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Geiste war auch die Festrede erfüllt, welche der Schriftführer'des Vereins, Hr. Buchbinder Bader von Garmisch, hielt. Festvcrlauf und Rede fanden, wie auch eine bei der Grundsteinlegung des Denkmals von demselben Veteran gehaltene Ansprache, zwar nicht den Beifall etlicher fortschrittlicher Beamten, Se. Maj. der König aber, welchem die Enthüllungsrede überreicht wurde, hatte eine um so größere Freude daran. Se. Maj. ließ den Festredner zu sich bescheiden, unterhielt sich mit, demselben in ^stündiger Audienz ans das leutseligste, und bemerkte u.A.: ^Er, der König, habe seine Gesinnungen seinerzeit der Füßener Deputation gegenüber ausgesprochen; Zeüunzen hätten versucht zu'Nhaüpten: jene 'Work seien nicht gesprochen worden: „Ich habe sie gesprochen, damit das Volk erfahre, was ich will." Bei dem Fest in Garmisch waren nur blauweiße Fahnen sichtbar. Der'König lobte das: „Man ehrt Mich nur in Meinen Landesfarben", sagte er, „und in keinen andern." Angesichts der eben erwähnten Thätsäche, daß der Festverlauf etlichen fortschrittlichen Spitzen nicht genehm war, bemerkte Se. Maj., daß er die baicrischen Beamten bezahle, nicht ein anderer Fürst, und daß folglich jene ihm, dem König, Gehorsam, Treue und Anhänglichkeit schulden; in Baiern habe man nur einen Fürsten. Se. Maj. sprach sodann die Hoffnung aus, daß das Ge- birgsvolk noch gut bäurisch sei, anderwärts lasse freilich die baierische Ge- sinnung nach, und nehme die preußische zu. Se. Maj., der bereits früher zu dem Denkmal 200 fl. gespendet hätte, ließ sodann dem Veteranen- verin Gar misch abermals 200 fl. zustellen, und machte dem Festred ner eine prächtige goldene Uhr mit goldener Kette znm Geschenk, ihm wiederholt den allerhöchsten Wünsch aussprechend, daß die königlichen Worte, ebenso wie die patriotische Festrede im Volke verbreitet werden milchten."
— Dresden, 1. Nov. Die Beisetzung der Leiche des Königs Johann in der katholische» Hofkirchc hat gestern Abend staltgefunden. Zur persönlichen Theilnahme an der Trauerfeier waren von auswärts viele hohe Fürstlichkeiten hier einrctroffen.
— Berlin, 1. Nov. Der Kaiser hat heute Vorträge nicht entgegengenommen. da der bereits gemeldete Erkältungszustand noch fort- Lauert. Das leichte Unwohlsein hat sich der Kaiser kürzlich bei oer Denkmalsenthüllung auf dem Tegeler Schießplätze zugezozen. — Der Kronprinz ist iu vergangener Nacht aus Dresden wieder hier eilige- troffen.
— Dem „Deutschen Wochenblatt" zufolge wird die Geschäftstheilung 'zwischeil dem künftigen Ministerpräsidenten Fürsten Bismarck nnd dem 'Stcllvrnrcter desselben, Camphaufen, so stattfinden, daß der erstcre sich lediglich an denjenigen Angelegenheiten bethciligt, wo preußische und Reichs Interessen in unmittelbare Berührung treten und wo es nöthig sein mag, prinzipielle Abweichungen zu verhüten, während nn übrigen die Leitung des preußischen Ministeriums vollständig in die Hände Camphausen's gelegt werden wird.
— Berlin, 2. Nov. Nach der „Köln.Ztg." soll für Preußen die Verlegung des Anfangs des Etatsjahres vom 1. Januar auf den 1. Juli definitiv beabsichtigt sein und soll dem Landtag eine hierauf bezügliche Vorlage gemacht werden. Der Reicksetat dagegen soll mit dem 1. April beginnen.
