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s«rlcht»ft<mck für brick« kill« Iftcalw.

Nr. 60

Bmts- mul ünzeigeblatl für äen Oberamlsbezirk calw.

Samstag, den 13. März 1926.

Bezugspreis;

In ckerStackt 40 Solckpfennkge wöchentlich, mitDrägerlohn. Post-Bezugspreis 40 6olck Pfennige ohne Sestellgelck,

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Fernsprecher Nr. S.

verantwort!. Schriftleitung: Frieärich Hans Scheel«. Druck unck Verlag äer R. Oelschlöger'schen Luchckruckerei.

100. Jahrgang.

Der Höhepunkt der Genfer Krise.

TSuschungsversuche

auf Kosten Deutschlands.

Veränderte Situation des Kampfbitdes.

Spanien und Brasilien treten in den Hintergrund. Polen wird wieder nach vorn geschoben.

TU Genf, 13. März. Die gestrigen Vormittagsbesprechungen haben insofern eine Acnderung in der Situation ergeben, als Spanien und Brasilien, von deren Stellungnahme bisher der Verlauf weiterer Verhandlungen und die Lösungsmöglichkeit abhängen, in den Hintergrund getreten sind. Man scheint sowohl aus spanischer, wie auf brasilianischer Seite zur Einsicht gekom­men zu sein, daß es klüger ist, den Rückzug anzutreten, bevor man sich durch seine Hartnäckigkeit alle Sympathien verscherzt hat. Damit es nicht an neuen Schwierigkeiten fehle und die Echlußverhandlungen sich zu leicht gestalten, sind erneut die Polen auf dem Plan erschienen, die sich während der letzten Tage eine bemerkenswerte Zurückhaltung auferlegt hatten. So ist cs nun der polnische Ministerpräsident Graf Skrzynski, der die größ­ten Schwierigkeiten zu einer Einigung zu kommen, macht. Po­len verlangt nicht mehr und nicht weniger als einen nichtstän­digen Ratssitz für Polen schon während dieser Märztagung und findet leider hiesiir, wie zu erwarten war, die stärkste Unter­stützung auf französischer Seite. Das polnische Hindernis ist nicht geringer einzuschätzcn als bisher das spanische und das brasilia­nische, denn Spanien und Brasilien handelten auf eigene Faust, ohne in ihren Anforderungen von den Großmächten entscheidend unterstützt zn werden. Da cs sich bei den polnischen Forderungen um einen nichtständigen Ratssitz handelt, so wird.auch die Völ­kerbundsversammlung ein Wort mitzureden haben.

Ein unaunehmbarer Kompromißvorschlag.

Der. französische Vorschlag, Polen bereits in dieser März­tagung zum nichtständigen Ratsmitglied wählen zu lassen, ist an dem deutschen Widerstand gescheitert. Der neue Lösungs­versuch, um den man sich nun bemüht, ist folgender: Deutschland soll vor seinem Eintritt in den Völkerbund un vor seiner Wahl zum ständigen Ratsmitglied seine Zustimmung geben, im Rate für eine Erhöhung der nichtständigen Sitze von 6 auf 7 zu stimmen. Der Vollversammlung im Herbst soll es dann überlassen bleiben, bei der Wahl der neuen nichtstän­digen Ratsmitglieder Polen für einen nichtständigen Sitz zu wählen.

Man steht nicht recht ein, warum Deutschland auf diesen zweiten Vorschlag eingehen soll, da es nichts von ihm zu er­warten hätte.

Die deutsche Delegation lehnt alle Kompromiß- vorschlüge ab.

Der gestrige Abend hat eine folgenschwere Entscheidung ge­bracht. Die deutsche Delegation ist fest geblieben und hat alle Kompromißvorschläge abgelehnt. Der Reichskanzler Dr. Luther hat um 7 Uhr abends dem englischen Außenminister Chambcr- lain hiervon Mitteilung gemacht.

Die Gründe für Deutschlands Haltung.

