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Stuttgart, 14. Dez. Die Adreßkommission der Kammer der > Abgeordneten Hot nach ihrem heute ausgegebenen Berichte der Kammer folgende Antwort auf die Königliche Thronrede vorgeschlagen:

Euer Königliche Majestät

1) haben die Stände des Königreichs wieder berufen, um die Gesetzgebung in den verschiedensten Richtungen weiter zn fördern. 2) Mit festem Blick ans das unzertrennliche Wohl des Königs und des Volkes, das zum ersten Mal in der Gesammtheit der selbststän­digen Bürger seine Abgeordneten zn wählen hatte, treten wir an unsere Aufgabe heran und werden uns derselben nach Pflicht und Gewissen widmen. 3) Der thatkräftigen Ausführung der neuen Ge­setze aus dem Gebiete der Rechtspflege zollen wir unsere aufrichtige Anerkennung. 4) Die Gesetzesentwürfe, welche uns theils vorgelegt, theils in Aussicht gestellt sind, versprechen wir nach den Anforde­rungen des Rechts und des Bedürfnisses unserer Zeit der sorgfältig­sten Prüfung zn unterziehen. 5) Es möge uns aber gestattet sein, sofort die Aufmerksamkeit Euer Königlichen Majestät auf die dringende Notwendigkeit der längst feierlich zugesagten Verfassungs- reform zu lenken, welche, auf dem letzten Landtag begonnen, nicht in unbestimmte Ferne gerückt werden kann. 6) Daß mir uns einer Vorlage hierüber bei Beginn unserer Sitzungen nicht erfreuen durf­ten, hätten wir um jo mehr zu bedauern, wenn der Grund hievon in dem Zweifel an dem versöhnlichen Sinn und an den aufrichtigen Bestrebungen der Volksvertretung für das wahre Wohl des Landes zu suchen sein sollte, da in dem Verhältnis zwischen Regierung und Volksvertretung das Vertrauen nur ein gegenseitiges sein kann. 7) Die Zusammensetzung der Ständeversammlung entspricht nicht mehr den Forderungen der Zeit, auch haben die Kammern noch wesentliche Be­fugnisse zu entbehren, welche für dieselben zu befriedigender Lösung ihrer Aufgabe in Anspruch zu nehmen sind. Bereitwilliges Entgegen­kommen von allen Seiten wird Württemberg eine Verfassungsreform verschaffen, welche das allgemeine Wohl, Freiheit und Recht verbürgt. 8) Das Königliche Wort, daß die freie Bewegung in unserem Staats­leben auch fernerhin solle gefördert werden, hat in dem Herzen des Volkes freudigen Wiederhall gefunden. Aber wir halten es für ein dringendes Bedürfniß, daß die Freiheitsrechte des Volkes auch in entsprechenden Bestimmungen der Verfassung und der Gesetze die Garantie ihres Bestandes erlangen. 9) Wie nach der Thronbesteigung Euer Königlichen Majestät und beim Beginn des letzten Land­tags richten wir wiederholt an AllerhöchstDieselben die ehrfurchtsvolle Bitte, uns eine Verfassungsreform noch im Laufe des gegenwärtigen Landtags vorlegen zu lassen. 10) Mit der Verfassungsreform steht eiüe neue Verwaltungs-Organisation, insbesondere die Weiterentwick­lung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Körperschaften, und die Herstellung einer unabhängigen und selbstständigen Verwal­tungspflege in engstem Zusammenhang. Unsere ehrfurchtsvolle Bitte erstreckt sich auch auf Einbringung eines Gesetzesentwurfs über diesen Gegenstand, welcher in den von Euer Königlichen Majestät zu uns gesprochenen Worten keine Erwähnung gefunden hat. 11) So wichtig indessen der Ausbau der inneren Einrichtungen des Landes ist, sos wird derselbe an Bedeutung noch weit überragt durch die Fragen, welche sich an das Verhältniß Süddeutschlands zum Norden knüpfen. 12) Euer Königliche Majestät haben auszusprechen geruht, daß von AllerhöchstDenselben im Vereine mit dem württembergischen Volke die Selbstständigkeit des Staats solle gewahrt, daß im Einklänge mit dem Volke die nationalen Interessen sollen gepflegt und die Pflichten gegen das weitere Vaterland treu sollen erfüllt werden. 13) Gewiß entspricht es dem nahezu einstimmigen Willen 'unseres Volkes, die Selbstständigkeit des Landes erhalten zu sehen, aber wir -vermissen eine konsequente Verfolgung dieses Zweckes. 14) Die Bereinigung zu einem Bunde von internationaler unabhängiger Existenz ist den südwestdeutschcn Staaten im Prager Frieden Vorbehalten und es dürfte keine Meinungsverschiedenheit darüber bestehen, daß eine solche Ver- " einigung der Kräfte der in ihrer Vereinzelung zu schwachen Staaten das natürlichste Mittel wäre, die der Selbstständigkeit drohenden Ge­fahren abzuwenden. (Schluß folgt.)

