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überzeugen, daß Frankreich, nachdem es den Vertrag unterzeichnet habe, entschlossen sei, alle seine Bestimmungen zu erfüllen. Die Bevollmäch- tigten begriffen, daß der Friede im Interesse beider Länder geschlos­sen werden müßte. Unglücklicherweise haben wir die schwere Kette, welche uns die Insurrektion von Paris aufgebürdet, nicht abzuschüt­teln vermocht. Die Insurgenten sind für die Verschlimmerung der Läge des Vaterlandes verantwortlich und haben Deutschland die Fort­setzung der Okkupation zur Nothwendigkeit gemacht, aber wir werden die Ordnung schnell mit Gewalt wiederherstelleu und vor keiner Noth­wendigkeit, welche uns der Aufstand auferlegt, zurückweichen. Was die anderen Bestimmungen des Vertrags betrifft, so sind sie nicht von denen des Prülim'narfriedens abweichend. Der zweite Theil der Kriegskosten wird in 3 Jahren bezahlt. Beeilen wir uns, den ersten Theil noch vor den Terminen zu bezahlen, um so bald als möglich das französische Gebiet von der Okkupation zu befreien. Die ver­kauften Eisenbahnen werden bei den ersten 2 Milliarden, welche wir zu zahlen habe», mit 325 Millionen angerechnet. Die Bestimmun­gen über den Handel werden Gegenstand Ihrer eingehenden Prüfung sein. Die zuständigen Minister werde» Ihnen darthun, daß wir alles erlangt haben, was zu erlangen möglich war. Wir haben einen Rayon von 8 Kilometer um Bclfort erlangt. Deutschland schlägt vor, uns das ganze Arrondissement Bclfort gegen einige Länderstriche abzutreten, welche unsere Grenze gegen Luxemburg bilden. Sie ^er­den den Vorschlag zu prüfen haben. I. Favre liest hierauf den Fricdensvertrag vor, und fügt hinzu: Die Zahlung der ersten Milliarde wird bewirkt werden, sobald Deutschland die Wiederherstellung der Ordnung in Paris anerkannt hat. Die Zahlung der andern Mil­liarde erfolgt bis zum 1. Mai 1872; die Zahlung der drei letzten Milliarden bis 1. März 1874. Die Zinsen der nicht bezahlten Summen werden mit 5 pCt. vom 2. März 1871 ab bezahlt. Die Zahlung der Kriegsentschädigung hat in Gold oder Silber oder eng­lischen, preußischen, niederländischen, belgischen Bankbillets oder endlich Wechseln erster Klasse zu geschehen. Die Departements Somme, Seine införieure und Eure werden unverzüglich geräumt werden, die Departements Oise, Seine et Oise, Seine et Marne und das Seine­departement, wenn die deutsche Regierung die Ordnung wieder herge- stellt erachten wird, aber erst nach der Zahlung der dritten Milliarde. Die deutschen Truppen werden keine Reqnsitioncn vornehmen, außer wenn die Zahlung der Unterhaltskosten sich verzögern sollte. Eine Herabminderung der Unterhaltskosten wird stattfinden, wenn die Zahl der deutschen Truppen unter 500,000 Mann betragen wird. In Bezug auf den Handel wird Deutschland als eine der meist begünstig- ten Nationen behandelt werden, wie England, Belgien rc. Die aus- gewiesencn Deutschen werden wieder in den Besitz ihres EigenthumS treten, und in ihre Rechte, auf französischem Gebiete zu wohnen, wieder eingeführt werden. Die Kriegsgefangenen werden znrückkehren, ein Theil derselben wird entlassen, der andere Theil wieder in die Armee eingcreiht werden; jedoch mit der Beschränkung, daß nur 80,000 Mann von denselben vor Paris verwandt werden dürfen. Die Garnisonen in den Departements können bezogen werden. 2o,000 Mann werden auf Lyon dirigirt, um nach Algerien zu gehen. Der Rest der Armee wird hinter der Loire bleiben.> Jules Favre schließt sein Expose, indem er sagt, die Gefangenen in Main; und Koblenz seien voll Zuversicht, bereit, ihre Pflicht zu thun und die Ordnung, das Vaterland und die Nationalversammlung zu vertheidigen. Die für Lyon bestimmten 20,000 Mann sind bereits dorthin abgegangen, die übrigen werden ohne Verzug folgen. Auf Verlangen I. Favres wurde die Dringlichkeit der Berathnng des Friedensveiträges ange­nommen. Die Verlesung des Friedensvertragcs rief in der National­versammlung und dem Publikum eine große Bewegung hervor.

