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Vielen Gegnern der Bahn den Beweis liefern würden, daß die Industrie dieser 3 Bezirke denn doch auch eine Bahn werth ist. Eine solche gemeinschaftliche Ausstellung hätte auch noch den Vor­theil für sich, daß der Wetteifer die Aussteller zu den bestmögli­chen Leistungen anspornen würde.

Der Ausschuß des Gewerbevereins wird zur Berathung und Beschlußfassung der Frage auf nächsten Samstag eine General­versammlung berufen, und ist der Zweck dieser Zeilen, die Be­treffenden auf diese für unsere Stadt so hochwichtige Angelegen­heit besonders aufmerksam zu machen und sie zu recht zahlreichem Besuch der Versammlung dringend einzuladen.

E. Georgii.

Tattesneuigkeiten.

Ulm, im Juli l87t. (Schwäbische Industrieaus­stellung.) In einer Zeit, da der Friede noch keineswegs gesichert schien, wurde die im vorigen Jahre durch den Krieg jäh unterbrochene schwäbische Industrieausstellung in Ulm wieder ausgenommen und un­ter dem Geräusche der den heimkehrenden Truppen bereiteten Einzugs- feierlichkciten fast unbemerkt ihrer Vollendung entgegengeführt. Jetzt, nach der Eröffnung, nimmt sie die öffentliche Aufmerksamkeit in vol­lem Maße in Anspruch: von nah und fern, Tag für Tag, in stei­gender Progression, strömen Besucher herbei und keiner derselben ver­läßt die Ausstellungsräume, ohne seine Verwunderung auszudrücken, daß es unter so wenig günstigen Verhältnissen möglich gewesen, ein Werk herzustellen, welches alles hinter sich läßt, was in ten letzten Jahren an ähnlichen Unternehmungen in Deutschland zur Ausführung gekommen ist. Die Industrieausstellung in München im Jahr l 854 wurde als ein höchst bedeutsames Ereigniß gefeiert; sie gab Veran­lassung zu einer kleinen Völkerwanderung nach der Königsstadt an der Isar und doch, versichern Männer vom Fach wird sie von der Ausstellung in Ulm nach dem Gehalt der Produkte weit übertrof­fen. Es soll durch diese Bemerkung dem Werthe und der Bedeutung der Münchener Ausstellung durchaus nichts benommen, vielmehr nur der Aufschwung hervorgehoben sein, welcher sich auch in den schwäbi­schen Gauen auf dem Gebiete der Industrie- und Gewerbethätigkeit in der verhältnißmäßig kurzen Spanne Zeit von nicht einmal zwei Jahrzehnten vollzogen hat. Dabei mag aber auch hervorgehobcn wer­den, daß Ulm eine Stadt von wenig mehr als 20,000 Einwohnern, in ihren dem Handel erbauten Markthallen so großartige Räumlichkeiten be­sitzt, wie keine andere Stadt gleichen Ranges sie aufzuweisen vermag und ohne deren Vorhandensein die Ausführung der Ausstellung in Ulm selbst unmöglich gewesen wäre. Die meisten Aussteller, deren Gesammtzahl über 1100 beträgt, hat begreiflicherweise Württemberg gesendet; aus den schwäbischen Landestheilen Baierns sind über 20 Städte, darunter Augsburg, Memminzen, Kempten, Lindau, Neuburg a. D., Nördlingen n. s. .o. vertreten, während aus Baden die Städte Brette», Conslanz, Freiburg, Gernsbach, Heidelberg, Mannheim, Ra­statt, Stockach u. s. w. und endlich aus den hohenzollern'schen Landen namentlich die beiden Hauptstädte, Sigmaringen und Hechingen, bei der Ausstellung sich betheiligt haben. Bemerkcnswerth ist, daß, wie wir hören, die österreichische Negierung einen Correspondenten hieher gesandt hat» und daß Touristen ans fernen Ländern, so aus Amerika und England, bereits zum Besuche der Ausstellung hier eingetrof- sen sind.

München, 22. Juli. Se. Maj. der König hat dem Kron­prinzen des Deutschen Reichs vor dessen Abreise von München das 1. baierische Uhlanenregimcnt verliehen. Durch die jüngste vom Kronprinzen des Deutschen Reiches vorgenommene Vertheilung von 410 eisernen Kreuzen an die baierische Armee ist die Zahl der mit solchen dekorirten Baiern ans 1569 gestiegen. Hievon sind 17 erster Klasse und 1552 zweiter Klasse. Von letzteren wurden 3 an königliche Prinzen, 130 an Generale und Stabsoffiziere, 511 an Oberoffiziere, 839 an Unteroffiziere und Soldaten, 69 an Nichtkombaltanten (Mi- litärverwaltnngsbcamte, Militär- und praktische Aerzte, Post- und Bahnbedienstete. Civilisten) verliehen. Obwohl seit der Rückkehr der Truppen erst einige Tage verflossen sind, so sind dennoch bei allen Regimentern die Beurlaubungen bis auf den gewöhnlichen Frie­dens-Garnisonsstand schon durchgesührt, und ist demnach die Dcnio- bilisirung in dieser Beziehung eine vollständige.

München, 22. Juli. Wie man hört, bereiten die sieben infallibilistiscken Theologen der hiesigen Fakultät eine neue Erklärung gegen die vernichtenden Angriffe vor, welchen ihr jüngstes Manifest in mehreren Blättern, so namentlich imRheinischen Merkur" ausge­setzt war.

Berlin, 22. Juli. Nachdem Sc. Maj. der Kaiser und König die Räumung der Departements Eure, Seine införienre und Somme durch die deutschen Truppen befohlen haben, werden demge-

Ncdiztrt. gluckt und ver

mäß das Generalkommando des I. Armeekorps und die 1. Division den Rückmarsch in die Heimath antreten.

