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Berlin, 16. Mai. (Reichstag.) Die Zahl der Bundesstcuer- projekte soll durch die Vorlage eines neuen Steuergesetzentwurfes demnächst vervollständigt werden. Es soll, im Anschluß an das eng­lische System, eine QuittungSsteucr eingeführt werden, wornach vor Gericht nur gestempelte Quittungen zulässig sein wurden. Der Ge- sctzescntwnrf wegen Besteuerung des Braumalzes im norddeutschen Bunde bestimmt in Z. 1, daß die auf 20 Sgr. für jeden Centner Malzschrot oder Getreideschr. t bestimmte Steuer auf den Betrag von I Thlr. erhöht wird. Finanziell bedeutet diese Erhöhung eine Mehr- einnahmc von etwa 1,400,000 Thlr. jährlich.

Wien, 14. Mai. In beiden Häusern des Reichsraths, dessen

seit dem 20. Mai 1867 dauernde Session morgen durch eine kaiser­liche Thronrede geschlossen werden wird, hielten die Präsidenten heute ihre Schlußreden. Der Präsident des Herrenhauses, Colloredo, be- zeichnetc die Annahme der Grundrechte und die Durchführung des Dualismus in der Verfassung und Verwaltung als Hauptfrüchte der abgelanfenen Sessionsperiode. Zugleich aber drückte er sein Be­dauern über das Fernbleiben der dissenlirendcn Parteien ans, In dem Rückblick, den im Abgeordnetenhause Präs. Kaiscrfeld auf die Re­sultate der Session warf, sagte er, es sei-der Aufschwung, welchen Oesterreich seit 2 Jahren genommen, nebst der Erhaltung des euro­päischen Friedens, vorzugsweise dem reformatorischen Wirken des Reichsraths im fortschrittlichen Sinne zu danken. Der Präsident dankte der Regierung für die verfolgte friedliche Politik und erwähnte der Regelung der Finanzen, der Heeresorganisation, des ungarischen Ausgleiches und des Ausbaues der Verfassung. (St.A.)

Wien, 15. Mai. Der Kaiser schloß heute um 11 Uhr die Session des Reichsraths.mil einer Thronrede, welchem einem Rück­blick auf die gesetzgeberische Thätigkeit des Reichsraths unter anderm, in dem Passus über die Wehrverfasfung, hervorhebt, daß diese, in Verbindung mit den freundschaftlichen Beziehungen zu den andern Mächten die Erhaltung und die dauernde Sicherung des Friedens, dessen das Reich unabiveislich bedürfe, verbürge. In dem den Finanzen gewidmeten Abschnitt spricht der Kaiser die Hoffnung aus, daß die Finanzen des Staats eine gesunde Gestaltung finden werden. Auch gibt der Kaiser der Hoffnung Ausdruck, daß diejenigen, die heute einem gemeinsamen Wirken sich noch entziehen, künftig daran theilnehmen werden.

Wien, 16. Mai. Bei der Verlesung der Thronrede wurden mehrere Stellen, insbesondere diejenigen, welche sich auf die Erhaltung des Friedens, das Zustandekommen des Volksschulgesetzes, die Einig­keit und Zusammengehörigkeit aller österreichische» Völker beziehen, mit der lebhaftesten Zustimmung begrüßt.

England. Einer der hervorragendsten Förderer der großen Aus­stellungen von 1851 und 1862, Sir Charles W. Dilke, ist am Sonntag in Petersburg gestorben, wohm er sich begeben hatte, um England auf der dortigen großen Gartenbauausstellung zu vertreten.

Frankreich. Paris, 14. Mai. Die Reise der Kaiserin nach dem gelobten Lande soll jetzt aufgegeben worden sein. Die Kosten derselben sollen sich so hoch belaufen (400,000 Fr., nach Anderen auf 2,400,000 Fr.), daß der Kaiser sie zu stark gefunden haben soll. Die gestern stattgehabten Wählerversammlungcn, in denen Ras- pail und Rochefort als Candidaten aufgestellt wurden , veranlaßtcn einen Vvlksauflauf, wobei die Marsaillaise gesungen wurde. Die Volk massen wurden voll der Municipalgarde zerstreut, wobei einige Verwundungen vorfielen. DasJournal offiziell" veröffentlicht einen Erlaß des Polizeipräfecten, worin derselbe auf die durch die Wahlversammlungen hervorgerufenen Unordnungen hinweist und au die polizeilichen Vorschriften bezüglich des ungehemmten Verkehrs aus den öffent.ichen Wegen erinnert. Reue Unordnungen würden nicht geduldet werden. Wenn nöthig, würde das Gesetz, welches Zusam­menrottungen verbietet, zur Anwendung kommen. Alle guten Bürger werden aufgefordcrt, sich von den Ruhestörern entfernt zu halten.

Italic». Aus Rom, 12. Mai, wird gemeldet, daß das zu Grund gegangene PakctschiffGeneral Abbattucci" eine Summe von einer Million Franken für die päpstliche Regierung an Bord Halle. Die Zahl der päpstlichen Freiwilligen, welche bei dieser Katastrophe umS Leben gekommen sind, beläuft sich auf 23, und zwar 15 Zua- ven und 8 Legionäre.

