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W6. In Nro. 44 vom 29. Okt. der „Südd. Warte", dem bekannten Organ der Tempelgemeinde vom Kirschenhardthof ist der offene Brief" abgedruckt, in welchem der den orientalischen Verhältnissen gründlich bekannte Ingenieur Dr. Baur (Württemberger) von Ferriköi aus seine Landsleute so dringend vor einer Ansiedlung im Orient abmahnt. Eine offene Antwort des „Bischofs" Ehr. Hofmann läßt sich auf das Materielle der Anklage nicht ein, sondern betont nur den religiösen, konfessionellen Charakter seines Unternehmens. Hr. Hofmann scheint sein bisheriges Vertrauen fast ganz verloren zu haben.
— Die Ulmer Münsterbau-Lotterie hat für die Münsterbaukasse
einen Ertrag von etwa 75,000 fl. ergeben, darunter sind die erheblichen Gewinne begriffen, welche II. MM. der König und die Königin d'em Münsterbaufond zuzuweisen die Gnade hatten. Die paar letzten Strebebögen und Pfeiler, welche am Hauptschiffe des Munsters noch fehlen, werden noch vor Einbruch des Winters vollendet werden. Dann beginnen die Restanrationsarbeiten am Chor, wo noch viel, sehr viel zu thun ist. (St.A.)
— Die Fruchtpreise in Württemberg sind nach den Schranneuzetteln der vorigen Woche bei Kernen und Weizen durchgängig abermals, zum Thcil bis um 20 kr. per Centner, zurückgegangen. Gerste erfuhr auf den meisten Schrannen auch einen Abschlag, jedoch einen unbedeutenderen. Dasselbe war beim Haber der Fall, jedoch in noch niedererem Betrage als bei der Gerste, nur um 1 bis 6 kr.
— Karlsruhe, 1. Nov. Die Konferenz wegen des Abschlusses
eines Postvertrags zwischen dem norddeutschen Bunde, Baiern, Württemberg und Baden einerseits, Italien andererseits, nimmt am 2. November ihren Anfang in Berlin. (Schw. M.)
— Das Königreich Baiern zählte bei der am 3."De;ember 1867 vorgenommencn Volkszählung 4,824,421 Seelen.
— Wien, 30. Okt. An der hiesigen Universität ist gegenwärtig als ordentliche Hörerin der Medezin ewe Amerikanerin inscribirt; sie ist die Tochter eines Newyorker Advokaten und über den Ocean herübergekommen, um sich als Spezialistin für Gehörleiden anszubilden.
— Wien, 30. Okt. Der Verfassungsansschuß hat beschlossen: die für Böhmen ergriffenen Ausnahmsmaßregeln seien als gerechtfertigt anzusehen. Die polnischen Ausschußmitglieder stimmten dagegen.
— Innsbruck, 1. Nov. Nach einer Mittheilung des „Tyroler Boten" beläuft sich der durch die Ueberschweminung in der Bezirkshauptmannschaft Roveredo angerichtete Schaden auf 900,000 fl. Der Schaden der Südbahngesellschaft an Verwüstungen des Bahnkörpers und der Gebäude beträgt zwischen 5—600,000 fl.
— Brixen, 29. Okt. Bei dem Fürstbischof hat eine gerichtliche Hausuntersuchung wegen Verweigerung der Herausgabe von Ehege- gerichtsakten mit Hilfe des Schlossers stattgefunden. Trotz emsigen Suchens wurden die betreffenden Akten bis Nachmittags 4 Uhr nicht gefunden.
Spanien. Madrid, 29. Okt. Die Nachrichten, welche die Regierung ans Cuba erhalten, sind beunruhigend, und es werden in Kurzem Truppen abgehen, um die Ruhe daselbst wieder herzustellen. Aber es ist unrichtig, daß deren auch in die baskischen Provinzen gesandt werden sollen, ans Furcht vor einer carlistischen Bewegung. In Bezug auf den Carlismus ist die Regierung ohne alle Sorge. — 30. Okt. General Dulce ist an Lersundis Stelle zum Generalkapitän von Cuba ernannt und soll sich sofort auf seinen Posten begeben. — Die Regierung wird den Cortes ein Gesetz vorlegen, wodurch die Armee um 25,000 Mann vermindert wird. — Oesterreich und Schweden haben die Regierung anerkannt. — 1. Nov- Die „Gaceta" veröffentlicht ein Dekret von Sagasta, welches das Recht zu friedlichen Versammlungen sanktionirt. Dieselben müssen jedoch 24 Stunden vorher bei den Behörden angczeigt sein. — Nach Angabe des „Journal de Paris" hätte die Königin Viktoria an Don Ferdinand von Portugal eigenhändig geschrieben, um ihn zur Annahme der spanischen Krone zu bewegen. Ferner hätte der französische Gesandte in Madrid au seine Regierung berichtet, daß die Chancen des Herzogs von Montpensier im Volke sehr im Abnehmen zu sein scheinen. —
— Lord Shaftesbury hat als Präsident der britischen und ausländischen Bibelgesellschaft dem General Prim brieflich seinen Dank für die in Spanien verkündete Religionsfreiheit ausgesprochen. Schon sind ganze Kisten mit Bibeln auf dem Wege nach der pyrenäischen Halbinsel, und in den nächsten Tagen wird man in den Straßen von
Madrid und anderer spanischer Hauptstädte Bibeln zum Verkaufe angeboren sehen.
