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gab vor, das Alles sei sein Eigeuthum. Allein eine Verwandte des A. raunte dem Mädchen ins Öhr, daß dieses nicht wahr und der Lederhandcl mir Betrug sei, worauf das getäuschte Mädchen nach Ulm zprückkehrte und nichts mehr von der Brautschaft wissen wollte. Der' A. setzte aber unter verschiedenen Vorspiegelungen den Leder- Handel fort, und hat er alle seine Gäubiger, welche im Ganzen an ihn gegen 500 fl. zu fordern haben, heute noch nicht bezahlt. Im Mai 1856 ließ ihn aber Nothgerber Hecht in Aufhofen bei Biberach in Esscn- dors verhaften, welchem er auch für 50 fl. Leder abgetauft und mitgenom­men hatte. Bach Tübingen eingeliefert, machte er sich im Juni 1856 vom OberamtsgerichtSgebände aus fluchtig, ging in die Schweiz und ließ sich unter das päpstliche Militär anwerben. Wegen eines Com- plottö wurde er zu dreijährigem Gefäugniß verurtheilt, und nach de­ren Erstehung wieder eiugerciht; im Jahre 1859 brach aber der italienische Krieg aus, der A. wurde Freischärler bei Garibaldi, descr- tirte jedochohne vorheriger Verrichtung großer Heldcnthatcn gegen die Oesterreicher", wie er selbst sagt, mit Sack und Pack und ging in die Schweiz. Er trat wieder in Arbeit, hielt sich jetzt sehr gut, wurde dcßwegen als Geschäftsführer verwendet und erwarb sich einiges Vermögen, so daß ihn im Jahre 186 t die Tochter eines Aarauischeu Lehrers heiratheke. Allein er hatte die zur Hcirath uöthigeu Papiere gefälscht, wurde später verhaftet und nach Württemberg geliefert, wo er in Mengen sich wieder fluchtete, indem er den Amtsdicner statt seiner in Arrest sperrte. Er begab sich abermals in die Schweiz, wurde aber in Freiburg im Jahre 1863 wegen Betrügens und Fäl- scheus zu Ojähriger Zwangsarbeit nebst Prügelstrafe verurtheilt. Nach Zjähriger Haft riß' er seine Kette entzwei und entsprang, ging inS Französische, wurde aber auch dort wegen betrügerischer Handlungen bestraft, endlich nach Württemberg im November v. I. anSgelicfert und sogleich zu einer Omouattichen Arbeitshansstrafe verurtheilt, weil er dix ihm in Freiburg zucrkannte Strafe nicht vollständig erstanden hatte. Der A. inachte bei der Verhandlung durch sein Benehmen keinen ungünstigen Eindruck; die ersten Ledereiukäufe will er nicht betrüglichcr Weise gemacht haben, sondern er habe geglaubt, cs werde aus seiner Hcirath etwas und daun hätte er auch bezahlt. Die Geschwo­renen schenkten diesem Vorbringen theilweise Glauben, indem sie bei Abgabe ihres Wahrspruchs am zweiten Tage oer Verhandlung nach ein- stündiger Berathung den A. nur in zwei Fallen des vollendeten und in einem des versuchten Betrugs für schuldig erklärten; zugleich nah­men sie aber au, daß er gewerbsmäßig gehandelt habe. DaöUrtheil lautete gegen den Schuldigen auf 3jährige Arbeitshausstrafe, wovon aber der Theil der Strafe in Abrechnung kommt, welche er bereits im Arbeitshause erstanden hat. 9. Juli. In zweitägiger Sitzung wurde die Anklage gegen Heinrich Gethvffer von Pfeddersheim im Großherzogthum Hessen wegen schwerer Körperverletzung verhandelt. Der A.. 29 Jahre alt, vcrheirathet, bisher ganz gut prädizirt, ist Arbeiterin einer Leimsiederei in Calw. Am Sonntag den 17. Noo. v. I. gerieth derselbe nebst 3 Kameraden Abends bei dem Speise- wirth Ziegler in Calw mit dem ledigen Eiseubahnarbeiter Battista Avanziui aus Brez in Südtyrol in Wortwechsel, weil dieser sich an dem A. vorbei gewaltthätig au seinen Platz hinter dem Wirthstische gedrängt hatte, wobei Avanziui mitSchneidern" um sich warf. Al­lein der Streit wurde bald beigelegt. Als gegen 11 Uhr die Be­gleiter des A. sich ans der Wirtschaft entfernten, um nach Hause zu gehen, und auch Avanzim seine Schlafstelle bei Ziegler aufsuchen, vorerst aber unter der Hcmsthüreoch frische Luft schöpfen wollte, folgte ihm der A. auf dem Fuße, packte Avanzini, welcher ruhig an der Hausthüre lehnte, von hinten und warf ihn die ans 5 Staffeln bestehende Hanötyürtreppe hinunter, worauf zwischen Avanzini und dem A. eine Rauferei sich entspann, an der sich auch die noch dort stehenden Kameraden des A. betheiligten. Allein nach wenigen Mo­menten schon erhielt Avanzini einen Stich in den Arm, und als er rief:Jesus, ich bin gestochen", sprangen alle 4 Angreifer davon. Den Verletzten, dem das Blut zum Aermel hcrausströmte uud der ohnmächtig wurde, brachte man zu Bette, uud der Arzt fand. Laß er oberhalb der Beugung des rechten Vorderarms eine 2 Zoll tiefe Wunde mit scharfen Rändern hatte, und war die Verletzung offen­bar mit einem scharfgeschliffenen, an der Spitze zweischneidigen Mes­ser beigebracht worden. Es zeigten sich bald bedenkliche Symptome: die Bewegung des Arms war gehemmt und die Hand hing lahm

