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Nr. 64

Donnerstag, den 18. März 1926.

Die Schicksalsstunde in Genf.

Die Vollversammlung beschließt die Vertagung der Aufnahme Deutschlands.

TU Eens» 17. März. Die Ausnahme Deutschlands in de" Völkerbund ist an dem Widerstand Brasiliens gescheitert.

Die gestrige Vollversammlung des Völkerbundes "ahm nach den Reden der verschiedenen Delegierten einen von Briand ab­gesagten Antrag auf Vertagung Aufnahme Deutschlands an. Sr hat folgenden Wortlaut:

Die Vollversammlung bedauert es tief, daß der Zweck, zu dem sie einbcrufen ist, die Aufnahme Deutschlands in den Völ­kerbund zu beschließen, nicht erfüllt werden konnte u"d gibt der Hossnung Ausdruck, o«>b sich im September der Eintritt Deutschlands verwirklichen lasse."

Wer tragt die Schuld an dem Genfer Fiasko?

An zuständiger Stelle in Berlin äußert man sich über die Ursachen, die zu der Vertagung in Genf geführt haben, noch sehr zurückhaltend. Es stehe fest, das; Deutschland keinerlei Schuld treffe. Wenn irgendwo, so sei die Schuld in d?m System der Ee- heimabmachungcn zu suchen. Wenn Frankreich an Polen einen Ratsfitz verspricht und England an Spanien, so stehe dies jeden­falls im Widerspruch zu dem Geiste des Vertrauens und der gegenseitigen Verständigung. In Zusammenhang hiemit weist man auf eine beachtenswerte Auslassung derTimes" hin, die von dem Plan eines mitteleuropäischen Blocks zwischen Frank­reich, Jugoslawien und Italien berichtet. Es habe sich ferner in Genf herausgestcllt, daß sich unter den kleinen Staaten, be­sonders unter den Neutralen, eine immer stärkere Mißstimmung dagegen bemerkbar mache, daß die Locarnomachte sozusagen wie ein Block auf °em Völkerbund lasten un- »essen Entscheidungen lahmlegten. Deutschland habe von vornherein immer den Standpunkt vertreten, dag die Frage der Veränderung des Ra­tes eine interne Völkerbundsangelegenheit sei und Latz ein Druck auf den Bund nicht ausgeübt werden dürfe. Brasilien die ganze Schuld aufzubürden, träfe den Kern der Sache nicht. Brasilien habe nur seinen Standpunkt vertreten. Wären die durch die Zu­sagen an Polen und Spanien hervorgerusenen Schwierigkeiten nicht entstanden, so wären fraglos die Dinge in Gens ganz anders verlaufen.

Loucheur der Urheber?

In Genf wird behauptet, Loucheur sei der Urheber des bra­silianischen Vetos gegen Deutschlands Ratssitz im Völkerbund«. Loucheur, der wahrscheinlich im Einverständnis mit Briand ge­bandelt habe, soll mit dem brasilianischen Delegierten eine ge­

heime Zusammenkunft gehabt haben. Der allgemeine Eindruck in Genf sei der. daß es Briand gelungen sei, die durch Deutsch­lands eventuelle Abwendung vom Völkerbunde drohende diplo­matische Niederlage abzuwehren. Durch die Aufnahme Polens in den Rat wären die Wünsche Mussolinis, Vriands und Chamberlains erfüllt worden.

Inkrafttreten der Locarno-Verträge trotz dcs Genfer Fehlschlags.

TU Berlin, 18. März. In hiesigen diplomatischen Kreisen nimmt man an, daß Frankreich und England das Vorgehen Brasiliens in den nächsten Tagen zu parieren versuchen werden. Frankreich und nicht Deutschland habe in Locarno seinerzeit vor­geschlagen, daß die Geltung der Verträge mit dem gleichzeitigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund beginnen sollte. Diese Klausel soll nunmehr von den Kontrahenten des Locarnoab- kommens durch Notenwechsel dahin abgcändert werden, daß die Verträge schon jetzt gelten und dieselbe Wirksamkeit haben sol­len, als wenn Deutschland bereits dem Völkerbünde angehören würde.

Würdigung des deutschen Verhaltens in Eens.

