Gulden geradezu unversteuert ist, (der ga»>e Werth beträgt 700800 Mist.) ist nicht einmal der grüßte Fehler im Steuerwesen. Der Maßstab zwischen Grund und Boden, Gebäuden und Gewerben ist ein fester; das Verhältniß dieser Steuerquellen hat sich im Laufe der Zeit aber vollständig verändert. Mehr als 500,000 Morgen ('/io der ganzen Fläche veS Landes) sind gar nicht im LandcSkataster enthalten u. s. w. Im Prinzip aber sei die Steuer­gesetzgebung richtig, sie suche nur den Reinertrag zu treffen. Pfeiffer: über die Nothwendigkeit der Reform sei man seit Jahrzehnten einig. Aber gerade das vom Vorredner betonte und richtige Prinzip sei in dem vorliegenden Entwurf keineswegs consequent verfolgt? Bei einem Theile der Stcuerobjckte besteh« Fasste», bei einem anderen solle sie ausgeschlossen werden; das führe notwendig zur Ungleichheit. Ein großer Mangel sei, daß die Schulden, die auf einem Geschäfte ruhen, nicht ab gezogen würde». Zeigt an einem Bei­spiele, wie dieß zur Doppelbesteuerung führen müsse. Ein weiterer Mangel sei die Beibehaltung der Reparation:(Art. 10 des Ges.), die von Zeit zu

regelnden Gcsetzesvorlage unterliegt, ist der, statt der Vertretung naH Ständen d. h. statt des feudalen das eigentliche repräsentative Prin­zip, das Prinzip der Selbstverwaltung zu setzen. Bisher bildeten die- Rittergüter das Hauptglied der ländlichen Verfassung; dieß soll nuw anshören. Die gntöherrliche Polizei wird aufgehoben; ferner gewährt die Reform den Landgemeinden die Befreiung von der communalen Aufsicht der Polizeigewalt überhaupt, beseitigt das der letzteren zu­stehende ErneminngSrccht der Schulzen und Schöppen und verleiht den Gemeinden daö Recht der Erwählung dieser Gemeindebeamten^ gerade so wie die Städte dieß Recht schon längst haben. Dctn von den Feudalen im Herrenhaus eröffneten Kampfe setzte Minister von Eulenburg die bemerlenswcrthen Worte entgegen: der Entwurf dev

Zeit von der Kanuner, wie bisher, vorgeuomimu werden solle; dafür fehle es i ^damitnr dieallgemeine Dienstpflicht", welche-

einem

Stencrgesetzc-zu verlangen sei. Er werde übrigens auf die Bcrathung des Entwurfes cingehen, weil er der Ansicht sei, daß sich doch noch Etwas aus dem Entwurf machen lasse. Die Thellung der verschiedenen Einkommens­quellen fei der Besteuerung des Gesammt-Ernkommen« vorzuzichen. Aber er wünsche ein Gcsammtsteuergesetz, in welchem alle Steuerquellen enthalten und gleichmäßig angelegt wären; dann hätte die Kammer nur von einer Periode zur andern zu bestimmen, wie hoch der einheitliche Proccnt-Satz für alle Steuerquellen sein solle. Hohl, dann hätte man schon vor Jahren mit der Feststellung der Grundlagen beginnen müssen. Charakterisirt die Stimmung in den verschiedenen BevölkerungSklassen; er würde dem Steuersysteme den Vorzug geben, welches eine gewisse Ausgleichung insbesondere gegenüber den indirekten Steuern gestatten würde. Zeigt dann die charakteristischen Vorzüge der englischen Steuergesetzgebung, welche insbesondere Abzug der auf einem gl" Steucrobjckte lastenden Passiven gestattet. Auf den Gesetzrsentwurs eiiigehen i - müsse man, auch wenn er nur relativ Gutes biete; er hofft mit dem neuen,

ans das bürgerliche Gebiet übertragen. Feudale Stände seien heut­zutage unmöglich; die Regierung könne dem im Volke lebendig ge­wordenen Rufe nach Selbstverwaltung ihr Ohr nicht verschließen. Selbstverwaltung sei aber die Uebertragung der allgemeinen Dienst­pflicht auf das bürgerliche Leben. Daö Herrenhaus verwarf abev einen Paragraphen um den andern und setzte andere der Regierung unannehmbare an deren Stelle, trotzdem der König dem Präsidenten des Herrenhauses gegenüber selbst erklärt hatte, daß er im Interesse des Landes auf Durchführung der großen Reform beharren müsse und dieselbe unter keinen Umstünden satten gelassen werden könne. Schlußabstimmung erktärt Minister Eulenburg: Wenn da- errenhauö die Vorlage gänzlich ablchnt, so würde das Ministerium

