
Die Regierungserklärung Briands.