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aus Aenderung des JuskriptionsweicuS, der aber abge!eh»t wurde. Die Kam-i mer erklärte damit den Gegenstand für erledigt. — In der 179. Sitzung (28. Nov.) ist vom Abg. Retler ein Antiag eingelauscn, die K.Regierung um Einbringung eines GelctzeSentwurfö zu bitten über Aufhebung der noch bestehenden Brücken- und Pflastcrgelder gegen Entschädigung der Berechtigten. Doch er stellt Namens der Justizgesetzgebungs-Commission den Antrag, über den ihr am Schlüsse der vorigen Session zur Begutachtung überwiesenen Antrag des Abgeordneten v Schwanvnee, in Betreff der Schulvcrsäumnißstrafen von 35 kr., auch von der Kirchen- und Schutkvmmissivn einen Bericht zu verlangen. Die Kammer stimmt zu. — Lenz berichtet Namens der Finanz-Cvmmiision über die abweichenden Beschlüsse der Kammer der StandeSbcrren zu dem Hundeab- gabcngesetz. Die Commission stellt hiezu folgende Anträge: 1) mit 12 Stimmen gegen die eine von W. v. König: aus dem diesseitigen Beschluß wornach die Altersgrenze, mit welcher ein Hund zu versteuern ist, von drei Monat-n auf sechs Wochen herabgesetzt wird, zu beharren. W. v. König stellt den Antrag: dem B schluß derKammer der Standesherrcn beizutreten, welcher Antrag von Frhr- v. Wöllwarth und Retter unterstützt und von der Kammer mit 40 gegeil 38 Stimmen angenommen wird ES würde hicnach die dermalen giltige Bestimmung der Versteuerung mit drei Monaten verbleib n. 2) beantragt die Commission mit 11 gegen die 2 Stimmen von Bescher und Finckh von Reutlingen: dem Beschluß der Kammer der StandcSherren, wonach ein höherer Abgabesatz von 8 fl für den zweiten und jeden weiteren Hund Wegfällen soll, zuzustimmcn. Die Minderheit beantragt: aus dem früheren B - sch uß dieser Kammer zu beharren. Der Minderheilsantrag wirb mit 40 gegen 38 Stimmen angenommen, wornach eo bei 4 fl. für den ersten und 8 fl. für jeden weiteren Hund sein Verbleiben hat. In der E.rdabstirnmung wird daS ganze Gesetz mit 61 gegen 13 Stimmen angenommen. — Müller von Marbach berichtet Namens der Finanzkommission über den Gesetzeömlwurs, außerordentliche Bedürfnisse der Postverwallung betreffend. Verlangt werben283,OOOfl. und zwar 120,000 fl. für ein neues Postgebäude in Heilbronn und 163,000 fl. für das Gebäude des Postamts ll. in Stuttgart. Die Commission beantragt unveränderte Annahme deS Gesetzesentwurfs, welcher Antrag mit 74 gegen 2 Stimmen angenommen wird.
— Stuttgart, 5. De;. Der Ankauf der K. Gewehrfabrik Oberndorf durch Mauser für 200,000 fl. wurde ralifizirt. Mauser «hielt zugleich eine Bestellung auf 1( 0,000 Gewehre für das würt- tembergische Armeekorps.
— Tübin gen, 8. Dez. Gestern Mittag um 4 Uhr langten Se. Maj. der König mittelst SonderzugS hier an und fuhren m dem am Bahnhof bereitstehenden K. Wagen nach Bebenbausen, wo sich Höchstdtrselben ein paar Tage aufzuhalteu gedenken, um an einer im Schönbuch zu veranstaltenden Jagd Theil zn nehmen.
— In Reutlingen sind, der dortigen „Schwarzw. Kreisztg." zufolge nicht weniger als 30 Wahlvorschlägc zur dießmaligeu Ergän- zungswahl des Gemeinderaths (6 Mitglieder) aufgetaucht.