Stuttgart, 15. Dez. Einem Herrn, welcher von der Jagd, das Gewehr über die Schulter, gestern Abends in die Stadt zurück­kehrte, wurde auf dem Trottoir vor dem Königsthor von einem Vor­übergehenden das geladene und, wie es scheint, ohne Beobachtung der nöthigen Vorsicht getragene Gewehr so gestreift, daß sich dasselbe ent-

lud, und den Hauptzollamtsdiener Walter, der des Wegs ging, tödtlich verwundete. Der Unglückliche, ein Familienvater, ist letzte Nacht verschieden. (St.-A.)

Tübingen. (Schwurgerichtsverhaudlungen.) Am 5. Dezbr.

saß auf der Anklagebank die ledige, 27 Jahre alte Eva Maria Steiner von Kircheittellinsfittth, angeklagt des KindSinorvs, vcrthcidigt von Rcchtscons. Dr. Rheinwald von RoltwcN Die Angekl., welche schon vor ein paar Jahren unehelich geboren hat, sonst aber ganz gut prädizirt ist, diente in letzter Zeit in der Rose zn Betzingen. Anfangs dieses Jahres kam sie in die Hoffnung, wovon sic nnr ihrem Geliebten die Mittheilung machte, welcher aber von einer Hcirath nichts wissen wollte. In der Nacht des 27. Scpt. d. I. gebar sic in ihrer Kammer ohne alle Hilfe, welche sie leicht hätte hcrbcirnfcn können, im Bette ein Kind; sie behauptet, daß es todt auf die Welt gekommen sei, und habe sie cS dann in einen Schurz gewickelt, ihm jedoch den Kopf freigelassen und es neben sich gelegt. Am folgenden Morgen verrichtete sic ihre Geschäfte, wie wenn nichts vorgcfallcn wäre; Abends 8 Uhr ging sie in Begleitung von Kamerädinncn nach KirchentellinSfurth, angeblich' um einen Rock zum Schneider zu bringen, die Begleiterinnen hatten keine Ahnung davon, daß die Angekl. in ihrem Pack den Leichnam ihres Kindes verborgen habe. In Kirchentcllins- furth ging sic zunächst zu der nicht gut beleumundeten WittweK. und rheiltc ihr mit, daß sie ein todtgeborenes Kind habe. Diese wies sie, wie sie sagt, an ihre Mutter. . Zu Hanse waren ihre Eltern schon zu Bett gegangen, sie ließ daher den Pack in der Stube mit dem Bemerken zurück, es sei ein Rock zum Flicken, und ging wieder nach Betzingen. Am andern Tag wurde sie von der genannten K. wieder hcimgeholt. Dort legte sie sich jetzt zu Bette, ihre Mutter holte die Hebamme herbei, und wurde derselben das angeblich togtgeborcne Kind gezeigt. Auf gemachte Anzeige schritt das Gericht ein. Bei der Sektion ergab sich, daß das gesunde und vollständig lebensfähige Kind nach der Ge­burt auch gelebt und gcathmct und daß seinen Tod durch Erstickung ge­funden hatte. Die Anklage, unterstützt durch verschiedene Anzeigen, nahm an, daß die Erstickung durch die bösliche und vorbedachte Schuld der Mutter, die Verthcidigung aber, daß sie ohne jedes Znthun der Mutter durch den Druck der Bettdecke oder dergleichen erfolgt sei. Letzterer Annahme traten die Ge­schworenen insoweit bei, daß sie die Angekl. nur der Verheimlichung ihrer Niederkunft für schuldig erklärten. Nachts 10 Uhr wurde dieselbe zu einer Kreisgcsängnißstrase von 1 Jahr und 9 Monaten vcrurthcilt. Am Morgen des 6. Dez. begann das Verfahren gegen Jakob Fried Ich Roth fuß von Simmcröfeld, OA. Nagold, und Genossen wegen vorsätzlicher Körperverletzung und dadurch verschuldeter Tödtnng. Da aber ein Hanptzeugc wegen gefähr­licher Krankbeit nicht erscheinen konnte, so wurde die Verhandlung aus Antrag der Vcrtheidigcr alsbald abgebrochen und ans das nächste Quartal verschoben. Diese Verhandlung hätte wohl 3 Tage in Anspruch genommen.

