den vatikanischen Dekreten, mit Uebergehung aller kanonischen Form, »hne Admonition, ohne Suspension, ohne peremptorische Frist rc. so- fort für exconununicirt, degradirt und unter Zurückforderung der päpstlichen Bestallung des Canonicates verlustig erklärt hat. Man perinulhet, daß der Fürstbischof durch dieses summarische Verfahren der Wirkung der eben erst publicirten kirchcnpolitischen Gesetze uoch znvor- jiikoiuiuen hofft, was ihm aber bei einem vom König ernannten Domherrn denn doch mißlingen dürfte, da dieser auch ohne die kirchenpolitischen Gesetze gegen solche Vergewaltigung Schutz finden wild.
— Beim Galadiner am Eröffnungstage der Wiener Weltausstellung hatte Kaiser Franz Joseph Gelegenheit, seine erstaunlichen Sprachkennc- nisse zu verwerthen. Mit gleicher Geläufigkeit und Wortbcherrschuug con- versirtc er nacheinander deutsch, französisch, italienisch,, ungarisch, polnisch, englisch und spanisch. Der deutsche Kronprinz hörte eine Weile mit aufrichtiger Bewunderung zu, dann wandte er sich an den Kaiser mit der Bemerkung: „Ew. Majestät beschämen ja einen Mezzofami." Der Kaiser erwiedcrtc lächelnd: „Ja, wenn man Monarch eines polyglotten (vielsprachigen) Staates ist, da ist das Pflicht.*
— Bis jetzt scheinen zu der Wiener Weltausstellung die, welche inan gern hätte, noch ausznbleiben, aber sehr viele von denen zu kommen, die man überall gern los sein möchte. Zur Notiznahme ist von London ein interessantes Album mit mehr als 500 Photographien der berüchtigtsten englischen Taschendiebe eingegangen mit einer kurzen Gebrauchsanweisung unter jedem Bilde, d. h. mit Bezeichnung der Art und Weise, wie der Betreffende seine Gesckäfte zu machen pflegt. Auch Berlin hat ähnliche Personen- und Lebensbeschreibungen eingesen- der, die recht gute Dienste leisten. Ein besonders einträgliches Geschäft fing sich auf der Pferdebahn zu entwickeln an, wo die Herren Berliner zu drei und vier Platz nahmen; der änßerl-ch Respektabelste begann in brutalster Weise Streit mit den andern Passagieren und seine Genossen untersuchten in dem allgemeinen Wirrwarr die Taschen ihrer Rebenmenschen. Doch auch die Erfrischnngsanstalten des Aus- slellungsplatzes sollen hinter solchen Bestrebungen nicht Zurückbleiben. In der Hanplallee des Praters fühlte ein Spaziergänger plvtz'ich eine fremde Hand in seiner Tasche und stand, sich rasch umdrehend, einem ziemlich elegant gekleideten Herrn gegenüber. „Bemühen Sie sich nicht", sagte er trübe, „ich komme so eben — aus der russischen Re- staurationl" „Pardon!" rief der Andcrc erschrocken, „das habe ich nicht gewußt!" Er lüftete den Hut und verschwand.
Schweiz. In Basel ist vor einigen Tagen der weit und breit bekannte Sqntzenköiiig Knu y gestorben. Durch seine unübertreffliche Schießknnst hatte er sich ein Vermögen von ca. 40,000 Frcs. erworben und wollte eben heirathcn, als ihn der Ted ereilte.
