424

nach reiflicher Erwägung aller in Betracht kommenden politischen und staatsrechtlichen Momente zur Anerkennung entschlossen. Die Sanc- tion des Kaisers steht noch aus. Sobald dieselbe erfolgt ist, wird der Beschluß in formeller Gestalt an die Oeffentlichkeit treten, was in ungefähr 14 Tagen zu erwarten sein dürste. Man ist hier in kom­petenten Kreisen überzeugt, daß Baden dem preußischen Beispiel bald Nachfolgen wird.

Posen, 5. Sept. Das amtlicheKircyenblatt für die Erz- diöcesen Gnescn und Posen" bringt zur offiziellen Kenntniß der Geist­lichkeit die letzte päpstliche Allocution vom 25. v. M., worin die katholische Christenheit unter Hinweis auf die sich täglich steigernde Kirchenverfolgung aufgefordert wird, Gott durch unablässiges Gebet fromme Gewalt anzuthun. Dieser Publication ist die Bemerkung hinzugefügt, daß der Erzbischof sich die Bestimmung des Tages, an welchem die vom Papst anbefohlcnen öffentlichen Gebete für die ver­folgte Kirche abgehalten werden sollen, für eine gelegenere Zeit vorbe­hält. Wir haben also in unserer Provinz eine zweite Auflage von demonstrativen Noth- und Flehgebeten zu erwarten.

Berichten aus Posen zufolge wären auf eine Anfrage des Erz­bischofs Ledochowski, ob die Geistlichen mit der bisherigen Haltung ihres Oberhirten einverstanden seien, von mehr als der Hälfte gar keine, von einer beträchtlichen Zahl ausweichende Antworten eingetroffen.

Breslau, 7. Sept. Heute Vormittag 11 Uhr ist dahier ein neugebautes, schon bewohntes Haus in der Nikolai-Vorstadt eingestürzt, wobei mehrere Personen verunglückten.

Cöln, 8. Sept. Gestern traf die letzte Rate der französischen Kriegsschuld, bestehend in 74 Millionen Silber und 24 Millionen Papier, mittels Extrazuges aus dem hiesigen Central-Personenbahnhofe ein. Die ganze Summe wurde hier abgeladen und dem Reichspost­amte übergeben.

Wegen der in Lnneville an Deutschen verübten Attentate der französischen Bevölkerung ist, so wie bei dem neulichen Fall zu Pont- L-Moussoii, sofort Beschwerde bei der französischen Regierung geführt worden- Eine energische Bestrafung der Exzcdenten würde doch viel­leicht eine, wenn auch nur vorübergehende Wirkung erzielen. Mögen sich übrigens die Deutschen, welche ein besonderes Vergnügen im Reisen nach Frankreich erblicken, diese Fälle als Warnung dienen lassen. Zumal wer sich in einer deutschen Uniform unnöthigerweise auf fran­zösischem Gebiete bewegt, hat etwaige Beleidigungen und Tätlichkeiten gegen seine Person zur Hälfte der eigenen Unvorsichtigkeit zuzuschreiben.

Wien, 7. Sept. DasTelegraphen-Correspondenz-Bureau" erfährt aus authentischer Quelle, daß der König von Italien bereits um 17. d. zu einem viertägigen Aufenthalt hier eintrifft.

Der König und die Königin von Dänemark »werden die nächsten hohen Gäste sein, welche die Weltausstellung besuchen. Ihre Ankunft in Wien wird um den 16. d. in Aussicht gestellt.

Frankreich. Paris, 8. Sept. Gestern wurde in allen Kir» chen ein Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris verlesen, worin Gebete für die Kirche und den Papst angcordnet werden. Der Hirtenbrief enthält heftige Auslassungen gegen die deutsche und italienische Regierung.