Spanien. Madrid, 16. Mai. Ein Amendement, welches o rschlug, die Frage der künftigen Regicrungsfor m und eventuell die

Redigirt, gedruckt und

Wahl eines Monarchen einer Volksabstimmung zn unterbreiten, wurde von den Eortes .mit 156 gegen 73 Stimmen verworfen. Die Dis- cussion über die Artikel 33 und 34, betreffend die Form der Regie­r ung und die gesetzgebende Gewalt, beginnt nun.

Elp Verbrechen l

(Fortsetzung.)

Keines von Beiden hatte darauf geachtet, daß Heiurich's Mutter mit gespannter Aufmerksamkeit der Erzählung zugehört hatte. Ihre Augen waren größer und leuchtender geworden, den. Oberkörper hatte sie vorgebeugt, damit auch kein Wort ihr entgehen konnte. Ein freu­diger Zug glitt über ihr Gesicht hin. ' , '

Plötzlich stand sie auf und verließ hastig das Zimmer. Ruhig ließ Heinrich sie gehen, er wußte ja, daß sie sonderbare Gewohnheiten hatte.

Eine halbe Stünde darauf verließ die Geisteskranke das Haus. Weder Heinrich noch Marie bemerkten sie. Vorsichtig, schnell schlüpfte sie über den Hof auf die Straße. Sie war in einem seltsamen Aufzuge. Ihre schönsten Kleidungsstücke hatte sie anqezogen, mit einigen bunten Tüchern Mariens hatte sie sich phantastisch aufgeputzt Dabei strahlte ihr Gesicht vor Freude.

Die Dorfjugend hatte sie kaum erblickt und sich überzeugt, daß Heinrich ihr nicht folgte, so begleitete sie die Geisteskranke mit lautem Lachen und Hurrah.

Die närrische Liese will zum Polterabend!" riefen sie. Seht, wie sie sich geputzt hat! Hurrah! Närrische Liese, närrische Liese , bring uns was mit!" I

Hast Du schon einen Tänzer, Liese?" rief ein Anderer. .

Sie tanzt Solo! Seht,was sic schon für Sprünge macht! Hurrah, Liese!"

Die ganze ihr folgende Schaar brach in ein lautes, tobendes Gelächter aus. Die Geisteskranke sah sich nicht um. Der ganze Lärm schien sie nicht zu kümmern sie hörte ihn nicht.

Siehe, Du hast aber noch keinen Blumenstrauß!" rief einer der Jungen, rieß eine lange am Wege stehende Brennnesselstaude ab) lief hinter der Unglücklichen her und suchte ihr Hände und Nacken damit zu verbrennen. .

Ein lautes Bravo und Halloh folgte diesem Bubenstreiche. Auch jetzt wandte sich die Kranke noch nicht um. Sie schien die Brennnessel gar nicht empfunden zu haben. Mit schnellen, halb hüpfenden Schritten eilte sie wirklich dem Gutshofe zu, von der wilden Schaar gedrängt.

Ohne Zögern trat sie auf den Hof und schritt weiter. Die Jungen wagten nicht, ihr lpeitcr. zu fotzen, weil sie wußten, daß der Zutritt auf den Hof verboten war. /Neugierig blieben sie am Ein­gang stehen. Eine Anzahl Gäste hatte sich bereits versammelt, denn auf dem Hofe standen bereits mehrere Kutschen.

Liese schritt, ohne zur Seite zu blicken, über den Hof dein Garten zu. Dort trat sie ein. Ein Diener bemerkte sie.

Närrische Liese, was willst Du hier?" rief er, über ihren Anblick m lautes Lachen ausbrechend.

Sie Hütte nicht. ' .

Fort, fort, Verrückte!"z rief der Diener.Dich-könnten wir heute gut gebrauchen."

Sie eilte weiter.

Aus dem Garten/Verrückte!" rief der Diener ärgerlich, eilte ihr nach und erfaßte sic am Arme, um sie gewaltsam zurückznführen.

Mit lautem Schrei riß die Unglückliche sich los und eilte mit einer Schnelligkeit, der der Diener , nicht zu folgen vermochte,, fort und verschwand im Gebüsch.

Geschäfte ließen den Diener sich nicht weiter um sie bekümmern.

Dicht am Wege» hinter einem Baum und zwischen Gebüsch ver­steckt, saß die Geisteskranke regungslos, die Augen dnrch die grünen Zweige starr .auf den Weg gerichtet. Nur zuweilen fuhr sie mit der Hand über das rauhe Haar und versuchte cs zu glätten. Dann fuhr ein lächeln, ein glückliches, zufriedenes Lächeln über ihr Ge­sichtem_ V _ (Forts, folgt.)

Thierkalen der^ Es wird daran erinnert, daß man die

Sperlinge vor dem Flüggwerden auszunehmeu hat, weil gerade die jungen Sperlinge den Hauptschyden anrichteu. Die Repsglanzkäfer, die dieses Jahr massenhaft auftreten, kann man nur durch Abstreifen mit dem Netzsack vertilgen, was bei reihweise stehendem Reps nicht schwer auszuführen ist, aber mindestens zweimal geschehen muß. verlegt vou A. OelschlS^r. (Mit einer Beilage.)