Frankreich. Paris, LI. Mai. Der Mnth der Rechten ist durch ihre gestrige» Erfolge befestigt, und ssie gedenkt gerade auf ihr Ziel loszugehen. „Der r-rmee haben wir uns versichert", äußerte gestern ein hervorragender Legitimist. — 22. Mai. Die Trrippen von Paris und Umgegend waren am heutigen Feiertage nicht consignirt; die Regierung befürchtete, sic unmnthig zu machen. Die parlamentarischen Vereine Union Nepublicaine und linkes Centrnm haben ein großes Directionö-Eomilö gebildet, um den Manövern der Rechten entgegen- zulretcn und für alle Ereignisse bereit zu stehen. Pays kündigt an, daß die Bonapartisten von den Royalisten feierliche Erklärungen erhalten hätten, die ihnen gestatteten, sich morgen am Kampfe gegen die Regierung zu betheiligen. Die Führer der Rechten scheinen seit gestern sich nicht mehr des Sieges sicher zu fühlen. Sie thun Schritte bei Thiers, um ihn zu Unterhandlungen zu bewegen. Thiers wies ihre Anträge zurück; er glaubt seit der Wabl Marte-.'S an den Sieg der Regierung.
Versailles, 23. Mai, Abends. In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung war ThierS und alle Minister zugegen. Ter Justizminister Tnfaure thcilt den Beschluß des Ministerraths mit, worin erklärt wird, die gestellte Interpellation berühre die Vcr- antwortlichkcit des Präsidenten der Republik, welcher sonach von seinem
Nothwendigkcit betont, die Republik als Rcgierimgsform zu er kläre», und das Schädliche eines neuen Provisoriums anseinandcrsetzt. „Es gibt in Frankreich nur einen Thron, und drei sind, die ihn einnehmen möchten". Seine Politik sei konservativ. Um 5 Uhr Abends hielt die Nationalversammlung eine neue Sitzung, worin Er- noul folgende Tagesordnung einbrachle: „Die Nationalversammlung, in Erwägung, daß die Negiernngsform nicht in Rede steht, und daß es darauf ankommt, das Land zu beruhigen, indem inan eine entschieden konseivalive Politik zur Geltung bringt, bedauert, daß die neulichen Minister-Veränderungen den konservativen jJnteressen nicht di: Befriedigung gegeben haben, welche sie das Recht halten zu erwarten". Du« saure erklärt, daß das Kabinct nur die einfache Tagesordnung gn« nehme, diese wird aber mit 362 gegen 348 St. abgelchnt.
Versailles, 25. Mai. (Extrbl. d. St.A.) Die Nallonal- versamalnng nahm gestern Nacht das Ernoul'sche Tadelsvotum gegen die Regierung mit 360 gegen 344 Stimmen an. Ter Viccprüsident des Ministerraths, Dnfaure, kündigte einige Zeit hernach an, das Ministerium habe seine Entlassung eingereicht und Thiers habe sie angenommen; ?er verlas zugleich eine Botschaft Thiers', worin derselbe seine Entlassung alsPrüsident der Re» publik einreicht. Seitens der Rechten wird darauf sogleich der An» trag emgebracbt, zur Wahl eines Nachfolgers' zu schreiten, zuvor aber wird noch ein Antrag der Linken, besagend, daß die Nationalversammlung die Demission Thiers' nicht an.rehme, mit 368 gegen 339 Stimmen verworfen. Darauf wird Marschall Mac Mahon mit 390 ' Stimmen gegen Grövy, den Kandidaten der Linken, zum P rä si« deuten der Republik proklamier. Um 1l^ Uhr zeigte Buffet an, daß Mac Mahon die Präsidentschaft, nicht ohnc Widerstrebcn, angenommen habe. Die gegenwärtigen Minister verbleiben in ihrem Amte, bis die neue Ordnung der Dinge eingetreten sein wird- (Wagner's Bureau).
Mitternacht. Als die Dcpntirt.n nach beendigter Sitzung das Sitzungsgebände verließen, wurden sie in der Nne des Reservat« res durch eine Volksmenge mit den Rufen, cs lebe Thrers, es lebe die Republik, empfangen. Die Wenge zog darauf zum Präsident- schaftsgebände, mo sie einige Augenblicke vor dem Gitter verblieb und die Hochrufe auf Thiers erneuerte. Dann ging die Menge friedlich auseinander.