Der Bnndesrath hat sin Beziehung aus die Bestimmung im Artikel 6 der Maß- und Gewichtsordnnng vom 17. August 1868, nach welcher vom 1. Januar 1872 an das Kilogramm die Einheit res Gewichts bildet, jedoch sowohl das Pfund als der Centner gesetz­lich zulässige Gewichte bleiben, beschlossen, daß im Zollverkehr auch künftighin die Deklaration und Verzollung nach Centnern und Pfun­den, nicht nach Kilogrammen vorzunehmen sei.

Berlin, 22. Juli. In dem Maurer-Strike waren bis gestern 15 Personen wegen Eindringens auf die Bauplätze und Bedrohung und Mißhandlung der Fsrtarbcitend.m verhaftet. Am 19. d. M. haben nun auch sämmtliche Nagelschmiedc tue Arbeit eingestellt. Die­selben beanspruchen etwa 25 pCt. Lohnerhöhung.

Frankreich. Paris, 20- Juli. Im Kr egsministerium ist eine Kommission mit der Berathung über die künftigen Befestigungen von Paris effrigst beschäftigt. Man scheint die innere Euceiute von St. Denis bis zum Point-du-Jour opfern zu wollen, da sie der be­lagernden deutschen Armee gegenüber sich als vollkommen nutzlos er­wies. Es liegt ein Entwurf vor, welcher beantragt, die Ländereien dieser Festungswerke zu verkaufen und aus dem Erlös derselben neue detachirle Forts bei Chätillon und der Mühle von Argemont zu er­richten , sowie auch Versailles selbst mit in den Rayon der Verthei- digung zu ziehen. Die Budget-Kommission hat eine Steuer von 10 Centimes auf Quittungen über 10 Franken lautend votirt. Diese Qu.ltungen werden künftig, wie es in England der Fall ist, mit einem Stempel versehen sein müssen. Man hofft dadurch 15 18 Millionen Franken jährlich zu erhalten. Vor den Schwurgerichten in den Departements erscheinen seit kurzem mehrere Deutsche, welche hinter und neben den deutschen Truppen sich so manches zu Schulden kommen ließen, was aus Rechnung der letztem geschrieben wird. Ge­schworene und Richter üben gegen dieselbe eine sonst unerhörte Strenge; so wurde ein junger Taugenichts, der eine Kuh aus dem Stalle ge­stohlen halte, zu lOjähriger Zwangsarbeit, verurtheilt was seine De­portation nach Cayenne zur Folge hat.

Paris, 23. Juli. Prinz Napoleon ist in Havre angelangt, erhielt aber den Befehl, das französische Territorium sofort wieder zu verlassen.

In der Armee herrscht große Unzufriedenbeit; die aus der Ge­fangenschaft .in Deutschland zurückkehrenden Offiziere finden ihre ehe­maligen Sergeanten als Kapnäne wieder und ihre ehemaligen Kapi­täne sind Obersten geworden. Für die Zurückgekehrten gibt es kein Avancement. Auch gibt unter den Offizieren zwei deutlich erkenn­bare Parteien, die kaiserliche und die republikanische oder die Gam- bettistische, denn unter der Diktatur Gambctta's haben die mei­sten oft lächerlichen Beförderungen stattgefunden. Die Absetzung des republikanischen Generals Bissau, der in dem Kommando zu Bordeaux durch den General d'Aurelles de Paladine ersetzt wurde, bringt unter den Offizieren eine gewisse Aufregung hervor.

Italien. M. Sommeiller, der Erbauer des Mont Cenis- Tunnels, ist vor einigen Tagen gestorben. Rom, 21. Juli. Der Papst ist von seiner Krankheit wieder hergestellt und hat seine gewohnte Lebensweise ausgenommen. Ein internationaler anti- fallibilistischer Kongreß wird im Monat Oktober in Florenz zusam- mentreten. In Turin hat sich, wie dieGazetta Picmontese" mel­det, ein Komite gebildet, welches die Krönung Viktor Emanuels als ersten Königs des freien und einigen Italiens anstrebt.

Rußland. Warschau, 17. Juli. Aus den innern russischen Gouvernements bringen die öffentlichen Blätter seit einiger Zeit nur HiobSposten von sich mehrenden schrecklichen Bränden, verheerenden Gewitterstürmen, Wolkenbrüchen und Hagelschlägen und dem Umsich­greifen der Choleraepidemic. In einigen Gegenden brennen schon seit Wochen große Waldungen und Torfmoore, in andern stehen ganze Dörfer in Flammen, und ganze Stadttheile sind vom Feuer in Trümmer gelegt. In Coroszcz, unweit Bialystok, ist die weit und breit bekannte große Tuchfabrik von Friedrich Moes gänzlich nieder- gebrannt. In Rjäsan hat eine Feuersbrunst große Getreide- und Waarenvorräthe auf der Eisenbahnstation und eine große Anzahl Wagen vernichtet und 360 Häuser in Asche gelegt. Der Schaden, welchen die Eisenbahngcsellschast erlitten hat, wird allein auf eine halbe Mil­lion Silberrubel geschätzt. In Mohilew und Umgegend hat ein furcht­barer Gewittersturm ungeheure Verheerungen angerichtet. Die durch einen Wolkcnbruch entstandene Wasserflnth war so stark, daß 20 Pud schwere Steine von den Bergen losgerissen und über 400 Klafter weit in die Ebene fortgetrieben wurden. Die Choleraepidemie hat nicht nur in Petersburg und Moskau größere Verbreitung gewonnen, sondern auch in den innern und westlichen Gouvernements, cat von A. Oelschtäger.