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bis jetzt nicht gewonnen und werde Wohl nie gewonnen werden. Die neuen Classentafeln seien von einem intelligenten Gewerbsmann entworfen worden und seien bereits in Stuttgart, Gmund, Eßlingen, Heilbronn u. s. w. ver­suchsweise in Anwendung gekommen. Das Ergcbniß aller Versuche sei ge­wesen, nicht ric Grundlagen zu Ludern, sondern auf den vorhandenen guten Materialien weiter zu bauen und die Grundlagen zu verbessern. An der Hand neuer Kataster werde sich zeigen, ob die vorhandenen Stcnerqucllen aus­reichen. Allerdings fehlen im Entwürfe die Kapital-, Dienst- und BcrufSein kommensstcuer. Diese seien ja geordnet, warum auch diese hcrcingezogen werden sollen? es sei ja schwierig genug, die älteren Steucrquellcn in Ord­nung zu bringen. Seien diese neu katasterirt, so werde man auch die neue­ren Steuerquellen anders ordnen können; bespricht dann die einzelnen Mo­mente, die für die Herstellung eines guten Katasters in Betracht kommen. Es habe keine Schwierigkeit, an der Hand eines guten Katasters auch die einzel­nen Stcuerqucllcn unter sich in Einklang zu bringen. Geht dann über auf die Differenzen zwischen Regierung, Kommission und einzelnen Mitgliedern; eine Vermittlung sei nur mit einzelnnr weitgehenden Ansichten unmöglich. Nachdem der Minister noch die etwaigen Kosten berührt, schließt er mit den Worten, daß es sich nicht um eine Parteifrage, sondern um das Wohl des Landes handle. Nachdem Probst im Sinne Oesterlcn's, insbesondere unter Hindeutung auf die Möglichkeit der Reichsgesetzgebung, gesprochen, erhält Ret­ter das Wort. Derselbe betont insbesondere eine Entlastung der Landwirth- schaft um zum Nachtheil von Gebäuden und Gewerben, den Gebäuden soll den Gewerben zugctheilt werden; Redner stellt hierauf einen Antrag. Berichterstatter Schmid erhält das Wort. In längerem Vortrage zeigt er unter anderem insbesondere, daß die Schulden von dein Ertrage ab- zrehen ein baarer Unsinn wäre, der nur der Betrügerei Thor und Thüre öff­nen würde. Um 3 Uhr wird ein Antrag auf Schluß der Debatte eingebracht und angenommen. Vor der Abstimmung zieht Retter seinen Antrag zurück, um sich mit dem zweiten Theile des Oestcrlen'schen Antrages zu vereinigen. Der erste Theil des Ocsterlen'schen Antrages (Tagesordnung) wird mit 80 gegen die 7 Stimmen von Hopf, Schwarz, Oesterlen, Gutheinz, Vollmer, Nirbel und Uhl abgelehnt. Die Detailbcrathnng wird mit 79 gegen 8 Stimmen beschlossen (obige 7. und Mohl). Der zweite Theil des Ocstcrlen- schen Antrages (andere Vertheilung des Verhältnisses der Stcuerqnellcn) wird mrt 46 gegen 41 Stimmen angenommen.

Jnvalidensache. Während der württemb. Landesverein der Kaiser-Wilhelms-Stiftung für deutsche Invaliden, in Ermanglung der erforderlichen Uebersicht über das gesammte Bedürfniß, bisher nur vorläufige Unterstützungen gewähren konnte und in umfassender Weise gewährt hat, sind nunmehr, nachdem die schon im März d. I. ein­geleiteten eingehenden Erhebungen erst in jüngster Zeit vollständig bei­gebracht werden konnten, in der Sitzung des Verwaltungsrathcs des Landesvereines vom 29. v. M. die den Invaliden und den Hinterblie­benen Gefallener zu verabreichenden regelmäßigen und fortlaufenden Unterstützungen, unter sorgfältiger Berücksichtigung des Bedürfnisses jedes Einzelnen, vorläufig auf die nächsten drei Jahre festgestellt und ist die regelmäßige Ausbezahlung angeordnet worden. Da hiezu eine jährliche Summe von mehr als 24,000 fl. erforderlich ist und neben - den: erhebliche außerordentliche Unterstützungen fortwährend als un­umgänglich sich erweisen werden, so darf der Eifer zum Geben für die unglücklichen Opfer des Krieges auch fernerhin nicht erkalten, wenn der Verein, was jeder Deutsche wünschen muß, seiner hochwich­tigen Aufgabe gerecht werden soll. Möge daher diese Mittheilung dazu beitragen, aufs neue an die Erfüllung der Dankespflicht zu mahnen, die wir jenen bemitleidenswerthen Opfern in so hohem Grade schulden. (St.-A.)