Bei einem Empfang der englischen Presse erklärt« gestern abend Ehamberlain, das Locarnoabkommen und die gemeinsamen Arbeiten der Locarnomächte hätten di« Genfer Krise nicht nur überwunden, sondern seien noch verstärkt aus ihr hervorgegan- gcn. Als Tatsache dürfe gebucht werden, daß die Locarnomächte auch in Zukunft für eine Verständigung und den Frieden ein- treten würden. So sei es denn gelungen, aus einer Situation, die einer Katastrophe geglichen habe, praktische Resultate von großer Tragweite zu erzielen Ehamberlain bedauerte es, daß er es während der Vollversammlung versäumt habe, in gleicher Werse wie Briand dem Verhalten Deutschlands in Genf die ge­bührende Ehre zuteil werden zu lassen. Auch er hätte die wür­dige Srelenruhe der deutschen Delegation gern heroorgehoben. Wenn die Einstimmigkeitsklausel es auch verhindert habe, daß Deutschland in den Völkerbund ausgenommen worden ftl, so wolle er sie doch nicht gern freigeben, denn die Existenz des Völkerbunds hänge von ihr ab. Die Menschheit sei noch nicht so weit, daß sie einen Ueberstaat schaffen könne, der souveräne Rechte über die Menschheit ausübe. Wenn diese Klausel bei schwierigen Fällen nicht angewandt werden würde, so würde darüber der Völkerbundsrat und der Völkerbund selbst in die Bruche gehen. Es sei bedauerlich, daß ein Staat wie Brasilien die Verantwortung für das Scheitern des deutschen Aufnahme» ontrages allein habe ans sich nehmen müssen, doch sei dies «ine Konsequenz der Völkerbundssatzungen.

Der Ausklang

Die Abreise der deutschen Delegation.

TU Genf, 18. März. Die deutsche Delegation verließ gestern abend nach 8 Uhr Genf, um nach Berlin zurückzukehren. Eine größere Menschenmenge, darunter zahlreiche Vertreter der deut­schen Kolonie in Genf hatte sich auf dem Bahnhof eingefunden Der Reichskanzler und der Reichsaußenminister, sowie die Staatssekretäre nahmen in einem Salonwagen, der sich gleich hinter der Lokomotive befand, Platz, ln den anderen Wagen saßen die übrigen Mitglieder dcr Delegation und viele deutsche Journalisten, die gleichzeitig die Reise nach Berlin antraten. Beim Verlassen der Bahnhofshalle standen der Reichskanzler und her Reichsaußenminister am Fenster und winkten noch lange der Menschenmenge zu.

Vor der Aussprache im Reichstag.

Einberufung des ArlteprmatrS des Reichstages auf Freitag.

TU Berlin, 18. März. Reichstagspräsident Löbc hat den Aeltestenrat des Reichstages auf Freitag vormittag zur Fest­setzung deS Zeitpunktes der Besprechung der außenpolitischen Lage elnbernfen.

Beginn der Genfer Debatte im Reichstag wahrscheinlich am Montag.

Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, wird die große außenpolitische Debatte über Genf in Verbindung mit der zwei­ten Lesung des Haushalts des Reichsministers des Aeußern am nächsten Montag beginnen. Der Aeltestenrat und der Auswärtige Ausschuß des Reichstages sind bisher noch nicht rinberufen wor- deu, da man erst di« Rückkehr des Reichskanzlers und des Reichsaußenministers aus Genf abwarten will.

Ei« deutschnalionale» Mißtrauensvotum in Vorbereitung.

, Die deutschnationale Pressestelle teilt mit: Die Genfer Vor­gänge haben in den Sitzungen d«S Parteivorstandes und der LandeSvorsttzenden der deutschnationalrn Volkspartei, sowie der Reichstagsfrakiion der drutschnationalrn Bolkspartei zu einer

der Tragödie.

Aussprache geführt, in der die einmütige Auffassung zum Aus­druck kam, daß die Behandlung des deutschen Antrags auf Ein­tritt in den Völkerbund und die Haltung der deutschen Dele­gierten in Genf zu einem völligen Mißerfolg der Außenpolitik des Kabinetts Lulher-Stresemann geführt hat. Die ReichStagS- fraktion der deutschnationalen Volkspartei wird sofort di« erfor­derlichen parlamentarischen Maßnahmen ergreifen.

Vriands neue Sorgen.

TU Paris, 18. März Das neue Kabinett Briand wird heute nachmittag vor das Parlament treten. Die Regierungserklärung enthält Angaben über das Finanzproblem, über die Genfer Ta­gung, sowie Anspielungen auf die Wahlrrform. Die Interpel­lationen über die Zusammensetzung de» Kabinetts werden An­laß zu einer Debatte geben, bei deren Ausgang Briand vor­aussichtlich die Vertrauensfrage pellen wirkt Trotz des unzwei­felhaft ungünstigen Eindrucks, den dcr Fehlschlag der Genfer gung in parlamentarischen Kreisen hinterlassen hat, rechnet man mit einer Mehrheit für das Kabinett. Radikaksozialisten und Linksradikale werden für, Kommunisten und evtl, auch dir So­zialisten gegen di« Regierung stimmen. Möglich ist auch, daß die Sozialisten sich der Stimme enthalten. Die Linksrepubli- kaner haben beschlossen, ihre Stellungnahme von der Regie­rungserklärung abhängig zu machen. Eine stabile Regierungs­mehrheit ist unter diesen Umständen nicht gut denkbar. Ein Vertrauensvotum würde lediglich durch umfangreiche Stimment­haltungen zustande kommen. Finanzminister Peret wird, wie man hört, die Verabschiedung derjenigen Teil« der letzten Fi­nanzvorlage betreiben, di« in der Kammer angenommen wur­den. _

Rücktritt de»

tschechoslowakischen Kabinett».