Versailles, 13. Mai, 9 Uhr Morgens. Unsere Truppen laben diese Nacht daS Seminar von Jsfy genommen. Die Verluste der Insurgenten sind beträchtlich. Gei der gestern erfolgten Ein­nahme des Klosters des Oiseanx wurden 8 Kanonen erbeutet. Man versichert ferner, daß an 100 Föderirte getödtet und mehrere hundert Gefangene gemacht worden seien. Die Annäherungsarbeiten schreiten unablässig vorwärts. Das Geschützfeuer dauert mit Heftigkeit fort. Jules Favre und Pouyer-Quertier sind gestern Abend hier wie­der eingetroffen. Ein Tagesbefehl Mac-Mahon'ö an die Armee, vom 12. d. M., sagt:SoldatenI Ihr habt dem Vertrauen, wel- ches Frankreich m euch gesetzt, entsprochen. Durch eure Tapferkeit und Energie habt ihr die Hindernisse besiegt, welche euch die Insur­rektion entgegknstellte, die über all: von uns gegen den Fremden vor­bereiteten VertheidigungSmittel verfügte." Der Tagesbefehl zählt hierauf clle in letzter Zeit vollführten Waffenthaten auf, konstatirt die Gefangennahme von 3000 Nationalgard:» und die Erbeutung von 150 Geschützen und fügt hinzu:Das Land zollt euren Erfolgen Beifall und sicht darin das Vorzeichen von dem Ende des Kampfes,

den wir Alle beklagen. Paris ruft uns, cs von der vorgeblichen Re- gierung, welche es unterdrückt, zu befreien. Binnen Kurzem werden wir auf seinen Wällen das nationale Banner aufpflauzen und die Wiederherstellung der Ordnung erlangen, die von Frankreich und ganz Europa gefordert wird. Soldaten! Ihr habt die Dankbarkeit deö Vaterlands verdient."

Versailles, 14. Mai. 10 Uhr Morgens. Die Bresch- batterieu sind bereit, das Feuer gegen die Enceinte zu eröffnen.

Paris, 13. Mai, 8 Uhr Morgens. Billioray hat Deles- cluzc im Wohlfahrtsausschuß ersetzt. Drei Nationalgardisten, de« Verraths in der Affairc von Moulin Saquet schuldig befunden, sind erschossen worden. Ein anderer, welcher die Redoute von Hautes

Bruyöres hatte ansliefern wollen, wurde gleichfalls erschaffen._Die

Polizei trifft alle Vorsichtsmaßregeln, um jeden von Nationalgarden ausgehenden Auflehnungsversuch gegen die Kommune zu unterdrücken.

Paris, 14. Mai. Das Sicherheitskomite verfügte: Jeder Bürger muß eine Legitimationskarte bei sich tragen (!)- Die ra­dikalen Zeitungen klagen die Kommune der Schwachheit an; der Social" verlangt die Aukl-ge der Mitglieder des Centralkomitcs und die Unterdrückung des letzteren.Reveil" erwähnt das Gerücht, die Kommune wolle abdanken. Die auf dem Montmartre aufgestell- ten Batterien eröffuetcu gestern Nacht das h euer auf St. Onen und Gennevilliers. Alle disponiblen Truppen sind nach dem Malakoff, nach Petit Vanvres und zrand Montrouge geschickt.