Paris, 24. Mai, ll Uhr 45 Min. Deputiere, Mitglieder der Union röpudlicninv (äußerste Linke), haben folgendes Manifest unterzeichne!: „Bürger! In der Situation, welche für Frankreich d-D di- gegenwärtige politische Krisis bereitet ist, ist es von der ho Wichtigkeit, daß die Ordnung nicht gestört werde. Wir beschworen Euch, Alles zu vermeiden, was dazu beitragen würde, die öffenuiche Erregung z» vergrößern. Niemals ist die vollständigste Ruhe nöthi- ger gewesen. Bleibt ruhig, da cs sich um das Wohl Frankreichs und der Republik handelt."
Ein Telegramm ans Brest meldet, daß das französisch« atlantische Kabel, welches am 20. April zwischen Brest und^ St. Pierre eine Unterbrechung erlitt, erfolgreich reparirt wurde. ,'
Italien. Nom, 2t. Mai. Eine Versammlung der Kardinale im Vatikan beschloß bezüglich der Haltung des päpstlichen Stuhles gegenüber dem Klostcrgesetzc: Der päpstl. Stuhl müsse jede Bezah« lung zur Erhaltung seiner Beziehungen mit den fremden Ordeiishäu- scrn ablehnen; die Ordensgcnerale müssen von dem freien Affociations« recht Gebrauch machen; die katholische Kirche Italiens müsse sich or« ganisiren, um den Liberalismus zu bekämpfen.
Rom, 23. Mai. Die „Italienischen Nachrichten" melden, daß der Papst dem Jesniteiigeneral den Vatikan zum Aufenthalt angeboten und beschlossen habe, neue Kardinale zu ernennen, deren Namen aber noch unbekannt seien. Kardinal di Pietro werde wahrscheinlich den Kardinal Staatssekretär Antonelli ersetzen. Nach dem genannten Blatte
Recht zu sprechen Gebrauch machen w.rd. Ter Herzog von Broglie! ^ "'"Sst eme Bulle unterzeichnet, durch welche d.° B-.
greift dasKabiuet an, welches in seiner neuen Umgestaltung das 2and /'b" das Konkiov-g-andertwurderu T.e Ge,nndheü des
nicht beruhige, und Konzessionen an die Radikalen darstelle Es seien P°p^ S"t. d"'-lb- empfang- zahlreiche Personen, konservative Akte, nicht blos Erklärungen nöthig. Die Reglern, iz! Amerika. Ein New-Yorkcr Telegramm vom 19. d. meldet, daß
solle sich an die Spitze der konservativen Parteien stellen. Tufaureiw Panama eine Revolution ansgebrochen sei und ei» Kampf zwi- gibt zu. daß in den jüngsten Wahlen Gefahren liegen, »nd tadelt schwer scheu der Staatsmiliz i.nd im Nationaltruppcn stattgefunden habe.
die radikalen Doktrinen. Er sagt: „Wir halten jetzt den entscheiden den Augenblick für gekommen, die konservativ-republikanische Negierung zur Anerkennung zu bringen". Buffet verlest die Botschaft ThierS', worin dieser verlangt gehört zu werden; Dnfaure verlangt im Namen Thiers', daß die Si: nng ans morgen vertagt werde. Die Versammlung vertagt die Sitzung bis morgen Vormittag 9 Uhr.
Versailles, 24. Mai, 2 Uhr Nachmittags. (Extrbl. d. St.A.) Thiers hielt in der Verhandlung der Nationalversammlung
Aber die Interpellation der Rechten soeben eine große Rede, worin er die! um cs anzugreifen.
NedzirrDgednlckt mrd verlegt »ou S. OelschlSger.
Der amerikanische Admiral Steedmann beschützte m't dem Flaggenschiffe „Pensacola" die Fremden und deren Brsitzthnm, sowie die Panama Eisenbahn. Seinem Nathe zufolge vereinigten sich beide Parteien und ernannten Oberst Pernet bis zur Znrückberufimg von General Reyra zuin Präsidenten.
Asien. Cm Tcleg.amm des „Bureau Reuter" aus Singa- pore vom 15. dS. meldet, daß dem Vernehmen nach 10,000 BattakS und Chinesen auf Dcli an der Ostküstc von Sumatra marschiren.