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zöglingen und Besoldung der evangelischen Volksschullehrer finde» keine Beanstandung. Für die Adjunkten der BezirkSschulmspcktoren sind statt früherer 1500 fl. nur noch 1100 fl. exigirt. Uhl beklagt die seltene Beiziehmg von Lehrern zu den Schulprüfungen und bean> tragt: 1) der Regierung die Bereitwilligkeit für Bewilligung einer Nachrxigenz von 400 fl. auszudrücken, 2) die Regierung zu ersuche», sie wolle die Anordnung treffen, daß die Beiziehung von Lehrern zu den Schulprüfungen in möglichst ausgedehnter Weise erfolge»- Nach- einem kurzen Geplänkel zwischen Mehl einer» und v. Hauber und v. Daunecker andererseits-werden beide Anträge Uhl's abgelehnt. Gelegentlich der Exigenz für die Waisenhäuser spricht sich Schwarz gegen die auffallende Kleidung der Waisenhanszöglinge aus und fragt an, ob es nicht zweckmäßig wäre, das Stuttgarter Waisenhaus irgend­wo andershin zu verlegen. Freih. v. Ow erinnert an seine früher vorgebrachten Gründe zur Wegverlcgung des Stuttgarter Waisenhauses. Wächter: Die Wegverlegung sei stistungsgemäß nicht möglich, die Zöglinge hätten in Stuttgart eine bessere Bildungsgelegenheit, zur Er­leichterung der Aufsicht sei eine auffallende Kleidung erforderlich, und der Wohlthätigkeitssinn der Einwohner Stuttgarts werde eher geweckt, wenn sie die Waisen täglich vor Augen haben. Prälat v. Hauber betont, daß der Sparhafen der Waisen hier selbst reicher dotirt werde, als anderwärts, ehemalige Zöglinge des Waisenhauses befinden sich in den höchsten Stellen. Mohl unterstützt die Ausführungen der beiden Vorredner. Retter ist für Wegverlcgung des hiesigen Waisenhauses, welches anderswo mit einem Oekonomiebetrieb aus gestattet werden sollte. Hopf plaidirt für die konfessionslosen Schulen, worauf der Minister erwiedert, Hopf solle eine Motion einbringen, auf so allgemeine Be­merkungen könne er nicht antworten. Hierauf werden die Exigenzen für die Erziehungshäuser, Taubstummen» und Blindenanstalten geneh» migt. (Schluß folgt.)

^ Stuttgart, 28. Olt. Gestern Vormittag 9 Uhr ist die neue Olgaschule, eine ganz aus die erprobten Grundsätze des Katha- rinenstifts gegründete Stiftung I. Maj. der Königin Olga, mit 150 Schülerinnen von 616 Jahren feierlich durch Gesänge eines Töch­terchors, durch Rede und Gebet des erwählten Vorstands, Professor Gutekunst, in Gegenwart Ihr. Maj. der Königin und I. K. Hoh. der Großfürstin Vera, sowie einiger Geladenen, feierlich eröffnet worden. Als dann sämmtliche Lehrer und Lehrerinnen vorgestellt waren, wandte sich Ihre Majestät selber an die Versammelten, unter welchen auch viele Eltern der Kinder waren, und sprach erhebende Woi^e über das erfreuliche WacySthum des Katharinenstifts, welches die - Gründung einer neuen Anstalt nöthig gemacht habe; über den christlichen Grund, auf den sich die neue Anstalt zn stellen habe; über die Aufgabe, welche auch sie für die in gegenwärtiger Zeit so wichtige Erziehung der weiblichen Juzend zu erfüllen habe. Nachdem die hohe Frau mit ihrer Begleitung Einsicht von den Klassenzimmern, sowie von dem Garten genommen hatte, und sich hiebei theils mit einzelnen Kindern, besonders mit den kleinsten, aufs freundlichste unterhalten, theils ihre Freude über die wohlgelungene Einrichtung ausgedrückt hatte, schied Ihre Majestät mit den huldvollsten Wünschen für das Wohl der Anstalt.

