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wird jedoch abgebrochen und auf die nächste Sitzung vertagt. Min. v. M i lt- nacht hat der Kammer eine wichtige Mitthcilung zu mache». Der deutsche BundcSrath habe über den RcichStagSbeschluß in Betreff des LaSker'schen Antrags über Ausdehnung der Rcichskompetenz aus das gesammte Gebiet der Civilgcsctzgebung noch keinen Beschluß gefaßt. Dieß stehe aber jetzt nahe bevor. Nur. haben, wie aus öffentlichen Blättern ersichtlich, Sachsen und Baiern sich im Einvernehmen mit ihren Kammern für die Zustimmung ausgesprochen. Die württembcrgischcn Kammern haben dieß früher auch gelhan, und so beabsichtigt das Ministerium bei Sr. Maj. dem Könige ebenfalls den Antrag auf die Zustimmung Württembergs zu stellen. Es werde alsdann eine Kommission Seitens des Reiche« zur Ausarbeitung eines ^allgemeinen deutschen Zivilgesetzbuchs niedergcsctzt. Zum Schluß wird noch der Einlauf einer Vorlage über die Besoldungscrhöhung der Kirchendiener angczeigt im Betrag von jährlichen 240,OM fl., wovon 160,MO fl. für die evangelischen und 80,000 fl. für die katholischen. Ferner 5300 fl. zur Besoldungscrhöhung der Forstwarte und deren Eintheilung in vier Besoldungsklasscn von 6 bis 9000 fl.
— Am 15. August wurde in München ein wohlhabendes älteres Fräulein (Hebberling) in seiner Wohnung ermordet und beraubt, ohne daß die Polizei eine Spur des Mörders fand. Am 4. Dez. übergab ein Packtreger der Hypothekenbank einige Pfandbrief-Talons zur Umwechslung, welche sofort als solche erkannt wurden, die der Ermordeten gestohlen waren. Der Packträger hatte die Papiere von einem Unbekannten erhalten, der ihn aus einem gewissen Platze erwarte. Die Polizei legte sich rasch auf die Lauer und fing ihn mit Hilfe des Packträgers. Es war der Porzellandreher und frühere Soldat I. Stöhn aus Burgberg bei Lichtenfels. Er hat sich vor der Polizei und dem Gerichte zu dem Morde bekannt.
— München, 9. Dez. Die Cholera ist dahier in Bedenken er- regender Weise in Zunahme begriffen. Von den 14 Polizeibezirken, in welche München eingetheilt ist, wurde im Laufe des gestrigen Tages auch der letzte seuchenfreie Bezirk von der Cholera heimgesucht. Vom 8 . bis 9. dieses Monats Abends sind hier an Cholera 50 Erkrankungen und 20 Todesfälle vorgekommen.
— In Folge Strikes der Bahnhofarbeiter in Frankfurt ist der Bahnhof daselbst mit Gütern so überfüllt, daß die nächsten 3 Tage Beförderung von Frachtgütern nach Frankfurt looo verhindert und demgemäß Annahme solcher Güter zum Transport nicht möglich ist. Civil- güter sind von dieserMaßregel ausgenommen und können befördert werden.
— Berlin, 8. Dez. Der Justizausschuß des Bundesraths hat heute die Berathung des Rcichspreßgesetzes wieder begonnen und zunächst die bei der früheren Becathung gefaßten Beschlüsse, namentlich bezüglich der succcfsiven Verantwortlichkeit für Prcßerzeugnisse aufrecht erhalten. Die Berathungen sollen möglichst beschleunigt werden.
— Obgleich da« Jahr noch nicht zu Ende ist, so stellen sich doch die Einnahmen des deutschen Zollvereins bis Ende Oktober schon um 9,272,049 Thlr. höher als im Vorjahr.
— Es ist für das deutsche Heer angeordnet worden, daß i» jeder Compagnie, Eskadron und Batterie außer dem Hauptmann und Pre- mieilieutenant nock 3 Seeondelieutcnants eingereiht werden müssen. Bisher hat es größtenthcils bei 2 Secondclieutenants bewendet.