Steucrgesetze zu einer Steuer-Erleichterung zu gelangen. Mohl: der Herr! unter anderen Verhältnissen seine Demission einreichen, unter den ob

Unanzministcr werde ihm das Zeugniß nicht versagen, daß derselbe in ihm, Redner, in Finanzangelcgcnhcitcn stet« einen treuen Bundesgenossen gehabt; dießmal erlaube er sich aber von den Ansichten deö Hrn, Ministers abzuweichen. Zeigt, wie er sich als Berichterstatter einer früheren Finanzcommission veran­laßt gesehen, andere Gesetzgebungen zu studiren und dcßhalb verschiedene Reisen zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Warnt vor Allem vor unbedacht­samen Aenderungcn von Einrichtungen, die durch Jahrzehnte und Jahrhunderte sich bis in die feinsten Verästelungen des Volkes cingelebt. Warnt vor dem System einer einzigen Einkommenssteuer; das sei das social-demokratische Ideal, das Ideal jener Staatsbürger, die auch von Rechtswegen keine Steuer bezah­len wollen, wie sie bereits lhatsächlich keine bezahlen. In einem Vortrage, der drei volle Stunden in Anspruch nimmt, sucht Mohl zu beweisen, daß eine wesentliche Veränderung in dem Verhältniß der verschiedenen Sleucrquellen nicht stattgcsunden, eS haben vielmehr alle und zwar alle in gleichem Ver­hältnis zugenommcn, cs sei kein Grund vorhanden, dasselbe zu ändern. Ein solcher Grund wäre nur vorhanden, wenn die eine oder die andere Erwerbs- Quelle überwiegend vor den andern bevorzugt wäre. Aber selbst in diesem Falle würde sich eine Aenderung. nur empfehlen, wenn etwas Besseres an die Stelle von veralteten Einrichtungen treten würde. Insbesondere aber warne er davor, das Verhältniß der verschiedenen Steuer-Quellen unter einander be­weglich zu machen. Das wäre ein ewiger Zankapfel und ein Mittel zu po­litischer Agitation. Mohl, der um 11 Uhr begonnen, schließt um 2 Uhr. Die Sitzung wird abgebrochen, um am Montag um 10 Uhr wieder ausge­nommen zu werden.

Stuttgart, 29. OK. Unsere Sozialdemokraten hatten dieser Tage wieder eine Versammlung, die aber ziemlich unbeachtet vorüber­gegangen ist. Man schenkt ihnen hier überhaupt nicht viele Auf­merksamkeit, da man ernstlich darauf bedacht ist, die wirklich berech­tigten Anforderungen der Arbeiter nach Möglichkeit auf dem Wege gütlicher Uebereinkunft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu befriedigen, und dabei werden sich wohl beide Theile am besten stellen. Dahin zielt jetzt auch der dem Gemeinderath vorliegende Antrag auf Bildung ständiger Gewcrksschiedsgerichte ab, worüber demnächst auf dem Rathhause eine Bcrathung stattfinden soll. Die größeren und solideren Geschäfte hier haben ohnedieß alle einen Stamm seß­hafter verheiratheter Arbeiter, die es selbst in ihrem Vortheil finden, mit den Arbeitgebern sich zu vertragen. Dadurch sind Manche auch, besonders seit die Gewerbefreiheit ihnen die Gelegenheit zum Betrieb von selbstständigen Nebengeschäften bietet, zu Vermögen gekommen und man erkennt dieß deutlich an den Liegenschaftsverkäufen, wo da und dort ein Arbeiter als Hauskänfer oder Verkäufer oder mit Gar­ten- oder Weinbergstücken erscheint.

Das AktionSkvmite der Münchener Altkatholiken hat sich wegen Überlassung der dem Staate gehörigen Stndienkirche für ihre Gottes­dienste direkt an den König Ludwig gewandt, nachdem das in dieser Sache vor mehr als Jahresfrist an das Kultusministerium gerichtete Gesuch von diesem noch keine Antwort gefunden hat.

