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Denedetti ermähnte, daß er schon gestern Abend die Nachricht vom Verzicht aus Paris erhalten habe, und als der König hiermit die Sache als erledigt ansah, verlangte der Botschafter nunmehr ganz unerwar­tet vom Könige, er solle die bestimmte Versicherung anssprechen, daß er niemals wieder seine Einwilligung geben werde, wenn die Kron- kandidatur etwa wieder aufleben solle. Der König lehnte eine solche Zustimmung bestimmt ab und (blieb bei diesem Ausspruch, als Graf Benedetti wiederholt und immer dringender auf seinen Antrag zurück- kam. Demungeachtet verlangte Graf Benedetti nach einigen Stunden eine dritte Audienz. Auf Befragen, welcher Gegenstand zu besprechen sei, ließ er erwiedcrn, daß er den am Morgen besprochenen zu wieder­holen verlange. Der König wies aus diesem Grunde eine neue Au- dien; zurück, da er.keine ander: Antwort als die gegebene habe, übri­gens auch von nun an alle Verhandlungen durch sdie Ministerien zu gehen hätten.

Tagesrieuigkeiten.

ÜH In den öffentlichen Sitzungen deS K. Kreisstrafgerichts Calw kamen folgende Fälle zur Verhandlung und Aburtheilung: Am 14. Juli 1871: 1) Die Untersuchuiigösache gegen den vcrh. Speisewirth Jo­hann Michael Volz von llntcrnicbelsbach, OA. Neuenbürg. Derselbe hat dem ihm Vorgesetzten Schultheißen in dessen Hausvhrn in Bezug ans eine Dienstverrichtung desselben vorsätzlich und rechtswidrig dadurch Verachtung be­zeugt, daß er über ibn wegen der vom Schultheißen bezüglich des Hundes des Beschuldigten getroffenen amtlichen Verfügung sagte:Der Spitzbub'. Fer­ner sagte er von dem Gemcinderath und Gemeindepfleger in Unternie- bclöbach in dessen Wohnung, während er mit ihm über eine an den Gemein- depflegcr gemachte Zahlung verhandelte, vor Zeugen die im Strafgesetzbuch mit Strafe bedrohte unerweisliche Handlung des Ehebruchs mit seiner (deö Beschuldigten) Ehefrau aus. Er wurde wegen mehrfach erschwerter Ebrcn- kränkung und wegen erschwerter Verläumdung unter Freisprechung hinsichtlich der weiteren Verläumdung, den Gemeindepstegcr oie Ausstellung eines falschen Zeugnisses bezichtigt zu haben, zu der Bezirksgefiingnißstrase von 14 Tagen verurtheilt und zum Ersätze der Kosten verpflichtet. Dem Beschuldigten stand Rechtsanwalt Schwarzmann als Dertheidiger zur Seite. 2) Der lcd. Taglöh­ner Johannes Mattes, genannt Seiz von Simmozheim, OA. Calw, wurde wegen Fälschung einer Privaturkuudc und einer öffentlichen Urkunde vor das Kreisstrafgericht verwiesen und auch auf Grund seines Geständnisses und der Zeugen - Aussagen für schuldig erklärt. Er hat nämlich zum Nachtheile der Rechte des Bauern Jakob Bäuerle von Monakam, OA. Calw, um durch Täuschung sich einen Vermogensvortheil zu verschaffen, nämlich ein Anlehen von 21 fl. im Mai v. I. diesem in Monakam eine Schnldurkunde übergeben, in welcher er fälschlich den Namen des Bauern Friedr. Dürr von Simmozheim als Bürgen selbst unterzeichnet hat. Ferner fertigte er Ende Mai d. I. eine Urkunde zum Zwecke erleichterten Fortkommens auf den Namen der Schult- heißenämtcr Simmozheim und Hirsau aus, wornach das Schultheißenamt Simmozheim das Schultheißinam: Hirsau um Eröffnung seiner Einberufung zum Militär ersucht, und das Schulthcißenamt Hirsau diese Einberufung erösft net hätte, und zeigte solche behufs seiner Entlassung von der Arbeit beim Ei- senbahnbau dem Bauaufseher Kurz am Welzbcrg, Markung Hirsau, vor. Das Urtheil lautet auf eine Zuchtpolizeihauöstrafe von 2'/, Monaten und die Ver­pflichtung zum Ersätze, der Kosten seiner Haft, der Untersuchung und des Strafvollzugs. 3) Der verwittwete Metzger Jakob Friedrich Eip- Per von Kayh, Obcramts Herrenberg, welcher früher schon »egen Widcr- setzung bestraft wurde, ließ sich das gleiche Vergehen wieder zu Schulden kom­men. Er hat nämlich am 21. Juni d. I. Nachm, nach 5 Uhr auf der Straße in Kayh der von dem Schultheißen gesetz- oder ordnungsmäßig gegen ihn verfügten Vorführung sich durch gewaltsamen Widerstand gegen die Personen des Schultheißen und Amtsdieners vorsätzlich entgegengesetzt, indem er zunächst Heiden drohte:wer ihn anrühre, den schlage er ins Gesicht", und wie er vom Schultheißen gefaßt wurde, denselben in feindlicher Absicht packte, mit ihm raufte, ihm die Weste absichtlich zerriß und ihn vorsätzlich mehrfach mit der Faust in'S Gesicht schlug und demselben dadurch eine, mit keinem weiteren Nachthcile verknüpftes blutende Verletzung am Auge beibrachtc, auch denselben absichtlich zu Boden warf. Hiebei schimpfte er den Schultheißen eine» Lum­pen nnd alten Schlingel. Er wurde mit Berücksichtigung des Rückfalls zu der ZuchtpolizeihauSstrafc von 10 Monaten verurtheilt und zum Ersätze der Kosten seiner Haft, der Untersuchung und des Strafvollzugs verpflichtet.