— Berlin, 10. Dez. Abgeordnetenhaus. Der Antrag Bern- ards betreffs Aufhebung der ZeitungSstener wird ohne Debatte in 3. Lesung angenommen. — Ter Antrag Schröder betreffs der Gewährung von Diäten an die Reichstagsabgeordnetcn wird, nachdem Vir
chow und Richter über die RcichenSpergcr'sche Resolution beantragte, von Löwe befürwortete motivirte Tagesordnung wurde darauf! nach einer heftigen Erwiederung Windthvrst's auf die Rede des Kultusministers bei namentlicher Abstimmung mit 288 gegen 95 Stimmen angenommen. Der Kultusminister bringt sodann einen Gesetzentwurf auf Einführung der obligatorischen Civilche, wozu die Regierung, wie der Minister erklärt, durch ernste Erfahrungen veranlaßt worden sei, ein; sodann wird die Sitzung aufgehoben.
Frankreich. Trianon, 8 . Dez. (Prozeß Bazaine.) Fortsetzung der Vertheidigungsrede. Lachaud, vom 4. September sprechend, sagte: „Die Geschichte wird einst erzählen, daß sich Leute fanden, welche die Invasion nicht für genug hielten, sondern noch den Schmerz der Insurrektion hinzufügen mußten". Auf die Unterhandlungen Bazaine'S mit dem Feinde übergehend, sagt Lachaud: unter gewöhnlichen Zeit. Verhältnissen wäre ein so handelnder General schuldig; in Metz waren wir aber nicht in gewöhnlichen Verhältnissen. Die Regierung in Tours wußte wohl, daß ein Widerstand bis zum äußersten unmöglich war. Von Gambetta sprechend sagt Lachaud : sein glühender Patriotismus hoffte auf Erfolg; dieses wird seine einzige Entschuldigung vor der Geschichte sein, eine andere wird er nicht haben.
Trianon, 9. Dez. Lachaud weist nach, daß der Mangel an Lebensmitteln keine» Durchbruchsversuch erlaubte, vielmehr Unterhandlungen nothivendig machte. Bezüglich der Mission Boyer's in Versailles koustatirt Lachaud: Bayer ging allein der militärischen Konvention wegen dorthin, Bismarck habe die Frage verrückt und auf daS politische Gebiet hinübergespiclt. Es handelte sich nicht um die Restauration des Kaiserreichs, sondern darum, eine von Frankreich anerkannte Regierung zu finden, welche sowohl für die sociale Ordnung als Preußen gegenüber die nothwendigen Garantien bieten könnte. Denn Preußen hatte unglücklicherweise die Macht, seinen Willen auS- sprechen zu können. Lachaud wirft sodann der Anklage vor, sie habe das in der Haltung der Kaiserin so hoch Bewundernswerthe nicht genug heroorgehobcn. Er fügt bei, das wäre nicht eine Sache der Politik, sondern der Erkenntlichkeit gewesen. Lachaud entwickelt ausführlich die Bemühungen der Kaiserin gegenüber König Wilhelm und Bismarck.
— Trianon, 10. Dez. Lachaud widerlegt die Anklage gegen Bazaine wegen Verraths und sagt: Es gibt eine -stimme, die gehört werden muß, obgleich sie die Stimme des Feindes ist. Ich spreche zu Generalen, welche wissen, daß Ehre überall vorhanden ist. Lachaud verliest einen Brief des Prinzen Friedrich Karl vom 28. Nov. 1873, besagend: „Hiermit erkläre ich, daß Marschall Bazaine niemals nach meinem Hauptquartier Corny kam, ich sah ihn das erste Mal nach der Kapitulation." Lachaud verliest einen andern Brief äck. Berlin 8 . Dez., welchen der Prinz freiwillig an Lachaud richtete: „Ich erkläre, daß ich für den Marschall Bazaine unbegrenzte Achtung empfinde, besonders vor seiner Energie, mit welcher er die verhängnißvolle Kapitulation von Metz verzögerte." Die Briefe wurden mit tiefstem Stillschweigen anfgenommen.
Trianon, 10. Dez., 8 Uhr Abends. Vor Suspendirung
chow dafür gesprochen, durch Annahme einer von Lasker beantragten,!^ Sitzung, welche eben euitreten soll, sagt N!ar>chall Bazanie: durch die Inopportunität des Eingreifens in die Reichsgesetzgebung »3ch krage 2 Worte auf der Brust : Ehre und Vaterland. Ich habe motivirten Tagesordnung, bei Namensaufruf mit 219 gegen 169
Stimmen beseitigt. — Bei der Berathung der vom Abg. Neichens perger beantragten Resolution, welche eine Rückkehr zu den früheren Regierungsmaximen gegenüber der katholischen Kirche verlangt, repli-
zirt der Kultusminister Falk auf eine lange Rede Reichcnspcrgers:!