— Berlin, 31. Okt. In einer Versammlung der Wahlmänner des eisten Berliner Wahlbezirks ist der Cultusminister Dr. Falk neben Löwe, Laster, Klotz nnd Parisius auf die Liste der Wahl-Can- dldaten gesetzt. Der Vorschlag, welcher Annahme fand, wurde befürwortet durch den Hinweis, daß die preußische Hauptstadt den Führer im Kampfe gegen Rom zum Abgeordneten wählen sollte.
— Bischof Reinkenö hat unter Bezugnahme auf seine amtlichen Geschäfte dem vierten Berliner Wahlkreis auf eine Anfrage betreffs Ucber- nabme einer Kandidatur ablehnend geantwortet.
— Die „Germania" kommt anläßlich des Allerheiligen-Festes auf die Leiden der Kirche zu sprechen und sagt u. a.: „Es gibt Perioden in der Kirchengeschichte, in welchen die Vorsehung den Plan zu haben scheint, ganze Generationen zu einem heiligmäßigen Leben zu führen. 'Eine solche Periode war die Zeit Christi selbst, die Zeit der Christen- verfolgungen unter den römischen Kaisern und die Gegenwart."
— Posen, 3. Nov. Erzbischof Ledochowski wurde von dem Ober- präsidelucn auf Grund der Maigesetze wegen der Weigerung, die Pfarr- stelle Füehuc anderweitig zu besetzen, zu 200 Thalcr Geldbuße verur- theill. Die zweite Equipage des Erzbischofs wurde durch die Polizeibehörde abgepfändet.
Wien, 3. Nov. Die „Montagsrevue" bestätigt, daß der Kon- flikt zwischen Oesterreich nnd der Türkei anläßlich der bosnischen An- lcgenheit als beigelegt betrachtet werden könne (s.Türkei). Die Pforte babe Len diplomatischen Schritt, welcher hier so unangenehm berührte, in allen Formen deSaoouirt und sich zu jedem Akte diplomatischen Entgegenkommens erboten. — Die Weltausstellung wurde gestern Nachmittags 4 Uhr geschlossen. Das prachtvolle Wetter hatte eine ungeheure
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Menschenmenge hcrbeigczogen; besondere Feierlichkeiten fanden nicht statt. Um 4 Uhr läuteten alle Glocken des Jndnstriegebündes, die Orgeln spielten, das Nebelhorn blies Netraite und vier Musikkorps spielten die Nationalhymne, znm Schluffe erschollen Hochrufe des Publikums.
— Wien, l'ä. Okt. Vorgestern kamen der Graf und die Gräfin Chambord, vollständig reisefertig, nach "Wien, gestern sind dieselben, statt die Reise anzutreten, nach Frohsdorf znrückgekehrt.
Schweiz. Bern, 3. Nov. Heute Mittag ist die zur'Revision der Bundesverfassung versammelte Bundesversammlung eröffnet worden. Sowohl im Nationalrath als auch im Ständerath sprachen die Präsidenten den Wunsch aus, daß das Revisionswerk zu einer neuen Quelle der Freiheit, Unabhängigkeit und Wohlfahrl des Vaterlandes werden möge.
Frankreich. Paris, 2. Nov. Im gestrigen "Ministerräthc fand die erste Lesung eines von Broglie ausgestellten Entwurfes der von Mac Mahon an die Nationalversammlung zu richtenden Botschaft statt. Der Entwurf legt die Nothwendigknt dar, das jetzig? Provisorium ungesäumt zu konsolidiren, aber der Nationalversammlung die Initiative anheimzugeben. — Die Linke macht große Anstrengungen, das linke Cenlrum für dis Wahl Grevy's zum Präsidenten der Nationalversammlung zu gewinnen und dadurch sofort die ko- servative Majorität zu sprengen.