In Laichingen wurde eine Frauensperson ßvegen Kindsmords verhaftet; anfangs läugnete dieselbe, als mau aber das völlig ausge­wachsene Kind aufgefunden hatte und ihr vorzeigtc, gestand sie die . That ein.

! München, 12. Dez. DieCorresp. Hoffmaun" meldet, daß heute im Ministerium des Auswärtigen der Staatsvertrag mit Würt­temberg über die Herstellung der Eisenbahn von Nürnberg nach Ans­bach und Crailsheim unterzeichnet worden sei.

Spanien. Madrid, 14. Dez. Die Insurgenten in Cadix beabsichtigten ihre Waffen dem amerikanischen Consul zn übergeben. Caballero erklärte jedoch, daß die Feindseligkeiten wieder beginnen würden, wenn sie bei diesem unsinnigen, der nationalen Ehre unwür­digen Entschlüsse verharrten. In Folge dieser energischen Haltung übergaben die Insurgenten ihre Waffen dem Militärgouverneur.

Dänemark. Kopenhagen, 13. Dez. Der König vm Däne­mark Md der Kronprinz von England telegraphirten nach Athen an den König von Griechenland, um ihn zu bewegen, den gerechten For­derungen der Türkei zn entsprechen, indem sie ihn gleichzeitig auf die Gefahr aufmerksam machten, welche in der gegenwärtigen Lage für die junge Dynastie schwebe.

Türkei und Griechenland. Ein Wiener Telegramm des Dres­dener Journals meldet: Griechenland habe das türkische Ultimatum beantwortet, der Aufforderung gemäß die Freischaaren für Kreta auf­gelöst, den Offizieren und Beamten die Theilnahme am Aufstand untersagt und den Ausgewanderten freigestellt, in ihre Heimath zurück­zukehren. Andere Punkte der Aufforderung sind übergangen. (Schw. M.)

God Cours

der k. w Staatskafsrn-Vcrwaltung.

' Unveränderlicher C»urs: Wnrtt. Dukaten . 5 fl. 45 kr.

Veränderlicher Cours: Rand-Dukaten . . . 5 fl. 36 kr. Friedrichsd'or . . . 9 fl. 57 kr.

Pistole».9 fl. 46 kr

20-Frankcnstücke . . 9 fl. 26 kr. Stuttgart, 15. Dez. 1868.

»s« U. Ötlfch1-,er.

Frankfurter Gold Cours vom 21. Nov.

1. Ir.

Pistolen .... 9 48 SO Friedrichsd'or . . 9 57'/,-S8H,

Holland. l0 st-Ktüitre 9 «4L9 Uand-Dudalen . . » »9-98 90-Fraultenstücke . 9 99", -97'/» «9«l. Hooerei,»« II S4--8 -dtar« in «od 9 97?8