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t, offiziell, eine Berichtigung über den vielfach unrichtig angegebenen Stand der für den Kriegsfall zu errichtenden Reserve-Batterien er­folgt. Derselbe wird nämlich nicht, wie irrthümlich verbreitet worden ist, 150, sondern 54 Batterien betragen, was wie bisher 3 Batterien auf das Armeekorps entsprechen würde. Ob sich eine weitere Steige­rung der Zahl dieser Batterien in Zukunft zulässig erweisen sollte, wird in Rücksicht auf die zu dieser Neuformation erforderlichen Offi­ziere und Mannschaften vorerst noch als auSstehend bezeichnet. Es treten durch diese 54 Reserve-Batterien für den Kriegsfall der deut­schen Feldartillerie 324 Geschütze hinzu, so daß sich ihre Gcschützzahl nach der erwähnten abermaligen Vermehrung ungefähr der der fran­zösischen gleichstellen würde, doch wird auch bei dieser für den gleichen Fall nicht wieder die Bildung von Reservebatterien erfolgen, so daß sich dadurch das vorbezeichnete Mißverhältniß der beiderseitigen Artil- striestärke auch dann noch, wenn vielleicht auch in einem beschränkten Maße, wieder Herausstellen dürfte.

Berlin, 3. Mai. Bei der gestrigen Parade in Petersburg sind zahlreiche Ordensverleihungen seitens deö deutschen Kaisers an die Kommandeure der in Front stehenden Truppcnabtheilmigcn erfolgt. Nach der Parade war Dejeuner beim Prinzen von Oldenbur, , welchem außer dem Kaiserpaarc auch Fürst Bismarck, Graf Moltke und Prinz Neuß beiwohnten. Nach dem Famtliendiner um 6 Uhr wird heute Abend Galaballet und Illumination der Stadt stattfinden.

Wien. Am Samstag machte der Deutsche Kronprinz mit der Kronprinzessin einen zweistündigen Rundgang durch den Ausstellungs- park, unterhielt sich mit vielen, namentlich deutschen, Ausstellern anse nebenswürdigste und erfrischte sich in der elsüßischen Restauration.

. Wien, 3. Mai. Der Kronprinz des deutschen Reichs stattete gestern dem Herzog von Braunschwcig in Hietzing einen einstündigen Gesuch ab. Derselbe beabsichtig! eine Donaufahrt »ach Pest zu unter­nehmen, wobei er in der Ofener Burg sein Absteigquartier nehmen wird.

Frankreich. Paris, 3. Mai. Ein großer Theil der Rechten hälfe in den letzten Tagen Unterredungen mit Thiers, um denselben zu bewegen, sich an die Spitze der Rechten zum Feldzüge gegen den Radikalismus zu stellen. Thiers gab ausweichende Antworten. Ge­radezu weigerte e: sich jedoch, gegen die ultrarepublikanische Presse Maßregeln zu ergreifen, welche mehrere Royalisten, darunter auch der Präsident Buffet, von ihm verlangten.

Paris, 26. April. Die Räumung Belfortö beginnt am 25. Mai und wird am 26. Juli beendet sein. Während dieser Zeit geht alle zwei Tage ein Zug von 25 Wagen mit Kriegsgeräth ab.