— Kieselbronn, 6. Dcz. Etwa 10 Minuten von hier, am
Wege nach Pforzheim, wurde heute Nachmittag gegen 3 Uhr ein vom Wochenmarkte heimkehrender Bürger von Dürrn räuberisch angefallen. Bon einem, diesem Manne schon vom Eutinger Felde her Nachfolgen-! den Subjekte kräftigst mit einem Steine von hinten an den Kopf geworfen, stürzte erster« betäubt nieder, raffte sich aber, trotzdem der Attentäter sich schon über ihn hergemacht hatte und nach seiner Börse griff, sofort wieder auf und ranz mit dem Spitzbuben. Der Stock des Angegriffenen war leider durch einen Korb gezogen und — angebunden. Der Räuber bombardirle mit Steinen, wahrend auf der andern Seite der Korb lheilweisc als Schild dienen mußte. Das Ende war, daß der Schlingel Geld zwar keines, wohl aber 2^ Pfund Butter bekam, mit denen er querfeldein dem Neuling« Wald zu, davon rannte. — Schöne Gegend! (Pf. B.)
— Mannheim, 6. Dez. DaS hiesige „Tageblatt" enthält folgende zeitgemäße Anfrage: „Wenn die Metzger in Fürth im Stande sind, das Pfund Hammelfleisch um 12 kr., Kalbfleisch um 15 kr., Schweinefleisch um 20 und 21 kr., und Rindfleisch um 17 kr. aus- zudieten, wie tagtäglich in den dortigen Blättern zu lesen, warum kosten dann alle diese Fleischgattungen hier 40 bis 50 Procent mehr, während doch die Eisenbahnfracht von Fürth (Nürnberg) bis hierher nur einen kleinen Brnchtheil dieses Mehrkostenpreises ausmacht. Ihr Hansfcauen denkt an Kassel!
— Berlin, 6. Oez. Der Bundesrath hat dem Vernehmen nach die Außerkurssetzung der deutschen Landesgoldmünzen vom 1. April 1874 von beschtossen. Gleichzeitig verlieren die ausländischen Goldmünzen die Eigenschaft gesetzlicher Zahlungsmittel.
— Berlin, 7. Dez. Der Antrag des Slaatsministeriums auf Amlsentsetzung des Erzbischofs Grafen Ledochowski kommt alsbald bei dem Gerichtshöfe für kirchliche Angelegenheiten zur Verhandlung. Bereits ist die im Kultusministerium aufgestellte und vom Staatsministerium mit Einschluß des Ministerpräsidenten Fürsten v. Bis-! marck genehmigte Anklageschrift, in welcher das gesetzwidrige Vcr-! fahren des Posener Prälaten eingehend beleuchtet wird, dem genann-. ten Gerichtshöfe zugefertigt. Die Antwort des Grafen Ledochowski! auf die vom Oberprl sidenlen Günther an ihn gerichtete Aufforderung, j innerhalb einer Woche sein Amt niederzulegen, hm hier durch die> Art ihrer Haltung nicht überrascht. Vielmehr ist durch dieselbe nur! die Ueberzeugung bef estigt worden , daß die Amtswirksamkeit von^
Reoigin» gedruckt und vciwgt
Kirchenoberen, welche derartige Auffassungen hegen, mit den Pflichten und Interessen deS Staates nicht verträglich sei.
— Im Zusammenhänge mir den ernstlichen Konflikten, welche zwischen der Staatsgewalt und den römisch-katholischen Bischöfen in Preußen zum Ausbruch gelangt sind, und mit dm Nothstände», welche daraus erwachsen, ist die Frage wiederholt hervorgctrcleu, ob die bisher für die Vereidigung der Bischöfe bestehenden Formeln noch genügen können. Es ist erkannt worden, daß der im Jahre 1 43 für die katholischen Bischöfe festgestellte Eid nicht mehr dem StaatSbe- dürfmssc entspricht, seit nach dem vatikanischen Konzil die katholische Geistlichkeit e ne ganz veränderte Stellung zum Staat eingenommen und in Bezug auf die dem Staat gclodte Treue Deutungen sich Bahn gebrochen haben, welche das geleistete Gelöbniß moralisch vernichten. Oie Regierung ist deßhalb in Berathung über die zu ergreifenden Maßregeln getreten, und dürfte die Frage zunächst bei der Wiedcrbe- sctzung des erledigten Bischofssitzes zu Fulda von praktischer Bedeutung werden.
— Posen, 5. Dez. Oer Erzbischof Gras Ledochowski ist im Schrimmer Kreise (Provinz Posen) als Kaudldar zum Rnchslagsab- geordneten aufgestellt.