TU Prag, is. März. Nachdem gestern nwchmittag de, Ar- -eitsminister dem Ministe rpräfttenten Eoehla sei» Portefeuille zur Verfügung gestellt hatte, beschloß ein Rintstcrrot ^t,r

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verantwortl. Schriftleitung: Frieärich Hans Scheele Druck unck Verlag cker A. velschlckger'schen Buchckruckeret.

100. Jahrgang.

Lages-Spiego'.

Die Vollversammlung des Völkerbundes hat, r: chsem Brasilien ein unwiderrufliches Veto eingelegt, die Vertagung der Aus­nahme Deutschlands bis September beschlossen.

*

Ehamberlain und Briand hoben in ihren Ansprachen hervor, das? der Locarno-Pakt auftcchterhalten bleibe.

Beiand hatte gestern nachmittag eine lange Aussprache mit De. Stecsemann und Dr. Luthe». Man glaubt, diese Unterredung bilde den Auftakt zu direkten französisch-deutsche« Verhand­lungen.

Die deutsche Delegation hat gestern abend 8 Uhr Genf verlasse«.

Die Aussprache im Reichstag über dir Genfer Verhandlungen wird voraussichtlich am Montag stattfinden.

«

Die deuffchnationale Bolkspartei bereitet ein Mißtrauensvotum gegen Luther und Strescmann vor.

Im englischen Unterhaus wird Ehamberlain Mitte nächster Woche zu der Völkerbundstagung Stellung nehmen.

In Polen und in Italien herrscht g»oße Befriedigung üb«, de» Aasgang der Genfer Verhandlungen.

Die int«rnatio»ale Arbei1sz-»tkoufercnz beschäftigt« sich «1t de» Frage der Sonntagsarbeit «ad einigte sich auf eine einheit­liche Auslegnng.

In Oberschlefie» ist e» erneut zu Deutschenverfolgung«, gekom­men. In Pole« find Arbeitvlosenunrohen a«Sg«br»che».

I» Denizll in Anatolien hat sich ein heftiges Erdbeben «eig­net, wobei ISO Häuser «iirstiirztcn. 7 Personen wurden getö­tet und zahlreiche Personen verletzt.

Svehlas Vorsitz, dem Präsidenten der Republik di« Demistiou des gesamten Kabinetts anzubieten. Man nimmt an, daß »in Beamtenkabinett unter Führung Dr. Czernys gebildet werden wird.

Dr. Czerny mit der Bildung "es tschechische« Kabinett» beauftragt.

Nach der Gesamtdemission des tschechischen Kabinetts betraute Präsident Massaryk den derzeitigen Statthalter Mährens Dr. Czerny mit der Bildung einer Bvamtcnregierung.

Neue Deutfchenverfolgurrgen in Oberschlefien.

TU Fanksurt a. M., 18. März. Die Franks. Zig wettet aus Beuthen: Die Deutschen-Verfolgungen in polnisch Oberschle- fien haben wieder eingesetzt. Vorgestern wurde «ine deutsch« Theateraufführung in Hohenlinde von Poken gesprengt und die Teilnehmer zmn Teil schwer mißhandelt. Obwohl Polizei an­wesend war, ist sie nicht eingefchritten. Di« deutsch« Bevölkerung befürchtet anläßlich des bevorstehenden fünften Jahrestage» der Abstimmung am kommenden Sonntag neue« Terror ausgefetzt zu sein. Di« Aufruf« der polnischen Parteien stehen unter der Parole, man werde niemals zulasten, daß di« deutschen Bestre­bungen, Ostoberschlesien zurückzugewinnen, verwirklicht werden.

Da» bisherige Ergebnis de» Volksbegehren».

LU vrAi», 18. März. Die Frist für die Einzeichnung i» die Listen für das Volksbegehren lief am Mittwoch abend um 8 Ilhr ab. Da di« Wahlleiter diesmal dir Ergebnisse auf brieflichem Woge dem Reichswahlleiter nach Berlin übersen­den, ist eine genaue Feststellung des Gesamtergebnisses erst in einigen Tagen möglich Nach den bisher vorliegenden Einzel- ergetmissen waren bis Mitternacht rund 3,75 Millionen Eintra­gungen gezählt. An Einzelergebnisten find erwähnenswert: Ber­lin 1580 223, Hannover-Stadt 149 210, Königsberg 50410, Franfurt-Oder 18 <78. Breslau-Stadt 155 652, Görlitz 30115. Magdeburg 91 597, Hall« 50 125. Merseburg 6770. Weihenfelr 9306. Gera 20000. Erfurt 37 «61, Bver-Westf. 17S85, Dortmund 95 000, Bochum 27 750, Hern« 13 039, Gelsenkirchen 40 830. Hagen 22 4«0, Essen 111017, Duisburg 42 368, Oberhausen 66 290,» chen 99 600, Leipzig 239 747, Chemnitz 117 561. Korlsrnh, 29200. Hauibnrg-Stadt und Land »96000, Schwerin 5107,