Rußland. Petersburg, 30. April. Im Laufe des heu­tigen Vormittags empfing der deutsche Kaiser den Ausschuß des deut­schen WohlthätigkeitSvereius und eine aus 30 Personen bestehende De­putation von Angehörigen des deutschen Reiches, welche eine künst­lerisch reich ausgestattete Adresse der in Petersburg lebenden Deutschen überreichte. Der Kaiser dankte für die ausgesprochenen patriotischen Gesinnungen, wies auf die großen in Deutschland vollzogenen Um­gestaltungen hin, welche vor allem durch die unvergleichlichen Thaten der deutschen Armee, außerdem aber durch die einmüthige und opfer­willige Hingebung der ganzen Nation herbeigeführt worden seien, und führ dann fort. .Sie wissen, wie Gottes Fügung uns zum Siege führte in einem Kriege, zu dem wir durch einen Ueberfall gezwungen waren. Die Einheit ist eine Thatsache und wird von Jahr zu Ja'w schönere Früchte tragen. Ein solches Reich inmitten Europa's ist eine Bürgschaft für den Frieden. Ueberhaupt, es ist ein glückliches Gefühl für uns alle, die wir jetzt leben, daß die Vorsehung uns ans- rrwähltt, dieß zu erreichen, und so werden unsere Hoffnungen ja auch, in Erfüllung gehen." Um 2 Uhr Nachmittag- fand im Beisein der Monarchen eine Parade des kaiserlichen Marstalles, um 6 Uhr Abends rin größeres Diner bei dem Kaiser Alexander statt, fwozu auch dle deutsche Botschaft eingrladen war. Um 9 Uhr ist der Ball in der Eremitage.

Petersburg, 30. April. Der gestern Abend von 2094 Militärmusikern und Tambours mit der größten Präzision ausgeführte Zapfenstreich machte den großartigsten Eindruck. Auf dem Programme standen: Der Krönungsmarsch aus demPropheten", dasPreußen- Ued", dieWacht am Rhein" und ein Schlußchoral. Der Weg, den die Monarchen auf der Rückkehr von der Oper zurücklegten, war durch elektrisches Licht erhellt; beide Kaiser wurden von der dicht ge­drängten Menge mit enthusiastischen Zurufen begrüßt.

In St. Petersburg ging es beim Zapfenstreich ebenso her, wie im August vor. Jahres in Berlin. DerNat.-Ztg." schreibt man von dort: Petersburg hat eine Bevölkerung von rund ^ Mill. Menschen. Mehr als zwei Drittthcile dieser Masse war auf den Leinen in der Richtung zum Winterpalaste. Plötzlich staute die Masse: Die Equipagen der allerhöchsten Herrschaften mit ihrem Ge­folge fuhren den NcwSky-Prospekt herunter, voran der Polizeimeister

Nedgirr. ßetruckt und »erlegt

von Petersburg. Und jetzt Hurrahrufen, Jauchzen, Jnbelgeheul des Volkes, das seinen Herrscher erblickte. Nun schnell, bevor die Wagen zurückkehreu, zum Winterpalais. Plan gibt sich der Strömung hin, gehen kan» man nicht, man wird von der Fluthung getragen. Schulter an Schulter, Brust an Brust quetscht sich die Menge aneinander. Männer ans allen Schichten der Bevölkerung, Frauen und Kinder in die fürchterliche Enge eingekeilt. Der Platz, trotz seiner immen­sen Ausdehnung, kann die Menschenflnth nicht fassen. Und dazwischen die reitende Polizeimannschaft, bemüht, eine Straße zu schaffen für die zurückkehrentzcn Eqn.pagen der höchsten Herrschaften, die nach dem Hurrahrufen zu uitheiien, das jctz^ donnerartig sich heranwälzt, bereits auf dem Wege nach dem Winterpalais sich befinden. Die Wagen sausen vorüber, hinter ihnen her schießt die Meii'cheiiströmung und das fürch­terliche Gedränge wird noch fürchterlicher. Plötzlich entzündete sich ein Stern von eleclrischem Lichte, der den kolossalen Platz einigermaßen erleuchtet. Die Herrscl aflen sind zurückgetchrt, der Zapfenstreich be- ginru:Heil Dir im Siegerkranz" intonirt das nach Tausenden zäh­lende Musikcorps. Aber nun das Angsirnsen der Menge die sich in unbeschreiblichem Gedränge zusammengekcUt fühlt und wobei schonungs­los ei» jeder auf seine eigene Rettung bedacht ist. Lassen Sie mich schnell über die nun folgende gräßliche halbe Stunde Weggehen, die lebhaft an die Vorgänge an der Schloßfreiheit in Berlin erinnerten. Wie viel Menschen gestern Abend ihr Leben verloren, wird vielleicht nie in die Oeffcntlichkeit kommen; es ist em trauriger Erfahrung«, satz: derartig- Veranstaltungen wollen ihre Opfer haben.