Die Haltung der deutschen Delegation war von vorn­herein bestimmt. Deutschland war bei seinem Aufnahmeantrag den konstitutionellen Weg gegangen. Gegen seinen Anspruch auf einen Ratssitz hatte sich kein prinzipieller Widerspruch er­hoben. Es wollte in den Völkerbund ausgenommen werden, ohne sich an dessen schweren Problemen zu beteiligen, bevor es ihm angehört. Schweden war der Träger der Idee, daß die Erweiterung des Rates dem Ideal des Völkerbunds wi­derspreche. Deutschland konnte sich nur auf den Standpunkt stellen, daß es bereit sei, keinen prinzipiellen Widerstand gegen eine Erweiterung des Rates zu gegebener Zeit zu erheben. Tatsächlich liegen die Dinge so, daß nicht Deutschland durch seine Haltung den Frieden der Welt stört, sondern daß der polnische Ratssitz den anderen mehr wert ist, als dieser Frie­den. Bis zum Schluß hat di« deutsche Delegation die Ruhe bewahrt und denen, die bereits dem Völkerbund angehören, die Austragung der Gegensätze überlassen. Für Deutschland war dies eine Frage des Prinzips.

Es kannsich nicht um ein Nachgebcn von beiden Seiten und um ei» Treffen auf mittlerer Linie handeln. Wenn die deutsche Delegation auch nur einen Schritt von ihrem Stand­punkt abweichen würde, so hätte sie damit den ganzen deut­schen Standpunkt aufgegeben. Die deutsche Delegation würde auch gegen die geschlossene öffentliche deutsche Meinung han­deln, wenn sie auf Vorschläge eingehen würde, die die Mehr­heit des deutschen Volkes mißverstehen könnte. Darum hat sie die Gewißheit, daß ihr Beschluß von dem gesamten deutschen Volke, aber auch weit darüber hinaus vom Auslande ln allen Neutralen Staaten, sowie iir England und in den Vereinigten

Staaten Billigung finden wird- Die deutsche Delegation hat als Vertreterin des deutschen Volkes das erste Mal feit dem Kriege, bewiesen, daß Deutschland sich seiner Kraft und seines Rechts bewußt sein muß, wenn es das Ansehen wieder erlan­gen will, das ihm die Nachkricgsjahre raubten.

Nach der deutschen Ablehnung.

Nachdem Reichskanzler Dr. Luther dem englischen Außen­minister Chamberlain die ablehnende Antwort der deutschen Delegation mitgeteilt hatte, begab sich Ehamberlain sofort zu Briand, mit dem er eine längere Unterredung hatte.

Briand am Ende seiner Kräfte.

Briand, der in den späten Abendstunden des Freitags die sranzösische Presse empfing, erklärte bei dieser Gelegenheit, die alliierte,, Staaten hätten soweit nachgegcbrn, l>ah sie nicht weiter gehen könnten, als sic es geta hätten. Was sich am Samstag ereignen werde, wisse noch niemand. Ie^eri'alls müsse die Ini­tiative von Deutschland ergriffen werden. 01

Ratlosigkeit iy Genf.

Man willden Fall übers K«ie brechen".

TU Gens, 13. März. In den gestrigen Abendstunden herrschte in allen fremden Lagern völlige Ratlosigkeit. Die Delegierten entwickeln eine fieberhafte Tätigkeit. Zahlreiche Besprechun­gen finden statt. Chamberlain, der für 7 Uhr einen Empfang der englischen Presse angesagt hatte, ließ ihn nach dem Besuch Dr. Luthers wieder absagen. Nach seinem Besuch bei Briand begab er sich sofort ins Hotel Metropole zu dem Vorsitzenden des Rates, Graf Jshii. Die Unterredung zwischen beiden dauerte eine Viertelstunde und man mißt ihr eine besondere Bedeutung Lei. Man spricht von der Möglichkeit, daß der Völkcrbundsrat noch in der Nacht eine inoffizielle Ratssitzung abhalton wird, je­doch ist Bestimmtes darüber noch nicht zu erfahren. Bei der allgemeinen Unsicherheit steht nur fest, r» die deutsch« Delega­tion keine neuen Vorschläge mehr machen wird, nachdem ihr Vorschlag über die Einsetzung einer Kommission abgelehnt wor­den ist. Darüber ist man sich allgemein klar, sodaß man die Ini­tiative bei der anderen Seite sucht. Im französischen und im englischen Lager neigt man anscheinend dazu, mit den Bespre­chungen hinter verschlossenen Türen Schluß zu machen und eine Entscheidung des Rates in offizieller Sitzung herbei?,usiihren, doch kann jede Stunde neue Beschlüsse bringen und die alten wieder unuwersen. Nervosität und Entmutigung spricht aus allen Gesichtern in den anderen Lagern. Die verschiedensten Möglichkeiten werden erörtert. Von maßgebender französischer Seite wird erklärt, daß vermutlich nichts anderes übrig bleibe, als den Stab übers Knie zu brechen. Die Ratsmitglieder hätte« sich verpflichtet, Deutschland einen ständigen Sitz nach seiner Ausnahme anznbieten und müßten ihr Versprechen halten. Keine Sophismen brächten sie um dessen Einhaltung. So weiß man noch nicht, was die nächsten Stunden bringen werden.