Pforzheim, 4. Nov. Die von den Gebr. Benckiser zur

Unterbringung ihrer Arbeiter auf Brötzinger Gemarkung aufgeführten Baracken sind so weit gediehen, daß einzelne schon bewohnt werden. Jede Familie hat für sich getrennt einen gesunden Wohn-, Schlaf- und Kochraum, sowie übrige für die täglichen Bedürfnisse n öthigc Gelasse. (Pf. Beob.)

In Freiburg wurden vom 1. Januar an bis 1. November, also in 10 Monaten, nicht weniger als 185 Häuser, und zwar wohl bemerkt, bewohnbare Vorderhäuser ausgeführt, oder sind solche in der Ausführung begriffen.

Kassel, 4. Nov. Gestern Abend entgleiste auf der Friedrich- Wilhelms-Nordbahn bei Marburg ein Personenzug. Mehrere Passa­giere und Fahrbedienstete wurden getödtet, viele verletzt. Die Wagen wurden theilweife zertrümmert.

Marburg, 4. Nov. Bei der gestrigen Entgleisung eines Personenzugs der Fiedrich-Wilhelms-Nordbahn wurden, soweit bis sitzt ermittelt ist, 4 Personen getödtet und 30-verwundet.

Dresden, 2. Nov. DasDresd. Journ." veröffentlicht das offizielle Programm zu den Hoffestlichkeiten bei Gelegenheit des gol­denen Ehejubiläums deS sächsischen Königspaares: Am 7. und 8. November Empfang der Hofstaaten, der Minister, der Landtagsprä­sidien, der Gesandten und der Deputationen zur Beglückwünschung; am 9. November keinerlei Empfang; am 10. November Vormittags kirchliche Einsegnung des Jubelpaares im Paradesaale des Schlosses, dann Zug in die katholische Kirche, in welcher unter Glockengeläute und Geschützsalven das Tedeum gesungen und eine kleine Messe ge­lesen wird. Um 4 Uhr königliche Tafel im Banketsaale, wozu die höchsten Herrschaften sich in den Gemächern der Deutschen Kaiserin ver-

sammeln. Abends Festvorstkllung im Hoftheater. Den Schluß der Festlichkeiten bildet am 11. November ein großer Hvsball.

Berlin, 3. Nov. In dem Aktionsprogramm der Regierung dem Herrenhause gegenüber nimmt, so viel steht fest, ein von allew liberalen Blättern dringend empfohlener großer Pairsschnb (Ernennung von Herrenhausmitgliedern, natürlich solcher, die de: Vorlage günstig sind) eine hervorragende Stelle ein. Die Zahl der neuen Berufungen wird auf etwa 5060 berechnet. Die Zeit bis zum 12. November, dem Tage der Eröffnung der neuen Session, wird außerdem zur Aus­arbeitung mehrerer noch nicht ganz reifer Vorlagen verwendet werden, so daß der durch die nothweudig gewordene Vertagung des Landtages entstehende empfindliche Zeitverlust in etwas wieder hercingebracht wird. Der neue Entwurf der Kreisordnung wird in der bevorstehenden Ses- sion voraussichtlich zunächst wieder dem Aögeordnetenhause vorgelegt, mcrden. Man berechnet, daß die Berathung desselben bis Ende No­vembers erledigt werden könnte, so daß die Ueoerweisung an das Herrenhaus Anfangs Dezember so ziemlich gleichzeitig mit der Rück» kehr des Fürsten Bismarck von Varzin erfolgen würde.