DerUnivers" sagt den Protestanten in Frankreich uuverblümt, sie haben in Frankreich, dem Land de- allerchristlichsten Königs, nichts zu schaffen.Sie haben, was dazu gehört, um den germanischen Eindringlingen zu gefallen, und der große Preuße wird sie mit offe­nen Armen aufnehmen."

Italien. Rom, 7. Sept. Das von mehreren Zeitungen ge­meldete Unwohlsein des Papstes war ein leicht vorübergehendes und ist derselbe bereits wieder genesen. Die Cholera ist allerwärts im Abnehmen.

Spanien. Madrid, 7. Sept. Castelar ist mit 133 St. gegen 67, welche Pi erhielt, zum Präsidenten der Executivgewalt gewählt.

Madrid, 9. Sept. Nach der iu der Cortessitzung mitgetheiltcn Ministerliste ist das neue Ministerium folgendermaßen zusammengesetzt: Castelar (Präsidium ohne Portefeuille), Carvajal (auswärtige Ange­legenheiten), Del Rio (Justiz), Pedregal (Finanzen), Gil Beiges (Ar­beiten), Orciro (Marine und interimistisch auch Krieg), Maisonnave (Inneres), Soler (Colonien). Castelar wurde bei seinem Eintritt mit den Ministern beifällig begrüßt. Er erklärte, er repräsentier zwar die Föderativrepublik, über allem stehe aber die Einheit des Landes. Castelar entwickelt sein Regierungsprogramm und spricht sich gegen die Demagogie aus. Er fordert die Unterstützung aller Libe­ralen gegen die Karlisten und will zur Wiederschaffung der Armee die Kriegsartikel strengstens, aber ohne Grausamkeit anwenden. Er zählt hie übrigen angestrebten Reformen auf und betont, Europa werde die spanische Republik nur anerkennen, wenn dieselbe den Gesetzen Ge­horsam verschaffen könne.

Madrid, 8. Sept. Das neue Ministerium wird zunächst eine

Militärjunta" ernennen, welche aus Generalen bestehen und in Ge­meinschaft mit dem Kriegsministerium alle Stellen besetzen soll. Auch die Reorganisation der Artillerie soll diese Junta vornehmen.

Madrid, 8. Sept. Castelar beabsichtigt dem Vernehmen nach 150,000 Reserven einzubcrnfen und 500,000 Milizen zu bewaffnen, um den Bürgerkrieg schleunigst zu beendigen. Die letzten Carliftcn- siege reduciren sich, Regierungsnachrichten zufolge, auf unbedeutende Scharmützel. Nach einer Verfügung der carlistischen Befehlshaber in Biscayü? sollen Diejenigen, weiche Sonntags der Messe nicht beiwoh­nen, mit körperlicher Züchtigung bestraft werden. Serrano, San« chez, Bregua und Olozaga sind hier eingetroffen, Sagasta wird morgen erwartet.

Amerika Neu-Aork. 7. Sept. Zn Galveston, Houston und Shreevcport ist das gelbe Fieber ausgebrochen. Ganze Familien fliehen; die Geschäfte stehen still. Havanna, 7. Sept. DaS Häuserviertel auf Plaza Vapor ist durch Feuersbrunst zerstört. Man glaubt an Brandstiftung, da das Feuer auf allen 4 Ecken akeick,zei­tig ausbrach. 20 Todte. Verlust 8 Mül. Dollars.

Halifax, 7. Sept. 56 Schiffe sind hei ^

Insel Cap Breton gescheitert in Folge des letzten Sturmes.

In San Franzisko wird nach wie vor der u^ör>.udste Menschenhandel getrieben. Alle paar Wochen fährt ein Schiff voll Chinesinnen in den Hafen ei», die an die Eigenthümer schlechter Häuser zu 300 Dollars per Kopf abgeliefert werden. Die Unternehmer, welchen die Chinesinnen auf 80 Dollars per Kops zu stehen kommen, machen dabei glänzende Geschäfte. Uebrigens hat denn doch dir Schamlosigkeit, mit der eine solche Auction am Hellen Tage nmlich unter den Augen des Publikums und der Polizei abgehalten wurde, unter den Bewohnern der Stadt etwelche Aufregung hervorgebracht.