Paris, 14. Mai, Morgens. Die Regierung in Versailles hat eine Waffenruhe bewilligt, damit die Einwohner von Vanvres, Jsfy und Montrougc ihre Wohnungen verlassen können. Die Was- fenrnhe dürste heute morgen cintreten. Gestern rersuchten die Ver­sailler Bicetre zu nehmen, wurden jedoch zum Rückzüge genöthigU Die Versailler halten das Thal der Bievre besetzt.

Versailles, 15. Mai. In der verflossenen Nacht hat sich nichts von Belang zugetragen.j Das Feuer der Batterien von Montre-- tont und der anderen auf dieser Seite errichteten Batterien bringt fortdauernd beträchtliche Verwüstungen in der Umwallungsmaner her­vor. Zahlreiche auf derselben plazirte Geschütze der Föocrirten wui> den demontirt; andererseits deckten die diesseitigen Batterien unsere: Annäherungsarbeiten, welche ununterbrochen fortschreiten. Im Fort Vanvres sind gestern 60 Kanonen vorgefnnden worden.

Paris, 15. Mai. Die Versailler stehen vor den Pariser Wällen von der Porte de la Muctte bis zur Porte Jffy und wech­seln Schüsse mit den Insurgenten. In den Tuilerien und im Tui- leriengarten sind Batterien errichtet, um ein Flankenfeucr gegen die ChampS Elysaes zu unterhalten. Der Luxembourg-Garten ist ge^ schlossen und mit 4 Bataillonen Nationalgarde besetzt. Die Com­mune scheint einen Aufstand zu befürchten. Allgemein ist die Ueber- zengung von dem Bestände einer Verschwörung gegen die Commune.

Paris, 15. Mai. Das 144. Bataillon der sedentären Nationalgarde» welches heute nach Jffy beordert wurde, verweigerte den Marsch. Pascal-Grouffet sagt in einer Proklamation und einem Ruf um Hitze an die großen Städte:Paris wird bis zum Ende hinter seinen Barrikaden von Haus zu HanS kämpfen." Das Versailler Feuer verhinderte die wirksame Befestigung der Porte Dauphine. Der ganze Westen und Südwesten von Paris ist jetzt: unbewohnbar, Bomben und Kugeln regnen überall. Fort Vuiivres wurde gestern von den Föderirtcn geräumt, von den Versaillern be­setzt , jedoch weht die Tricolore noch nicht auf dem Fort. Der Fall von Montrouge ist bevorstehend.

Versailles, 15. Mai, Abends. Die Enceinte von Paris hat mehrere Breschen, Porte d'Auteuil ist vollständig zerstört. Das Geschützfcuer dauert fort, behufs Erweiterung der Bresche.

Paris, 16. Mai. Oberst Henri ist zum Stabschef des Kriegsministers, Oberst Matthieu zum Kommandanten der Truppen zwischen dem Point du jour und der Porte Wagram ernannt. Alle Handwerksleute über 40 Jahre sind aufgefordert, an der Vertheidigung von Paris zu arbeiten gegen einen Arbeitslohn von 3 Fr. 75 Ct. täglich. DemVengeur" zufolge ist da« Einverständniß zwischerr Delescluze und dem Centralkomite wieder hergestellt. Die Vendüme- sänle soll heute um 2 Uhr demolirt werden.

Türkei. Konstantinopel, 11. Mai. Mustapha Bey, der Adjutant des KciegSministers, hat an den Letzteren folgende aus Suez vom gestrigen Tage datirte Depesche gesandt:Raidah ist mit Sturm genommen, wobei Mehmed Ibrahim^ seinen Tod gffnnden hat. Der assyrische Aufstand ist hiermit vollständig beendigt. Ich kehre mit 360 gefangenen Insurgenten zurück, um speziellen Bericht zu erstatten." 6. Mai. Die russische Streitmacht im Schwarzen Meere wird auf die gleiche Stärke gebracht, die sie vor dem Krim- kricgc hatte. In Nikolaheff werde n Monitors erbaut.

Rcdigirt, gedruckt und verlegt von A. Oclschliig er.