herab, es war somit ein wichtiger Nero und zwar der nsrvus ra- clialis verletzt. Nachdem die Wunde längst vernarbt war, verbesserte sich dieser Zustand nicht, und die Hand ist und bleibt gelähmt. Avan­zini, der von Jugend an nur Handarbeiter war, ist jetzt in eine kümmerliche Lage versetzt und durch die Verletzung brodlos geworden. Der A. läugnetc, daß er den Stich bcigebracht habe, obwohl er der That sehr verdächtig ist, da nur bei ihm ein scharfes, mit einer Stell­feder versehenes, an der Dpitze doppelschneidiges Messer gefunden wurde und auch sonst Vcrdachtsgründe wider ihn sprechen. Nach zweitägiger Verhandlung verneinten die Geschworenen die auf Körper­verletzung gerichteten Fragen, und bejahten nur die ans Theluahme au einem Naufhandel gerichtete, weßwegen der Schuldige zu 5mouat- lichem Kreisgcfäuguiß verurtheilt wurde. Vercheidiger war O.-J.- Proknrator Lammfromm von hier. (Tüb. Ehr.)

Gönz ach. ^Jn Ebcrsbach ereignete sich am 20. v. M. das Unglück, daß der Knabe des dortige» Vorstehers Gmeiuder beim Spie­len mit einem geladenen Gewehre seine eigene Mutter erschoß. Die Unglückliche, welche dem Knaben auf Verlangen das Gewehr selbst. zum Spielen gab, war der Meinung, cs sei nicht geladen. Neue" Mahnung zur größten Vorsicht bei Schußwaffen!

Am 27. v. M. hat in der Stadt Auerbach (Oberpsalz) ein furchtbarer Brand zwischen Mittags und Abends 104 Wohnhäuser uud 111 Nebengebäude in Asche gelegt. Drei Menschen sind todt,

3 liegen an schweren Verwundungen darnieder, die Abgebrannten be­finden sich in der hilfelosesten Lage.

Frankreich. In Paris hat ein Obsthändler bereits reife schwarze Trauben, die unter freiem Himmel im Heroult-Departcmeut gewachsen sind, zum Verkauf ausgestellt. Seit 1811 ist eine.solche Frühreife nicht eingetreten. '

S e l t e ii e F ij g u ii g.

Nach einer wahren Begebenheit erzählt von F. E. Hahn.

(Fortsetzung.) ' - '

Das große, an hohen Zimmern reiche Vorderhaus" wurde von ' dem Oberbürgermeister Haller, dieß war Ernst's Vater, und von sei­ner Familie und Dienerschaft bewohnt, das Hinterhaus, welches durch einen großen Hof vom Vordcrhause getrennt und durch zwei pa­rallellaufende offene Bogengänge verbunden war, hatte nur einen Be­wohner, den man selten sah, weil er Ruhe und Einsamkeit liebend, oft Tagelang sein Zimmer nicht verließ. - '

In dem großen Salon, in welchem sich täglich die Familie ^ des Oberbürgermeisters zum Speisen versammelte, ging der Hans- Herr mit großen Schritten heftig auf und ab; er war ein stattlicher Mann von fünfzig Jahren und schon sein Aeußeres' zeigte,- daß er dem Amte gewachsen war, aber daß er es verstände, seine Familie glücklich zu machen, das war schwer von ihm zu glauben, denn der Ansdruck seiner Züge war streng, fast finster.

Am Mittelfenster stand seine Schwester, welche früh verwittwct,' wieder in des Bruders Hause lebte, sie schaute auf die Straße hinab und ihre feine Hand zitterte. Fran Haller trat jetzt ein mit ihrer Toch-, tcr, einem anmuthigen Mädchen von siebzehn Jahren, aber nur einen Moment glättete sich beim Anblick der Tochter das Antlitz des ernsten Mannes, und heftig rief er der Gattin entgegen:

Wo bleibt Ernst? Er hat Zeit uud Stunde seiner Ankunft be­stimmt und läßt jetzt die Seinen warten, ich hätte das meinem Va­ter thun sollen!"

Es ist eben ein Uhr, Papa," sagte Julie, denn nur sie wagte es, ein Wortgefecht mit dem Vater auszunehmen,Ernst hat geschrieben "

Zwischen Zwölf und Eins cinzutreffen, damit Basta! Wir wollen nicht länger mit dem Essen auf ihn warten!"

Wenn ihm nur kein Unheil begegnet ist", murmelte die Tante.

Unsinn, Schwester! Er wird auf einem Umwege nach dem Vater­hause gehen, erst andere Leute als seine Familie begrüßen wollen, aber"

Der Oberbürgermeister brach ab, er kannte sich uud würde um keinen Preis mehr gesagt haben, denn er hatte, aus Furcht vor sei­nem hitzigen Temperamente, sich zngeschworen, zu schweigen, sobald er fühlte, daß er auf dem Punkte stehe, sich in Zorn hinein zu reden.

Rasche elastische Männertritte wurden hörbar, die Thüre ging auf und Ernst lag in den Armen seiner Angehörigen. (Forts, folgt.)

Rcdigirt, gedeuckl und verlegt von A. Oelschläger.