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Stallen und der Völkerbund.

TU Rom, 13. März. Die Tribuna charakterisiert heute Unden als deutschen Agenten, der den Auftrag habe, deutsche Politik im Völkerbun dvorzubereiten. Nun dürfe Chamberlain nicht unverrichteter Dinge wieder zurückreisen und auch Bri­and habe vom Kartell eine bestimmte Marschroute vorgeschrie­ben bekommen. Man erlebt daher jetzt das groteske Beispiel, daß England und Frankreich den Eintritt desguten, braven und friedfertigen Deutschlands" begünstige. Eine ähnliche Dramatisierung des Blödsinns" hätte niemand zusammen­phantasieren können. Allein die Politik Mussolinis, die eine neue Diplomatie geschaffen und die den PangcrnmnismuS, den Geist von Locarno" rechtzeitig enthüllt habe, ist mit ihrer gesunden Realistik auf Kultur aufgcbant. Sie bedeutet eine gesunde europäische Neuorientierung. Mit dieserNeuorien­tierung" wird auf die Bemühungen Italiens ausgespielt, sich als Führer des BlockesKleine Entente plus Griechenland und Polen evtl, auch Ungarn", den Block der Klein-Loearnisten gegenüber dem Block der Groß-Locarnisten, England und Frank­reich plus Deutschland aufzuspielen.

Forderungen des Saargebiets.

TU Genf, 12. März- Die Verwaltung des Saargebietes hat an den Rat des Völkerbundes eine Denkschrift eingercicht, ln der es heißt:

Der Rat möchte an Stelle des Präsidenten Raoult eine an­dere Persönlichkeit ernennen und von der Wiederernennung der Herren Raoult und Lambert zu Mitgliedern der Regierungskom­mission absehen. Eine Ersetzung der Herren Raoult und Lam­bert durch andere Persönlichkeiten dürfte nach der sechsjährigen Amtsdauer dieser Herren den Prinzipien der Gerechtigkeit und Billigkeit entsprechen. Ferner möge der Rat veranlassen, daß die parlamentarischen Rechte des Landesrats erweitert werden, daß

Tages-Spiegel.

Die deutsche Delegation hat alle Kompromißvorschläge in der Frage der Ratssitze abgelchnt.

Rach der Ablehnung der deutschen Delegation herrscht in Genf Ratlosigkeit über den Fortgang der Verhandlungen.

Arbeitsminister Dr. Manns traf in London «in, wo er von dem Deutschen Botschafter Dr .Sthamer empfangen wurde. Am Montag findet die erste Sitzung der Arbeitszeit-Konferenz statt.

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Der Reichstag begann gestern mit der EinzelauSsprache über den Etat des Reich Ministeriums d.cs Innern.

Reichsernährungsminister Dr. Haslind« hielt gestern im Ha»S- haltsausschuß des Reichstages seine Antrittsrede.

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Im Rcchtsausschuß »es Reichstags begannen gestern die Bera­tungen über das Kompromiß zur Fürstenabfindung.

Das Reichslabiuett hat einem Gesetzentwurf über die Förderung des Baues von Kleinwohnungen zugestimmt. Die Regierung wird zum Bau von Kleinwohnungen 200 Millionen als Zwi« schenkredit zur Verfügung stellen.

für die Wahl zum Landesrat alle Saarländer das passive Wahl­recht erhielten und daß die Verhältniswahl mit gebundenen Listen eingeführt wird. Außerdem möge der Rat die baldige restlose Zurückziehung des französischen Militärs aus dem Saar­gebiet veranlassen.