Italien. Rom, 29. Okt. Die Räuberbande, die den Abt Campbell, Unterdirektor des schottischen Kollegiums zu Rom, entführt hatte, hat ihren Gefangenen, als sie sich von der bewaffneten Macht hart bedrängt sah, in einem Walde bei Rocca-di-Papa freigelasse.n. Campbell ist mit heiler Haut nach Rom zurückgekehrt.
Amerika. Aus San Francisco wird wieder von einem kurzen, aber heftigen Erdbeben berichtet, das dort am Morgen des 26. Okt. verspürt worden sei-
Australien. Aus Neuseeland trifft Kunde von einem heftigen Erdbeben ein. Am Samstag den 15. August stieg und fiel die See mit ungewöhnlicher Schnelligkeit, und am 17. wurde ein Erdbeben verspürt, welches die Ansiedlnng Tupunga vollständig zerstörie. Der Verlust an Menschenleben ist groß.
Vermischtes.
Die lebensgefährlichen Dünste, mit denen der neue Wein die Keller erfüllt, können nach der Mittheilung eines Praktikers dadurch beseitigt werden, daß man den Boden des Kellers mit gelöschtem Kalk bestreut. _
Das Wort „Hagestolz" ist ein ächtes deutsches Wort. Starb bei unsern germanischen Vorfahren ein Vater, so erbte der älteste Sohn den Hag, d. h. den Hof oder das Landgut, während die andern Kinder mit Wenigem abaefmiden wurden. Weil aber doch die Familien gerne zusammenblieben, so bauten sich die Brüder des Erben um den Hag ihres Vaters kleine Wohnungen, die man Stolzen nannte, so daß ihre Besitzer die Hagestolzen hießen. Wegen ihres geringen Erbtheils mußten sie sehr oft ledig bleiben, und so übertrug man den Namen „Hagestolze" auf Junggesellen.
(Die österreichische Artillerie bei Königgrätz.) Heber die Thätigkeit der österreichischen Artillerie während der Schlacht bei Königgrätz liegen jetzt sehr detaillirte und authentische Berichte vor, welche manches noch Neue und Interessante enthalten. Im Ganzen kamen in jener Schlacht 672 Geschütze auf österreichischer Seite ins Feuer. Dieselben gaben zusammen 46,535 Schüsse ab (36,794 Hohlgeschoffe, 1858 Büchsenkartätschen und 7883 Shrapnels); mithin kamen auf jedes Geschütz durchschnittlich 69 Schüsse. Den größten Munitionsanfwand hatte eine vierpfündige Batterie mit 217 Schüssen per Geschütz. Die Schlacht dauerte, wie bekannt, etwa 9 Stunden; es fielen daher allein auf österreichischer Seite etwa 5200 Kanonenschüsse in jeder Stunde, also 86 in der Minute und l'/ein derZSekunde. Setzt man für die preußische Armee ungefähr die gleichen Zahlen voraus, so ergibt sich, bei zusammen etwa 93,000 Schüssen, etwa 10,400 Schüsse für jede Stunde der Schlacht oder 172 in der Minute und 3 in der Sekunde. Interessant ist -noch die Thatsache, daß während des Feldzuges selbst sämmtliche bei der österreichischen Nordarmee überhaupt vorhandenen 712 Geschütze zur Aktion gelangten.
Unsinnige Wetten. Ein Schweizer ging die Wette ein, in 6 Stunden 25 Cigarren zu rauchen; dazwischen durfte er bloß ein Glas Bier trinken. Der Raucher gelangte nur bis zum neunten Stück; dann mußte ein Arzt geholt werden, der die Spuren der unsinnigen Nicotuwergiftung mit Mühe wieder entfernte. Ein Anderer führte sich in Folge einer Wette 84, sage vierundachtzig Taffen Kaffee zu Gemüthe. Auch hier mußte ärztliche Hilfe herbeigerufen werden. _
Der Harem des Sultans. Der gegenwärtige Sultan besitzt 900 Frauen — alle Weiber des Harems, Odalisken rc. mitge- rechnct. Eigentliche Gemahlinnen hat Se. Majestät nur drei vou ausnehmender Schönheit: Oournvl (die neue Perle), Uairani Oil (vortreffliches Herz) und Lcka Oil (die Eleganz des Herzens). Die Zahl der Eunuchen, Kammerherrn, Pagen, Garden, Kutscher, Pfeifenstopfer rc. beträgt 2300. Täglich werden im Serail 500 Tische gedeckt, an denen zweimal im Tage bei 6000 Portionen Speisen servirt werden.