Berlin, 3. Nov. Cs bestätigt sich, daß im Laufe diesen Woche Verhandlungen stattfinden werden zwischen der Regierung und den Führern derjenigen Parteien, welche für das Zustandekommen der Kreisordnung im Abgeordnetenhause thätig waren, namentlich mit den Mitgliedern der früheren Kommission des Abgeordnetenhauses. Man schließt daraus auf den ernstlichen Wunsch der Regierung, zu einer Verständigung mit den: S bgeordnetenhanse zu gelangen, wodurch auch die vorgängige Vorlage des Gesetzes im Abgeordnetenhause erklärlich wird.

Berlin. Der evangelische Oberkirchenrath hat neuerdings in einem Flugblatt an die Gemeinden die Thatsache konstatirt, daß an 400 verschiedenen Orten bei den gestiegenen Preisen aller Bedürf­nisse das evangelische Predigtamt nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, weil die Gemeinden selber zu arm sind, um auch nur ein nothdürftiges Pfarrgehalt aufzubringen. Falls die jetzt in der Samm­lung befindliche Nothstandskollekte einen reichen Ertrag ergibt, soll ein Theil derselben zu Abstellung dieses NothstandeS innerhalb der evangelischen Kirche verwandt werden.

Gumbinnen, 4. Nov. Der Ausbruch der Cholera wird nicht nur aus polnisch Augustowo (5 Meilen von dem diesseitigen Kreise Oletzko), sondern von der ganzen polnischen Grenze gemeldet.

Am 21. Oktober traf in Königsberg mit der Bahn ein 99jähriger Mann mit seiner 97jährigen Frau und einer 71jährigen Tochter ein, der zur silbernen Hochzeit seines als Steuerbeamter in Schlesien augestellten jüngsten Sohnes reiste. Er lebt auf dem Gute eines seiner Schwiegersöhne in Polen. Wer die Rüstigkeit dieses Paares sah, welches schon vor länger als 10 Jahren seine Diamant­hochzeit gefeiert hat, mußte sie höchstens für Siebziger halten.

Zwei Soldaten, Landsbeck und Koch, saßen nach der Eon- trolversammlung in Kreuzthal bei Kempten im Wirthshaus und ließen sich Käs und Bier schmecken. Koch machte sich den Spaß, seinem Kameraden dann und wann einen Brocken Käs wegzunehmen. Landsbeck warnt ihn davor mit den Worten:Gib Acht, i stich l" Und wirklich, als Koch nochmals einen Brocken nahm, stieß ihm der Kamerad das blanke Messer in die Brust. Koch war sofort eine Leiche.

Schweiz. An der Universität Zürich studiren 90 junge Da­men; die medicinischen Professoren haben mehr weibliche Zuhörer als männliche.

Dänemark. Der dänische Kriegsminister hat sämmtlichen höheren Offizieren seiner Armee ein Exemplar des Planes zur Re­organisation des Heeres zngehen lassen. Nach diesem Plane soll die Stellvertretung gänzlich unterdrückt, das Heer in Regimenter zu zwei Bataillonen (das Bataillon zu drei Kompagnien) eingetheilt, die Ar­tillerie und Kavallerie verstärkt werden. Die Offiziere sind aufge­fordert, ihr Gutachten über die Details des Projektes, welches vorab nur ein provisorisches ist, abzugeben. Auch Schweden ist mit der Armee -Organisation beschäftigt. Die Studien und Arbeiten zu dem Plane sollen so umfassender Natur sein, daß der Reichstag sich vor 1874 niit demselben schwerlich zu beschäftigen haben wird.

Am 5. Nov. wählen die Bürger Nordamerika'» ihren Präsi. deuten. Grant und Greeley sind die beiden Bewerber und Grant hat die größte Aussicht auf S ieg. Die Präsidentenwahl ist eine indirekte; jeder Staat ernennt so viele Wahlmänuer, als er Abgeordnete und Senatoren in den Congreß sendet, und diese geben gemeinsam ihre Stimmen für den Präsidenten und einen Vicepräsidenten ab. Das Resultat wird dem Präsidenten des Senats in Washington versiegelt eingebildet und von diesem vor versammeltem Congreß eröffnet. Nie- mand ist wählbar als ein eingeborner Bürger. Die Wahlmänner werden in sämmtlichen Staaten (Florida ausgenommen) direkt vom Volke erwählt. Die volle Stimmzahl der Wahlmänncr beträgt 366, die Majorität 184. ___

Redigier, gedruckt und verlegt von A. Oelschläger.