bringend bedürftig; es sei nöthig, die Verhandlung über den Frieden muthig zu führen, derselbe dürft nur angenommen werden, wenn er ehrenvoll sei. (Was heißen die Franzosen ehrenvoll?) Thiers kün digt ferner die Reorganisation der General- und Munizipalräihe au, für welche Neuwahlen ausgeschrieben werden. Er erklärt schließlich, es sei nicht zu billigen, doß man sich mit der konstitutionellen Frage beschäftige, so lange sich Frankreich unter feindlichem Drucke befinde. Thiers verlangt den Beistand der Versammlung zur Wahrung der Interessen des Landes. Jules Favre beantragt die Ernennung ei­ner Kommission von 15 Mitgliedern, welche sofort nach Paris gehen und im beständigen Zusammenhänge mit den Personen, welche die Un­terhandlungen führen, stehen soll. Die Verhandlungen würden der Kommission zur Berichterstattung an die Nationalversammlung nutze- theilt werden. Thiers beantragt, die Sitzungen der Nationalversamm­lung während der Friedensunterhandlungen zu suspendiren. Der Antrag Jules Favrc's auf Einsetzung einer Kommission von 15 Mit­gliedern zur Beihilfe bei den Friedensverhandlungen wird angenommen und die Mitglieder der Kommission werden ernannt. Thiers fordert wiederholt zur Suspendirnng der Sitzungen auf, damit die Friedens­verhandlungen nicht durch Anträge von schädlichem Einflüsse beeinträch­tigt werden. Germain bringt einen Antrag ans Eröffnung eines Kredits von 100 Millionen zur Deckung der Kriegslasten ein.

Bordeaux, 19. Febr. Die Nationalversammlung wählte in die Kommission zur Mitwirkung bei den Friedensverhandlungen Benoit d'Azy, de Limörac, Desseilligny, Victor Lefranc, Laurence de-Les- Pörnt, St. Marc Girardin, Barthölemy St. Hilaire, Paladine, Rocourt, Lemury, Obassoit, Vilet, Saisset; 2 Namen fehlen. Gam- betta fragt an, ob die Kommission sich wirksam «m den Verhandlungen betheiligen und,ob sie die weitere Entscheidung der Versammlung bin­den werde? Simon erklärt, die Regierung beabsichtige nicht, daß die Kommission die Versammlung binden solle. Die Kommission sollte nur die Vermittlerin zwischen den Unterhändlern und der National­versammlung sein. Gambetta erklärt sich zufrieden gestellt. Picard und Favre sind heute Abend nach Paris abgereist.

Bordeaux, 18. Febr. Das Protokoll über die gestrige Si­tzung, worin ThierS zum Präsidenten der Exekutive ernannt wurde, meldet: Thiers sagte bei Entwicklung seines Friedensprogramms: Der Friede erscheint mir absolut nothwendig, und ich will nicht da­ran verzweifeln, daß die Unterhandlung auf der Grundlage von ehren­hafte» Bedingungen möglich sein wird." Gestern erschien Gam- bctta zum erstenmal in der Versammlung und nahm auf der äußer­sten Linken seinen Sitz ein.

Bordeaux, 12. Febr. In einem gestrigen Kriegsrath unter dem Vorsitz Chanzy'S wurden neuerdings insbesondere auch maritime Maßregeln der Fortsetzung des Krieges berathen. Der Kriegsmini­ster Leflö wird der Kammer in geheimer Sitzung die von allen ihr ungehörigen Generalen Unterzeichnete Darstellung der militärischen Lage vorlegen. In Folge dieser Darstellung sollen Unterhandlungen eiueökostspieligen aber annehmbaren" Friedens angeordnet werden, wobei einerseits auf die noch bestehende Widerstandskraft, andererseits auf die neutralen Mächte gerechnet wird. Der Kricgsrath und sämmt- lichc Mitglieder der Regierung, ThierS inbegriffen, haben die aus den Zeitungen bekannten FricdcnSbedingnngen als unmöglich bezeichnet. Zur Stunde ist Thiers der Napoleon der Bauernmasscn, und die Bourgeoisie bewilligt ihm unbeschränkten Kredit. Er zeigt sich kalt und nicht ohne düstere Entschlossenheit. Mit allen Gründen der Ver­nunft und des Patriotismus spricht er für die liberale, konstitutionelle anti-revolutionäre Republik.

London, 18. Febr. Die Verlängerung des Waffenstillstandes ist das Acquivalent für die freiwillige Ucbergube Belforts. Aus be­ster Quelle wird bestätigt, daß deutscherseits jede Einmischung neutra­ler Mächte in die Friedensverhandlungen zurückgewiesen ist. Die FriedcnSbedingungen sind als Ultimatum ausgestellt, Graf Bismarck verweigert jede, auch die geringste Abänderung.

Paris, 18. Febr. Der Einzug der Preußen soll am 26. Februar stattfinden. Es verlautet s es habe sich ein Syndikat wegen Uebernahme der Kriegskostenentschädigunz gebildet. DerPatrie" zu­folge macht die Friedenssrage große Fortschritte. Nach Abschluß des Friedens soll der Nationalversammlung ein Gesetzentwurf betreffs der Bildung einer provisorischen Armee, welche aus der Klasse 1871 be­stünde, vorgelegt werden. Ein anderer Gesetzentwurf würde die Ent­lassung der jetzigen Armeen und Neuorganisation des Heeres anordnen. Die Mehrzahl der Journale bespricht die Wahl Thiers äußerst günstig.