— Münster, 30. Nov. Der Oberpräsirmt der Provinz Westfalen hat den Bischof von Paderborn aufgefordert, die seit Jahren durch Pfarroerweser verwalteten Pfarrstellcn in Altasterberg, Affinghausen, Bonaktrchen. Deifeld, Grönebach und Silbach bei Strafe von 200 Tlalern für jede Stelle binnen 4 Wochen dauernd zn besetzen. Der Bischof hat sein sämmtliches Mobiliar gleich nach dem Erscheinen der Kirchengesetze vorsorglich verkauft und ist im Mobiliar unpfändbar.
— In ter vielbesprochenen Angelegenheit der Anna Böckler began» neu am 4. d. zu Greifswalde die Verhandlungen gegen den Hofgänger Fritz Martin Schütt, welcher angeklagt ist, die Kleine ermordet zu haben. Da der Angeklagte noch nicht das Alter von 18 Jahren erreicht, ihn die volle Strafe für das ihm zur Last gelegte Verbrechen mithin noch nicht treffen kann, so finden die Verhandlungen nicht vor dem Schwurgericht, sondern vor der Krimmatdepnlation des Kreisgerich's statt. Der Angeklagte ist ein 17jähriger Banernbursche von sehr mangelhafter Schulbildung, ab« verschmitztem Wesen, der seine Schuld bestreitet und alle Fragen, die ihm und quem sind, mit den stereotypen Worten: „deel weeß ick nick" beantwortet. Die Umstände Uber das Verschwinden des Kindes und über die endliche Auffindung der Leiche in einem Scheunenfache zn Treuen sind unfern Lesern noch im frischen Gedächtniß. Schütt soll die Kleine unter dem Vorgeben, er wisse ein Vogelnest mit 5 Jungen, das « ausnehme» wolle, »m ihr einen kleinen Vogel zn schenken, verlockt, ihr Gewalt angethan und schließlich den Mord begangen haben.
— Greifswalde, 6. Dez. In der heutigen Schwurgerichts- sitzung wurde der 17jährige Hofgänger Fritz Schütt wegen Ermordung der Anna Böckler zu 15 Jahren Gefängniß vcrurlhcikt. Der Vertheidig« meldete gegen das Erkenntniß Berufung an.
Schweiz. Der Gotthardtunnel hat im Okl. nur einen mäßigen Fortschritt gemacht, auf deutscher Seite 70, ans italienisch« 60 Meter. Total sind am 31. Okt. 922 Meter gebohrt gewesen, welchen die Masse von 13,998 Metern gegenüberstehk, die »och zu überwinden ist.
Frankreich. Pari«, 4. Dez. DaS Ministerium brachte »n Erfahrung» daß der Graf Chambord nach seiner Rückkehr ans Frankreich beabsichtige, ein Manifest an die französische Nation zu erlassen. Daraufhin ließ der Minister des Innern, Herzog von Broglie, den Grafen wissen, daß kein französisches Blatt ermächtigt sein werde, das Manifest zn veröffentlichen.
Trianon. (Prozeß Bazaine.) Der Regierungskommissar General Ponrcet hat auf strikte Anwendung des Milltärstiasgesetzbuches, d. h. auf militätische Degradation und Todesstrafe gegen Marschall Bazaine angetragen. Er führte aus, daß der Marschall nicht bloß Schwäche und Unerfahrenheit an den Tag gelegt habe, sondern daß ein strafbarer Ehrgeiz und pflichtvergessener Egoismus die Triebfeder sein« Handlungsweise gewesen sej. Die Kapitulation von Metz habe einen harten Friedensschluß unvermeidlich gemacht, indem sie mit einer gewaltigen Festung und einem unermeßliche» Kriegsmaterial die große Armee, welche seit d« Niederlage von Sedan fast noch allein die or- ganisirte Streitmacht Frankreichs auSmachte, dem Feinde ausliefertc.
Trianon, 7. Dez. (Prozeß Bazaine.) Lachaud fing seine Vertheidigungsrede mit der Behauptung an, Marschall Bazaine habe seine Pflicht erfüllt.
Spanien. Nachdem noch am 5. Dez. von Havanna gemeldet wurde, daß der General-Gouverneur Eeballos nach Madrid tele- graphirte, es sei mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung unmöglich, den Virginius heranszugeben, ist bereits in der Stimmung der Bevölkerung ein vollständiger Umschwung cingetreten und stimmen jetzt viele Spanier der Auslieferung des „Virginius" an Ame rika bei.