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42 Jahre meinem Lande gedient, ohne gegen diese stolze Devise zu verstoßen. Ich hcEe, ich schwöre cs vor Christo, Frankreich niemals verrathen. — Abends 9,IUHr: Marschall Bazaine wurde von dem Krieg sgericht schuldig erkannt der Kapitulation von Metz und der Uebergabe der Feldarmee, ohne alles, was die Ehre und
Die gegenwärtige Politik der Regierung sei durch die Thatsache her- - A^cht rwrschrieb, gelhan zu haben, -sodann wurde Bazaine ein- vorgerusen , daß preußische katholische Bischöfe sich dazu verbanden, ""t vorhergehender Degrada-
nicht den LaudeSgesetzen, sonder» den Winken eines Mannes außerhalb i ^vn verurtherlt. ... „
Deutschlands zu gehorchen. Die Fuldaer Bischofökonferenz habe so-! Trian on, 11. Dez I» Folge deS Urtheils über Bazame gar die Frage ventilirt, ob ein Katholik noch die preußische Berfas-! Mitglieder des Kriegsgerichts emen Gnadenrekurs,
sling beschwören könne. Der Minister hebt hervor, daß er den Bi- " uinale wäre sogleich zu dem D!ar-
schall-Präsidenten Mac Mahon gegangen, um demselben den Rekurs zu übergeben. Marschall Bazaine hörte die Verkündigung des Ur- thcils mit großer Aufregung an.
Trianon, 11. Dez. Die Haltung Bazaines während der Verlesung des Urtheils war muthig;. er bat, nur seinen Sol n 24 tmiden bei sich haben zu dürfen. Eine Revision des Urtheils ver
schiffen wohlwollend entgegengekommen sei, die Bischöfe aber hätten der Staatsregierung passiven und aktiven Widerstand entgegengesetzt, ihnen folge d:r Klerus, dem Klerus ein großer Theil der katholischen Bevölkerung. Der Minister erinnert sodann an den von Geistlichen bei den Wahlen, sowie auch durch Hereinziehung des Beichtstuhles
ausgeübteu Gewissenszwang, und weist den Vorwurf der Kirchenver- , - - - .... ...
folgung als bewußte oder unbewußte Unwahrheit zurück: „Friede war! "" 2 ^ °r nicht, ^.er Präsident der Republik wird heute über das nur so lange, als sich die Regierung der Kirche unterwarf." (Leb-!^n de» Mitgliedern des Kriegsgerichtes Unterzeichnete Begnadigungs- hafte Zustimmung.) Nachdem der Minister noch die Aufhebung der!^>"ch "^scheiden. - 7 . ^
katholischen Abtheilung des Kultusministeriums gerechtfertigt hat,! Mahm,s^ di-^gege^^ b^7sn^eü"z'wanz,"g
Ichließt derselbe: „Unter den jetzigen Umständen Frieden schließen, Jahre Hasl unter Entbindung von den Formalitäten aber nicht den Wir- hieße Frieden schließen um dcn Preis der StaatSsouveränctät. Die klingen der militärischen Degradation un-glwandelt.
Rußland. St. Petersburg, 7. Dez. Heute Vormittag hatdieEin- .... c 1 , . . ... . ^... . weihuna des Denkmals der Kaiserin Katharina II. nach dem vrrgcschriebcnen
net dabei auf die Uiiterstützlllig des .audtages und bittet IHN Ableh- Proaramme stattgefnnden. Die hier anwesende Deputation der preußischen
Regierung wird auf de» jetzt verfolgten Prinzipien stehe» bleiben, rech- .iiterstützlnig des Land
nung der Anträge. (Lebhafter Beifall.) Eine von den Abgg. Vir-! Ärm.c wohnte der Feierlichkeit im Gcsolge des Kaisers Alexander bei.
Rcrigin, gedruckt und »erlegt von A. Oclschläger.
(Hiezu -Nr. 50 des NnterhaltungSilatts )