Dr. Haslinde

über die Rot der Landwirtschaft.

TU Berlin, 13. März. Im Haushaltsausjchuß des Reichs­tages wies gestern Reichsminister Dr. Haslinde bei Beginn der Beratungen des Etats des Reichsministeriums für Ernäh­rung und Landwirtschaft darauf hin, daß sein Ministerium ge­rade im gegenwärtigen Augenblick vor besonders ernste, drin­gende und verantwortuigsvolle Aufgaben gestellt sei. Die Haupt» schwierigkeit liege nicht in der Nahrungsmittclbeschaffung, son­dern darin, daß die deutsche Landwirtschaft trotz intensiver Kraft» auswenl>ung eine tiefgehende Krisis durchmache, die sich allmäh­lich in eine auszehrende Krankheit auswirke. Die Gründe feien in dem völligen Mangel an Betriebskapital, in dem gewaltigen Steuerdruck und anderen Ursachen zu suchen. Demgegenüber stehe auf der anderen Seite eine mangelnde Rentabilität. Wenn er es trotz dieser ernsten Notlage der Landwirtschaft als eine volkswirtschaftliche und vaterländische Aufgabe ersten Ran­ges ansehe, eine weitere Steigerung der Produttion herbeizu- führen, so seien erhebliche Beihilfen von Reich und Staat not» wendig. Es müsse alles daran gesetzt werden, diesen wichtigen Wirtschaftszweig wieder zur Gesundung zu bringen. Die Maß­nahmen, die di« Reichsregierung ergriffen habe und durchzufüh- ren gedenke, bewegten sich nach drei Richtungen: Hilfe von der Kreditseite, von der Absatz- und Rentabilitiitsseite «nd «nrch einzelne Hilfs» «nd FördernngsmaßNahmen. Die kurzfristigen Kredite sollten in langfristige umgewandelt werden. Di« Reichs­regierung sei entschlossen, auf dem eingeschlagenen Weg« ener­gisch fortzuschreiten. Bezüglich der zweiten Maßnahme verwies der Minister auf den Gesetzentwurf zur Sicherung der Getreide­bewegung. Die Schwankungen beim Roggenpreis sollten aus- geschaltet und im günstigen Sinn beeinflußt werden. Bon der Vorlegung eines Gesetzes zur zwangsweisen Regelung des Rog- genoerbmuches müsse die Regierung absehen, weil der Nutz­effekt einer solchen Regelung doch nur ein geringer sein würde gegenüber den Schwierigkeiten und Nachteilen, die zu befürchten seien. Dagegen müsse die Propaganda für ein gesundes und bil­liges Roggenbrot nachdriicklichst gefördert weiden.

Der Minister stellte dann bezüglich der Ernährungslage fest, daß die Ernteergebnisse des Jahres 1925 im allgemeinen gut, für Brotgetreide vorzüglich seien. Die Brotgetreideernte habe nahezu 11Z Millionen Tonnen gegenüber 8,3 Millionen Ton­nen im Jahre 1924 betragen. Gegenüber den Vorjahren könne diesmal nicht von einem Mangel an Angebot die Rede sein. Vielmehr müsse von einer empfindlichen Absatzkris« gesprochen werden, aus der ein verstärkter Druck auf die Erzeugungspreise herzuleiten sei. Wenn sich die Preissenkungen der landwirtschaft­lichen Erzeugnisse auch in den kleinsten Handelspreisen ausge- wirtt hätten, so sei das zweifellos mit auf die Preissenkungs- aktion der Reichsregierung zurückzuführen. Bei den Fleischprei­sen habe sich die Spanne zwischen Vieh- und Ladenpreis nicht unerheblich verringert. Der Fleischverbrauch habe sich im übri­gen 1925 gegenüber 1924 gehoben und zwar bis auf 88.4 Proz. des Verbrauches von 1913. In Rückstand sei immer noch der Brotverbrauch, ebenso der Verbrauch von Frischmilch. Eine groß­zügige Milchpropaganda stehe bevor.^