Stuttgart, 28. Okt. Dem Vernehmen nach hat die Mn» fizenz Sr. Maj. des Königs die Möglichkeit eröffnet, daß auch im bevssflehenden Winter wieder öffentliche Vorträge im Königsbau ge­halten Werden. Die Zahl derselben wäre nach dieser Mittheilung wie vergangc.es Jahr aus 7 bemessen. Nach 'vorläufigen Bestimmungen soll Prof. v. Rüstige den ersten der Vorträge halten. (Schw. M.)

_ Im Nordwesten der Rheinprovinz wurden in den Tagen vom

19 _ 22 . Okt. wiederholt Erderschütterungen verspürt. Am stärksten

war die Erschütterung am 22. Oktbr. In größter Stärke scheint der Sto in Herzogenrath nördlich von Aachen sich geltend gemacht zu hab'i-

^asMainze r Journal", das Organ des Erzbischofs v. K.reler, bringt ein offenes Schreiben an den Kaiser, welches sich .gen die Stelle des kaiserlichen Briefes richtet, die von den staats- feindlichen Umtrieben einer katholisch-politischen Partei und von dem Anschluß höherer katholischer Geistlichen an diese Bewegung sprach. Am Schluß des offenen Briefes heißt es:Staatsfeindliche Umtriebe" ha« ben.Ew. Majestät im Angesichte Europas uns vorgeworfen. Ent­weder bewegt sich unsere Agitation innerhalb der Schranken der Ge« setze, und dann waren Sie nicht berechtigt, uns diesen Vorwurf zu machen, oder sie geht über diesen Boden hinaus, und dann begründen staatsfeindliche Umtriebe das Verbrechen des Hochverrates. Nun denn, Majestät, befehlen Sie Ihrer Regierung auf Grund der That- sachev, die Ihnen ja Angesichts eines solchen Vorwurfs zu Gebote stehen müssen, unsere Führer als Hochverräiher vor Gericht zu stellen. Nachdem Sie einen so furchtbaren Vorwurf gegen die Ehre, gegen die Integrität des Charakters, gegen die Loyalität ihrer Gesinnungen ge»

schleudert, gestatten Sie wenigstens diesen Männern, Ihnen zu. beweise^, wie übel Skr berichtet waren!"

Köln, 23. Okt, Erzbischof Melchers ist bis jetzt durch Ein ­setzung von Geistlichen ohne die gesetzlich bestimmte Anzeige bei dem - Oberpräsidenten in ungefähr 15 Prozesse verwickelt.

Köln, 27. Okt. Vorder Korrektionskammer des Landgerichts wurde heute gegen den Erzbischof Melchers wegen gesetzwidriger An» stcllung von Geistlichen in 6 Fällen in contumaciam verhandelt. Der Staatsanwalt beantragte in jedem Falle Verurteilung zu500Thlr., eventuell 4 Monate Gefängniß, der Gerichtshof erkannte ans jd. 200 Thlr., eventuell 2 Monate Gefängniß.

Berlin, 26. Okt. Der Kaiser ist gestren Nachmittag von Wien, über Muskau kommend, hierher zurückgelehrt. Fürst Bis­marck und der Hofmarschall des Kaisers Graf von Perponcher sind vorgestern hier eingetroffen. Fürst Bismarck reiste hcnte nach Varzin.

Berlin, 28. Okt. DerStaatsanzeiger" meldet: Dem Kai­ser sind sowohl in Baden-Baden als auch noch in Schönbrunn zahl­reiche Zustimmungs - Telegramme aus dem deutschen Reiche zu dem. Antwortbriefe auf das Schreiben des Papstes zugegangen.