Paris, 3. Nov. Die heutigen Journale melden, der Ministerrath sei heute früh versammelt gewesen nnd sei dahin schlüssig geworden, in Pleno in der Nationalversammlung ohne vorherige Modifikationen zu erscheinen, sogleich die Frage der Verlängerung der Gewalten Mac MahonS auf 10 Jahre zur Entscheidung zu stellen und dann die Demission zu geben, es dem Marschallpräsidenken überlassend, ein neues Kabmet zu bilden. Mehrere Delegirte der konservativen Fraktionen, welche heute früh von Mac Mahon empfangen wurden, hätten sich mit demselben in voller Uebcreinstimmung bezüglich der Dauer der Verlängerung und der constitutwuellen Garantien befunden.
Trianon, 3. Nov. Prozeß Bazaine. In dem heule fortgesetzten Zeugenverhör kam die Frage zur Verhandlung, ob Marschall Mac Mahon die wichtige Depesche Bazcnnc's vom 20. August erhalten habe, worin Letzterer sagt, er habe unter den Mauern von Metz Stellung genommen, werde aber wahrscheinlich nach dem Norden aufbrechen rc. In einer schriftlichen Aussage erklärt Mac Mahon, er habe dieselbe nicht erhallen. Der Oberst seines früheren Generalstabes, d'Abzac, sagt ähnlich ans. Andere Zeugen sagen daaegcn, sie hätten diese Depeschen dem Obersten Stoffel und d'Abzac übergeben, und beharren bei dieser Aussage selbst nach ihrer Confrontation mit d'A° zac. — Die Frage ist noch nicht aufgeklärt und erregt große Sensation.
Spanien. Madrid, 1. Nov. In Carthagena herrschte gestern große Aufregung wegen eines Versuches, die Junta zu ändern. Die Insurgenten nahmen den griechischen Vizekonsul und einen Deutschen Namens Gkrard, welcher der Spionage bezichtigt wurde, fest. Girard suchte die Intervention des deutschen Konsuls nach, um die Freiheit zu erlangen. — Das deutsche Geschwader ist von Malaga nach Carthagena abgegangen. Die deutsche Fregatte „Elisabeth" erhielt telegraphische Ordre, sich demselben anzuschließen. In Cartha- gena sind Demoralisation und Tisciplinmangel aufs Höchste gestiegen. Die Galeerensklaven überwachen aufs aufmerksamste die Führer der Bewegung, aus Furcht, von ihnen verlassen zu werden. — Castclar ist unpäßlich nnd hütet seit gestern das Bett.
Türkei. Konstantinopel, 2. Nov. Zwischen Oesterreich und der Türkei ist wieder volles Einvernehmen hergestellt. Die Pforte hat den Vali von Bosnien und den Kaimakan von GradiSka abgesetzt und den früheren Mutessarif von Banyaluka, Kiami! Bey von seinem jetzigen Posten in Bibach abberufen. Die Pforte hat ferner die bosnischen Flüchtlinge, welche sich nach Oesterreich begeben hatten, amnestirt, und sicy verbindlich gemacht, die anderweitigen Ursachen der jüngsten Differenzen zu beheben.
Konstantinopel, 3. Nov. Eine weitere Gemigthmmgs- schrift der Pforte an Oesterreich soll bestehen in dem Erlaß einer schriftlichen Note, worin die Regierung der Pforte die Veröffentlichung des Memorandums bedauert, dieselbe mit der Nothwmdigkeit der Ver- theidigung gegen Angriffe der Presse.entschuldigt und eine veränderte Regierungspolitik in Bosnien in Aussicht stellt. Beiderseits wird der Konflikt als völlig erledigt angesehen.
Rußland. Pctersb urg, 31. Olt. Der russische Kommandant in Khiwa meinet, daß ihm wichtige Papiere eines englischen Militäragenten in Khiwa in die Hände gefallen sind, die das Londoner Kaöinet in Bezug auf sein Verhalten dem riissisch-khiwesischen Kriege gegenüber sehr kompromittiren. Die Papiere sind »ach Petersburg unterwegs, »m vom Ministerium des Aeußern benutzt zu werden- ci ven A. Leischic, ge>