Am 22. Oktober trat in Berlin der Landtag, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, zusammen. Die Darlegung der Finanzen, die sehr günstig stehen (das Jahr 1871 ergab, hauptsächlich in Folge des großartigen industriellen und commerciellen Aufschwungs einen Ueber- schuß von 9,27I,000 Thaler), befriedigte beide Häuser sehr, desto wenigrr fand die vom Minister des Innern warm befürwortete Vor­lage einer neuenKrciscrdnnng" im Herrenhaus? Auktang. Der Grund­gedanke, der dieser die Kreisvertretnnz, sowie die Kreisverfassung ue>

waltenden Umständen sehe das Ministerium davon ab; denn ein neues Ministerium würde ganz dieselbe Aufgabe vor sich haben. Die Ueberzcugnng des Kaisers von der unabweislichen Nothwendigkeit de- Zustandekommens einer Kreisordnnng auf den Prinzipien des Regie- rungsentwuifs sei unverändert. Im Falle der Ablehnung der Vor­lage werde das Ministerium sofort die Session schließen und eine neue Unberufen, der als erste Vorlage die Kreisordnung zugehen soll. DaS Ministerium werde alle verfassungsmäßigen Mittel anwenden, um die Vorlage alsdann zum Gesetz werden zu lassen. Kleist-Retzow erklärt, das Interesse des Landes stände ihm über dem Ministerium, deßhalb würden er und seine Freunde gegen die Vorlage stimmen. Auch Graf Münster und Hasselbach erklären gegen die Vorlage zu stimmen, weil dieselbe durch die Comuüssiousauträge verstümmelt sei. In namentlicher Abstimmung wird darauf die Vorlage mit 145 gegen 18 Stimmen abgelehnt. > ^

Berlin, 1. Nov. Im Sitzungssaals des Abgeordnetenhauses, fand heute Nachmittag eine Sitzung beider Häuser des Landtage- statt. Dieselbe wurde Nachmittags 2 Uhr durch den Grasen Stoll- berg eröffnet, welcher ameigte, daß er Las Präsidium Kraft Verein­barung der Präsidenten beider Häuser übernehme. Sämmtliche Mi­nister, mit Ausnahme des Fürsten von Bismarck waren anwesend. Kriegöminisicr Gras Noou verlas eine königliche Botschaft, durch welche derselbe ermäch 'ch w'-d, die Session heute zu schließen. Der Minister sprach demzufolge den Schluß der Session aus. Graf: Stollberg brachte darauf ein dreimaliges, von der zahlreichen Ver­sammlung lebhaft aufgcnommenes Hoch auf den König aus.

Die vorgelegte Probe des neuen preußischen JnfanteriegewehrS (Mausergewehr?) ist nunmehr bestätigt und angeordnet worden, daß für die Neubewaffmmg der Armee solche Gewehre anzufertigen sind. ^ Tie Constrnktron icö Gewehrs und die dazu gehörige Munition soll als Staatsgeheimuiß betrachtet werden.

Da die Cholera in St. Petersburg und den meisten russischen Gouvernements sich 'erst, hat die Negierung von Stralsund ange­ordnet, daß fortan m s WrNreo alle Schiffe, welche aus den russischen Häfen kommen, nicht eher zur Zollabfertigung zugelaffcn werden, als bis der S.s '.'.'.-.Instand der Schiffsbesatzung und der Passagiere ärztlich untersucht ist.

Frankreich. Paris, 30. Okl. Wie derFigaro" behauptet^, kosten die Baracken, welche mau in vier Departements, wo >die deut­schen Truppen vorderhand noch bleiben, errichtet hat, 24 Millionen. Ist dieses wirklich der Fall, so hat man das Geld lustig zum Fen­ster hinausgeworfk», und es wäre wohl besser gewesen, man hätte die deutschen Truppen während der kurzen Zeit, die sie noch in Frank­reich bleiben sollen, bei den Bürgern einquartirt.

Nancy, 30 Okt. Gestern hat die offizielle Ucbernahme der für die deutschen Okriipatioustruppen erbauten Baracken durch die preußische Intendantur siattgefundcn. Die vollständige Räumung der Haute-Marne soll dir zum 4. Nov. erfolgt sein.

Rcdigiri, gedruckt und rertegt r.n