Berlin, 27. Okt. DieNordd. Allg. Ztg." erörtert den Anspruch des Papstes, daß alle Getauften ihm angehören, und zeigt durch Anführung geschichtlicher Thatsachen, daß er seit drei Jahrhun- derten unpraktisch geworden sei. Der Anspruch wäre heute noch prak» tisch, wenn nicht deutsche Gesetzgebung, wogegen die Päpste stets pro- tcstirtcn, dafür gesorgt hätte, daß aus den Principicn des Vatikans nur diejenigen Konsequenzen gezogen worden seien, welche wir Deutsche vertragen. Weil die Kurie Alles wollen muß, könne ihr niemals Alles, was sie begehrt, gewährt werden. Die Antwort des Kaisers sei keine beschränkt konfessionelle, sondern stehe auf dem Standpunkt der katho­lischen und evangelischen Fürsten Deutschlands der letzten drei Jahr­hunderte und auf alter Rechtsgrundlage, dem deutschen Religionsfrie­den. Zu allen Konfessionen sprechen aus den Worten des Kaisers an den Papst Religionsfreiheit und Religionsfriede. Bischof Rein- kens wurde heute vom Kaiser in Audienz empfangen.

Breslau, 26. Okt. Ein in derSchles. Volkszeitung" veröffentlichter Hirtenbrief des Fürstbischofs von Breslau ermahnt zu eifriger Thcilnahme an den Wahlen und fordert auf, Männer zu wählen, welche die unveräußerlichen Rechte der Kirche nicht prcisgcben und dem Herrscherhause unerschütterliche Treue bezeugen, aber nicht mit einem Verrathe gegen das Oberhaupt der Kirche.

Posen, 24. Okt. Erzbischof Ledochowski hat unter dem 26. Sept. an den Neligionslehrer Schröter ein zweites Schreiben gerich­tet, in welchem er demselben eine nochmalige 3wöchentliche Frist ge. währt, innerhalb dereneine sorgsame Erwägung ihm den Widerspruch zwischen den in der Adresse an den Kaiser enthaltenen Aeußerungcn und der Lehre der katholischen Kirche klar machen und über das durch . seine Unterschrift gegebene Aergerniß keinen Zweifel übrig lassen solle."

Wien, 28. Okt. In der Umgebung des Grafen Chambord betrachtet man, wie die heutigeNeue Fr. Presse" aus Frohsdorf er­fährt, die Restauration als zweifellos. Die Rathgeber Chambord's seien mit der Abfassung einer Proklamation an das französische Volk beschäftigt, Reise-Vorbereitungen nach Paris werden getroffen, Cham­bord selbst begibt sich in den nächsten Tagen in die Nähe der franzö­sischen Grenze, um die weiteren Ereignisse abzuwarten.

Frankreich. Paris, 26. Okt. Wie verlautet, hätte der Mar­schall-Präsident Mac Mahon einem ihn besuchenden Diplomaten ge­genüber geäußert, daß die seinen Worten durch die bonapartistischen Jour­nale gegebenen Auslegungen durchaus unrichtige seien; er sei fest ent­schlossen, mit dem Kabinete zurückzutreten, wenn die Linke der Natio­nalversammlung wieder die Majorität erlangen sollte, dagegen würde er selbst bei etwaiger Ablehnung der monarchistischen Propositionen auf seinem Posten bleiben können, wenn die bisherige Majorität sich trotzdem wieder gegenüber der Linken formirte.

- Ve rs a ille s, 28. Okt. Gestern sind Hierselbst 3 Deputatio­nen aus den Provinzen angekommen, indeß von dem Marschall-Prä- sidenten nicht empfangen worden. Einer von ihnen, welche erklärt hatte, daß sie für die öffentliche Ordnung nicht einstehen könnte, wenn die Monarchie proclamirt würde, wurde erwiedert, daß die Regierung keine Furcht habe und für die Anfrechthaltung des öffentlichen Frie­dens sich verbürge.

Trianon, 27. Okt. Prozeß Bazaine. Als wichtigster Punkt der heute abgegebenen Zeugen-Aussagen ist hervorzuheben, daß Bazaine am 6. August den Divisionsgeneralen den Befehl ertheilte, den Ge­neral Frossard zu unterstützen. Aus den Zeugenaussagen ergibt sich, daß weder Bazaine noch Frossard für die Nichtausführung dieses Be-

I fehls verantwortlich zu^machen ist.

ReLtgin» gedrückt und «erlegt von A. OelschlSgc