Petersburg, 2. Mai. Heute Mittags hat große Parade zu Ehren des deutschen Kaisers stattgefunden. Die Truppen waren in fünf Reihen ausgestellt: 12 Jnfanterieregimentcr ä 3 Bataillone 15 Schiitzenbataillone, die Kadetten des MarinelehrbataillonS, 9 Ka­vallerieregimenter und mehrere Batterien r itender und Fußartillerie, im ganzen über 36,00 Mann. Der deutsche Kaiser war mit deckt Großkordon des Georgsordens, der Kaiser Alexander sowie die Groß­fürsten mit dem Großkordon des schwarzen Adlerordens geschmüctt, sämmtliche Generale trugen preußische Orden. An der Spitze der Suite ritt das Kaiserpaar, darauf der Großfürst Nikolaus, der Oberst- kammandirende Feldmarschall Graf Berg und Felbmarschall Graf Wollte. Bei dem Vorbeiritt längs der Fronte stellte der deutsche Kaiser sich beim Grcnadierrcgiment Friedrich Wilhelm auf, den russi­schen Kaiser salutircnd, welcher sofort hinzutritt und die Hände de» deutschen Kaisers schüttelte. Darauf wurden im Vorbeimarsch zwei­mal vom Kaiser Wilhelm dessen Regimenter vorgciührt. Die Parade dauerte über 3 Stunden und die Großfürstinnen wohnten derselben bei, sowie ungeheure Menschenmasseu.

Italien. Rom, 6. Mai. Der Ministerpräsident Lauza theilt in der Deputirtcnkammer mit, das Kabinet verbleibe» nachdem der König die Demission nicht angenommen. Lanza zeigt die Zurück­ziehung des Gesetzentwurfes über den Tarentiiwr Arsenalbau und die Vorlage eines mit dem Budget im Einklang stehenden Gesetzentwurfs an.

Spanien. In Madrid ist den Ereignissen vom 23. d. M. vollständige Ruhe und Ordnung gefolgt. Auf einem Meeting, welche» die vorgeschrittenen Föderalisten am letzten Sonntag veranstalteten, siegte die Fraktion, welche die Gründung der Föderativrepudlik nach wie vor durch die konstituircnden Cortes will. Der Regierung wurde die Anerkennung für ihr kräftiges Auftreten gegen die Empörer aus­gesprochen. AuS den Provinzen kommen zahlreiche Zustimninngs- und Glückwnnschadressen.

Madrid, 3. Mai. Die Regierung erließ folgenden Ausruf an die Wähler: Die Nationalversammlung machte das Gesetz für ihre Ein­berufung unwiderruflich. In Folge dessen ging die Regierung ener­gisch gegen diejenigen vor, welche das Verdikt der Nation hinausschicbe« und die Nationalversammlung außerhalb der legalen Bedingungen ein- berufen wollten. Die Regierung wird ebenso gegen diejenigen Vor­gehen, welche die Wahlen stören oder sich weigern sollten, deren Re­sultate anzuerkennen.

AuS Barcelona wird unterm 1. Mai gemeldet: Oberst Cabri« nety schlug die Karlisten unter SaballS und Villa in eine:.! sechs­stündigen Gefecht in den Bergen von Monseny und wurde dafür zum Brigadier ernannt. General Velarde erließ den Befehl, alle Landhäuser zu verlassen und zuzumauern, worüber große Aufregung in Cataloniea herrscht, zumal Velarde erklärte, er werde die nichtvcrmauerte» Land­häuser zerstören. 60 Alcalden wollen ihr Amt nicderlegen. Man befürchtet den Ausbruch eines allgemeinen Aufstandes, falls die Maß­regel aukgeführt wird.

Amerika. New - Aork, 4. Mai. In Dixon (Illinois) brach eine Brücke mit vielen Passanten zusammen. 32 Leicken wurden be« ^ reitS aufgefunden, die Gesammtziffer der Tobten beträgt wahrscheinlich 50.

von «. Oelschläger.