Stuttgart. In der 24. Sitzung d. Kammer d. Abgevrdn. beantwortet Min. Scheurlen eine Anfrage ld er's wegen der Verfassungsreform da­bin, daß die Regierung die Angelegenheit eifrig betreibe. Der Entwurf der Abänderung eines Shells der Veiffassung sei bereits vor einem Jahr fertig gewesen, der Krieg habe aber die Arbeiten unterbrochen und jetzt müsse man zunächst Erfahrungen über das Verhältuiß zwischen Reichs- und Landesverfas­sung sammeln. Justnmin. Mlttnacht antwortet auf seine Interpellation Oesterlen's wegen Mittheilung der Regierungsabstimmuugcn im Bundesrathe, daß das Ministerium nicht beabsichtige, der Kammer allgemeine Mitthcilung über eie Stimmabgabe Württembergs im Bundcsrath zu machen; über Be­antwortung von Anfragen in bestimmten einzelnen Fällen werde es sich ein- tretcnden Falls schlüssig machen. Die Bundesrathsbeschlüsse werden in der Regel niit Stimmenmehrheit gefaßt, wo dieß nicht der Fall sei, lassen Rück­sichten auf den Mitverbündetcn nicht immer eine Veröffentlichung der Vor­gänge zu. Er persönl. sei übrigens für offizielle Publicirung der BundcSrathSproto- kolle. Oester len hofft, wenn auch nicht befriedigt, doch erreicht zu haben, daß der Minister in Berlin für Veröffentlichung der Bundcsrathsproiokolle wirken werde. Bei dem Rechenschaftsbericht des ständischen Ausschusses be­antragt Römer zu der Bekanntmachung des Cultmiuisteriums vom 20. April d. I., betr. die vatikanischen Eoncilsbcschlüsse, wonachdie Negierung denselben keinerlei Rechlswirkung auf staatliche oder bürgerliche Verhältnisse zugestcht", die Angelegenheit an die staatsrechtl. Kommission zu verweisen, da nach seiner Ansicht die staatliche Genehmigung zur Publikation der Beschlüsse nvthig gewesen w re. Ter Antrag wird angenommen. Die i. I. 1869 aus dem Reservefonds gemachte Ausgabe von 14,497 fl. beantragt Hopf gleich­falls an die staatsrechtliche Commission zu verweisen, wird jedoch auf den,

Antrag der Finanz-Commission unter Verwahrung des ständischen Verwilli- gungsrechts zur Tagesordnung übcrgegangcn und sodann mit 64 gegen 5 Stimmen der Antrag von Hopf und Holder, die ganze Angelegenheit mit allen auf die Synode sich beziehenden Verordnungen der staatSrcwtlichcnKom- mijsiou zur Prüfung der staatsrechtlichen Seite zu überweisen, angenommen. In der 25. Sitzung am 14. Juli interpellirt Hopf den Justizministcr, wie die württcmb. BundeSrathsbcvollmächtigtcn instruiret waren, sich in der Diätenfrage zu verhalten. Oeflerlen interpellirt den Finanzminister, ob die württcmb. Bevollmächtigten im Bundcsrath der Aufstellung der militä­rischen Leistungen als ausschließlichen VertheilungSmaßstabs der Kriegskosten- cntschädigung zugestimmt.haben. Bei der nun folgenden Berathung des Be­richts der staatsrechtlichen Kommission über den Gefftzesentwurf, die religiösen- Dissidentenvereine betr., wird der einzige Artikel in folgender Fassung ange-. nommen:Die Bildung religiöser Vereine außerhalb der vom Staat als öf­fentliche Körperschaften anerkannten Kirchen ist von einer staatlichen Geneh­migung unabhängig. ES steht diesen Vereinen das Recht der freien gemein- samen Religionsübung im häuslichen und öfscnt icben Gottesdienst, sowie der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten zu. Dieselben, dürfen jedoch nach ihrem Bekeuntniß, ihrer Verfassung oder ihrer Wirisamkcit mit den Gebeten der Sittlichkeit oder mit der öffentlichen Rechtsordnung nicht: in Widerspruch treten."