Hinsichtlich der Versorgung von Paris seit Abschluß des Waffen­stillstandes dürfte die aus zuverlässiger Quelle geschöpfte Notiz von Interesse sein, daß bis jetzt allein auf der Eisenbahnroute Dieppe- Rouen Creil-St. Denis ca. 8000 Achsen Proviant und 2000 Achsen

Brennmaterial nacl Paris eingeführt worden sind. Veranschlagt man die Ladung einer . se nur mäßig mit 75 -80Ctr., so ergibt sich im Ganzen ein Tr. .isportquautum von nicht weniger als ^ Mill. Ctr.

Versailles, 18. Febr. Die Kontributionen, welche in Frankreich erhoben sind, sollen, soweit sie nicht Strafen sind, auf di- zu zahlende Kriegsentschädigung in^Abzug gebracht werden. Favre kehrt am Montag mit den Parlamentskommissarien zur Unterhandlung über den Frieden hieher zurück.

Bei der Abreise von Marseille hielt Garibaldi eine Rede, worin er zum Vertrauen und zu doppelten Anstrengungen aufforderte. Wie groß auch gegenwärtig das Unglück Frankreichs sei, Frankreich werde wieder zu neuer Größe aufleben. Die Republik allein sei möglich und allein im Stande, das Land moralisch und materiell wie» der zu heben. Man muss- sich in jeder Weise vorbereiten und orga» nisiren, um Rache zu nehmen.

Bordeaux ist mit Fremden geradezu überfüllt. Man schätzt die Zahl derselben aus 8090,000, und in jeder Stunde kommen noch endlose Züge aus allen Richtungen und überschwemmen die Stadt mit Neugierigen aller Nationen. Wenn man annimmt, daß Bordeaux circa 110,000 Einwohner zählt, so kann man sich ungefähr einen Begriff machen, in welchem Maße die Hotels und Prirathäuser in Anspruch genommen sind.

General Ducrot hat dem Vernehmen nach zwei seiner Ordon­nanzoffiziere in das deutsche Hauptquartier entsendet, welche für ihn die Erlaubniß nachsuchen sollen, vor ein Ehrengericht gestellt zu werden.

Rechnet man die Zahl der Bewaffneten zusammen, welche bis jetzt die deutsche Kriegführung unfähig zu weiterem Kampfe ge­macht, so ergeben sich in der That unerhörte Resultate. 120,000 Mann kriegsgefangene Soldaten in Paris, 80,000 Mann Mobil­garden in Paris, 300,000 mobilisirte und sedentäre Nationalgarde in Paris, 80,000 Mann in der Schweiz, 400,000 Kriegsgefangene in Deutschland, also 980,000 Mann! Dabei sind alle mobilisirterr und sedentären Nationalgarden in den von uns besetzten Städten na­türlich noch nicht mitgerechnet. Es sind dieß Zahlen, welche alles bisher Bekannte und Gewohnte in einer Weise übersteigen, daß eben gar kein Vergleich mehr möglich ist.

Sonstige Nachrichten.

Der vor dem K- Arsenale in Ludwigs bürg aufgestellte Beute» antheil von Sedan an Kanonen aller Art wurde am 17. noch um ein Ansehnliches vermehrt. Ueber 30 Geschütze mit den dazu gehö­rigen Munitionsmägen füllen den größeren Theil des geräumigen Ar» senalplatzes ans.

Berlin, 16. Febr. In gut unterrichteten Kreisen verlautet, daß eine Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum 4. März be­reits in Aussicht genommen sei. Sollte bis dahin ein definitiver Friedcnsabschluß noch nicht zu Stande gekommen sein, der Kaiser also noch nicht nach Berlin zurückkehren können, so wird eine Verta­gung des Termins zur Eröffnung des Reichstags eintreten, was nm so weniger Bedenken erregen kann, als ein Hauptgrund für den be­schleunigten Zusammentritt des Reichstags hinwegfällt, nachdem durch die Bewilligung des Landtags die erforderlichen Geldmittel bereit: gestellt sind, wovon hoffentlich kein Gebrauch gemacht werden wird. Da in unfern politischen wie militärischen Kreisen die Ansicht vor­herrscht, daß die französische Nationalversammlung die deutschen Frie­densbedingungen annehmen wird, und es als selbstverständlich betrach­tet wird, daß beim Friedensabschluß Frankreich sich beeilen wird, durch­vollständige Erfüllung der Bedingungen den Abzug der deutschen. Truppen zu beschleunigen, so sind von unserer Militärverwaltung- bereits die nöthigen Einleitungen getroffen zur möglihst raschen Be­förderung unserer Truppen in die Heimath. Auch sind schon jetzt die erforderlichen Bestimmungen getroffen für die regelmäßige Besa­tzung der Festungen und Garnisonen im Generalgouvernement Elsaß und Lothringen; es sind nämlich 18 Infanterieregimente,: nebst ent» sprechender Artillerie und Reiterei, also zwei vollständige Armeekorps,, auf Friedenssuß 4244,000 Mann, für die regelmäßige Besatzung der zu Deutschland geschlagenen Departements bestimmt. Außerdem wird das 5. Armeekorps so lange die Champagne besetzt halten, biA Frankreich allen seinen beim Friedensschluß übernommenen Verpflich­tungen nack gekommen ist.

Schweiz. Rinderpest. Nach amtl'chcn Mittheilimgen ist vom Pontarlier aus die Rinderpest bereits in die Grenzdistrikte der Kan - tone Waadt und Nenenburg eingeschleppt worden. DieSchwyz-w Zeitung" fordert ihre Landsleute auf, sich ihres Biehstandes so wenig als möglich zu entblößen, indem in den Nachbarstaaten ein großer- Viehmangel herrsche und allen Anzeichen nach die Nachfrage nach Milch- und Schlachtvieh nach Abschluß des Friedens eine außergewöhn- liche sein werde. ,

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