(Ein sicheres Zeichen de« eingetretenen Todes.) Unter dieser Ueberschrift hat Dr. Magnus in Breslau iu Virchow's Archiv ein sehr einfaches Verfahren angegeben, das darin besteht, daß man den Finger des auf Leben oder Tod zu Prüfenden mit einem Faden recht fest und straff umschnürt. Am Lebenden wird man alsdann wegen des nicht aufgehobenen Blutkreislaufs in kürzester Zeit ein Rothwer- den des abgeschnürten Theiles beobachten; tritt diese Färbung nicht ein, so ist bestimmt der Tod anzunehmen. Ist die Haut der Finger zu verhornt, so wählt man zu dem Versuche eine Zehe oder das Ohr­läppchen. Da die unsterbliche Seele ihr sündiges Leibeslokal be­kanntlich ohne jeden Spektakel gleichsam wie ein Dieb iu der Nacht zu verlassen pflegt uud die sichersten Todeszeichen erst ver- hältnißmäßig spät auftreten, so kann es sogar für den Arzt unter Um­ständen schwer sein, zu entscheiden: ist der Mensch todt oder nicht? Bei der enormen Wichtigkeit, welche die Entscheidung dieser Frage im concreten Falle haben kann, muß daS angeführte Experiment auch dem praktischen Arzte als Bereicherung seiner diagnostischen Hilfsmittel nur willkommen sein.

Literarisches.

Eine der ältesten illustrirten Zeitschriften, dieIllustrirte Welt" (Stuttgart, Verlag von Eduard Hallberger), welche in mehr als hunderttausend Exemplaren verbreitet ist und mit Recht des Rufes eines echten Familienblattes sich erfreut, hat sich jüngst?« ihrem Eintritt in das dreiundzwanzigste Jahr in überraschendster Weise verjüngt, das heißt verschönert und vergrößert, ein Beweis, daß Re­daction und Verleger sich nicht mit den großen Erfolgen einfach ge­nügen lassen, sondern beständig und in uneigennützigster Weise darauf bedacht sind, dem Publikum immer Besseres, Schöneres und in rei­cherer Fülle ?u bieten. DieIllustrirte Welt" erscheint fortan in größtem Foliosormat, kann somit ihren Lesern größere und präch­tigere Bilder geben und fast doppelt so viel Lesestoff bieten. Bilder und Inhalt des Blattes gehörten bislang schon zum Schönsten, Ge­diegensten und Anziehendsten , was der deutschen Lcsewelt geboten wird : um wie viel mehr jetzt I Ein Blick in die ersten Hefte überzeugt uns davon: sie überraschen uns wirklich durch die Pracht ihrer äußeren Ausstattung, durch die großen, gut gewählten, von den ersten Zeich­nern, den besten Holzschneidern gelieferten Bilder, fesseln uns noch mehr, wenn wir uns Hineinlesen, durch die unterhaltenden, spannenden Romane und Erzählungen, regen durch die belehrenden Artckel an, er­heitern und» zerstreuen durch das bunte Allerlei. Mit Ungeduld erwartet man die nächsten Hefte und damit die Fortsetzung der abgebrochenen Geschichten. Dazu bietet die Verlagshandlung noch als Prämie einen großen Prachtstahlstich, ein Kunstblatt ersten Rauges,Friede­rike" von Sesenhcim von W. von Kaulbach! Wir sprechen unsere feste Ueberzeugung aus, die Illustrirte Welt muß sich in dieser neuen prächtigen Gestalt neue Freunde erwerben, und Freunde, die ihr so treu bleiben wie die bisherigen. Sie verdient es!

Redigirr, gedruckt und verlegt von A. OelschtSger-