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— Stuttgart, 19. Dez. In der 45. Sitzung der Kammer d. Abgeordn. wird mit der Erledigung der in der gestrigen Berathung zurückgestellten, auf die Gerichtsorganisation bezüglichen Punkte fortgefahren. Der erste Punkt bezieht sich auf den Straf-NecurS. Negierung und Juftizgesetzgebungskommission sind darin einig, daß der Straf- recurö mit dem öffentlich-mündlichen Verfahren, wenn dieses die genügenden Garanticen biete, unvereinbar sei. Probst führt insbesondere aus, daß die Zeugen, die durch die erste Verhandlung einen genauen Einblick in die Sachlage bekommen, bei der zweiten Verhandlung in hohem Grade besangen sein würden; die zweite Verhandlung werde nur eine verschlechterte Auflage der ersten sein. Der Recurs, der seine guten Seiten habe, sei unnvthig, wenn ein Gericht mit 2 rcchtsgelehrten und 3 Laien Richtern besetzt sei. Römer: Auch die Gesetzgebungen, die zur Oeffentlichkeit und Mündlichkeit übergegangen, haben die Berufung beibehalten; und selbst diese Kammer habe gestern beschlossen, das Recnrsrecht im Civilprozeß aufrecht zu erhalten. Ein spezifischer Unterschied zwischen Straf- und Eivilprozeß sei aber nicht vorhanden. Man solle am althergebrachten Rechte festhalten. Becher: Er habe in lüjiihrigcr Schwurgerichtspraxis das innerste Wesen des öffentlich-mündlichen Prozesses kennen gelernt. Das Gefühl von Schuld oder Richtschnld sei ein feines Fluidum und etwas ganz Anderes, als das Thema eines Civilprozcsscs; er halte ein doppeltes Verfahren, ein solches in erster und zweiter Instanz, für eine baare Unmöglichkeit, selbst wenn man den kostspieligen Apparat einer stenographischen Protokollfnhrung anwenden wollte. Wenn es gegen ein Schwurge- richtliches Erkenntnis; keine Berufung gebe, warum man denn eine solche bei niederen Gerichten znlassen wolle? Staatsrath v. Mittnacht verweist gegen Römer ans den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Gegenstanke des Civil- und Strafprozesses. Der Straf- recurs wird mit 74 gegen 6 Stimmen abgelchnt. — Es wird über- gegangen zu den Handelsgerichten. Die Kommission schlägt vor und die Kammer nimmt an vcn Satz: „Im Wege der K. Verordnung kann für bestimmte, dazu geeignete Gerichtssitze die Anordnung getroffen werden, daß in Handelssachen drei Schöffen ans dem Hmr- Lelsstande beizuziehen sind." Schott schöpft den Handelegcrichts- Abtheilungen bei den Kreisgerichtshöfen den Namen „ Kreishandels-
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! geeicht." Sodann wird beschlossen, daß bei Verhandlung und Entscheidung von Handelssachen 3 rechtsgclehrtc und 2 Laien-Richter zu fungiren haben." Es ist insbesondere Reibet, der mit großem Nach- ! druck und Geschick für die bisherige Einrichtung von 2 rechtsgelehrten und 3 Laien-Richtern Antritt. Ein hierauf gestellter Antrag wird mit 51 gegen 32 Stimmen abgelehnt. Bezüglich der Wahl der Schöffen wird bestimmt: „Die Schöffen der Kreisgcrichtshöfe in Handclssachen werden durch die Angehörigen des Kaufmannsstandes des Bezirks gewühlt." Es weicht das von der bisherigen Hebung ab. Die Schöffen sollen aus 2 Jahre gewählt werden. — In der gemeinschaftlichen Sitzung mit der Kammer der Standcsherre» wurden die- ! jenigen Beamten zu definitiven Buchhaltern bei der Staatsschulden- E zahlungökassc gewählt, die diese Stellen schon provisorisch versahen. — In der 46. Sitzung am 20. Dez. wird über die Geschäftsordnung, Reihenfolge mehrerer Ncdue:', die sich gleichzeitig zum Worte melden, betr., verhandelt, und einige Petitionen durch Uebergang zur Tages ordmmg erledigt. — In der 47. Sitzung am 2l. Dez. wird der l Gesetzcsnitwurf über die neue Gerichtsverfassung bei der Eudabstim- mung mit 83 gegen 1 Stimme angenommen.
— Stuttgart, 26. Dez. Die am 23. November in Berlin abgeschlossenen Postverträge sind von dem K. Ministerium der aus wärtigm Angelegenheiten am 24. d. Mts. der Ständeversammlung, zunächst der Kammer der Abgeordneten, zur Kenntnißnahme mitge- theilt worden.
— Stuttgart, 22. Dez. Ein ganzer Christbaum voll Reformen wird aus den Lisch des Hauses der Stände noch vor I Weihnachten uiedergelegt werden: die revidirte Verfassung, die sich
insbesondere aus eine ve> änderte Zusammensetzung der Landes Vertretung bezieht; das neue Wahlgesetz, das das allgemeine und direkte Wahl eckt mit geheimer Abstimmung bringt; und in den letzten Tagen hat das Gesetz, daß die Verwaltung des Departements des Innern neu zu gestalten bestimmt ist, die Unllrschr ft des Königs erhallen. Auch von Seiten des K. Kultministeriums sind alle Vorbereitungen getroffen, um zwei Verordnungen neck vor Ablauf des Jahres z« publiciren; die eine betrifft die Einführung einer Lantetzsynode m der evang. Landeskirche, die andere