Heidelberg, 15. Juli. Der von den Münchener Protest- katholikrn auf dieses Spätjahr ausgeschriebenen großen Katholikenver­sammlung soll eine vertrauliche Vorversammlung hier vorauögehen.

München, 16. Juli, M/? Uhr. Nach einer auf dem Ober­wiesenfeld ftattgehabtcn Parade ist so eben unter Kanonendonner und Glockengeläute der Truppeneinzug beim schönsten Wetter und unter dem unbeschreiblichen Jubel der Bevölkerung programmgemäß erfolgt. Die Truppen werden am 17. ds. Rasttag haben, mit dem darauf folgenden Tage jedoch in ihre verschiedenen Garnisonen abgehen; an diesen: Tage wird die Demobilisirung des Heeres in in ihrem ganzen Umfange beginnen.

München, 14. Juli. Die zur Berathung über Er-- leichterungen im Zollwesen in Berlin zusammentretende internationale Konferenz wird am 21. August ihre Thätigkeit .beginnen und von Deutschland, Italien, Rußland, Dänemark, Spanien, Portugal, Oester­reich, Großbritauien, Schweden, Norwegen, Belgien, der Türkei und Holland beschickt werden. Dem Vernehmen nach sind Unterhand­lungen im Gange» um den Angehörigen der bairischen Armee den Besuch der preußischen Kriegsschulen und Akademien zu ermöglichen.

-- Die bairisjchen Generale haben, wie die preußischen, ihre während des letzten Feldzugs geführten Tagebücher über die Aktionen, der ihnen unterstellten Truppen als Beitrag zur Abfassung der Kriegs­geschichte des letzten Feldzugs au den großen Generalstab nach Ber­lin einzusenden.

Dresden, 17. Juli. Der Kronprinz von Sachsen erhielt von dem Kaiser von Rußland ein Telegramm, in welchem ihn der Kaiser zum russischen Feldmarschall ernennt.

(Kepler-Feier.) In Graz hat sich ein Komite gebildet,, das im Dezember d. I. zu Ehren des 300jährigen Gedenktages der Geburt des Astronomen Kepler (27. Dezember 1571) eine entspre­chende Feier veranstalten wird. Kepler war vom Jahre 1594 bis zum Jahre 1600 Professor der Mathematik an der evangelischem Stiftsschule in Graz. Keplers Wohnhaus steht noch, es befindet sich in der sogenannten Stempsergasse, einem Zweige der Herrengasse.

Frankreich. Die neue Armee Frankreichs zählt in Paris 50,000 Mann Soldaten und 15,000 Gensdarmen und Friedenswächter, in Algier 70,000, in Lyon 30,000, in Versailles 30,000 und in den Garnisonsstädtcn 50,000 Monn, also im Ganzen 245,000 Mann.

Wie Pariser Blätter sich beklagen, will die Regierung in den Theatern und Konzerten keine Spottlieder u. dgl. gegen die Preußen vortragen lassen, da deren noch so viele in Frankreich seien. Sie scheint demnach wirklich eingesehen zu haben, daß in dicsemAngenblicke die Hetzereien gegen die Dentschen höchst unangenehme Folgen haben müssen,

Paris, 17. Juli. Die Zahlung der ersten (halben Milliarde hat noch nicht beendigt werden können in Folge der materiellen Schwierig­keiten, welche mit dem Endossement der Wechsel verbunden sind. Die Preußen werden die Departements Eure, Somme und Seine insörieure räumen, sobald die Zahlung beendigt ist. Man versichert, die Regie­rung werde Maßregeln zur Zahlung der folgenden Milliarde treffen, um die Räumung der übrigen Departements zu beschleunigen.

Gold-EourS

der k. w. StaatskalsenVcrwaltnng. U >ivcränderlicher C » urs: Württ. Dukaten 5 fl. 45 kr. Veränderlicher C 0 urs: Rand-Dukaten 5 fl. 34 kr.

Friedrichsd'or 9 57

Pistolen 9 41

20-Frankenstück 9 20

Stuttgart, 15. Juli 1371.

Frankfurter Gold -Cours vom 18. Juli.

Pistolen « 4042

Friedrichsd'or . 9 88 - 59

Holland lOfl.-Srücke d 5857

Nand-Dukaten 5 34-30

SO-Frankenstücke S 21SS

Engl. Sovereign» tl 8153

Dollars in Sols 2 25' ,

Reüjgirt, gedruckt nnd verlegt von A. Oelichläger.