Tagesneuigkeiten.
— Stuttgart, 3. Okt. Der Gesetzesentwurf über die Verpflichtung zum Kriegsdienst ist von den K. Ministerien des Innern und des Kriegswesens an den ständischen Ausschuß mit der Bitte um möglichste Beschleunigung der Begutachtung übergeben worden. DaS Gesetz enthält 111 Artikel in 9 Abschnitten. Der erste Abschnitt enthält allgemeine Bestimmungen, wobei vorangestellt ist die allgemeine Wehrpflicht: ..Jeder Württemberger ist kriegsdienstpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. Die Verbindlichkeit zum Kriegsdienst tritt mit dem 1. Januar des Kalenderjahrs ein, in welchem der Pflichtige das einundzwanzigste Lebensjahr zurücklegt, und dauert zwölf Jahre; sie wird der Reihe nach erfüllt 1) in der Linie, 2) in der Landwehr. Die Linie umfaßt mit einer Gesammtdienstzeit von 7 Jahren u) das aktive Heer mit 3 Dienstjahren, b) die Kriegsreserve mit 4 Dienstjahren. Das aktive Heer ist d«e Bildungs schule des Volks für den Krieg und wird gebildet aus den ausgehobenen Mannschaften der drei ersten Dienstjahre, sowie aus denjenigen, die freiwillig in demselben dienen oder fortdienen. Im Frieden sind die Mannschaften des aktiven Heeres insolange und insoweit präsent, als ihre Ausbildung und bas Bedürfniß des Dienstes es fordert, und unterstehen der militärischen Gerichtsbarkeit. — Die Kriegsreserve besteht aus den vor Ablauf ihrer Dienstzeit in der Linie auS dem aktiven Heer entlassenen Mannschaften, also: a) aus den im aktiven Heer ausgebildeten Mannschaften des
4., 5., 6. und 7. Dienstjahrs; d) aus den Einjährigdienenden Freiwilligen, den Kapitulanten, den früher zurückgestellt Gewesenen und den verspätet Ausgehobenen, welche wir dem Rest der Dienstzeit ihrer Altersklasse in die Kriegsreserve übertreten; c) aus den wegen Familienverhältnissen vor Ablauf der gesetzlichen Dienstzeit aus dem aktiven Heer in die Kriegsreserve versetzten Soldaten. Die Kriegsreserve dient im Kriegsfall zur Ergänzung der einzelnen Abteilungen des aktiven Heeres auf deren Kriegsstand. — Die Landwehr umsaßt die vor Ablaus ihrer Gcsammtdienstzeit aus der Linie entlassenen Mannschaften, also: u) mit einer 5jährigen Dienst Pflicht die im aktiven Heer ausgebildeten Mannschaften des 8.,
9., 10., 11. und 12. Dienstjahrs; b) mit dem Rest der Dienst zeit ihrer Altersklasse die freiwillig Dienenden und die Kapitulanten. Die Landwehr bildet selbstständige Truppenkörper und ist für den Fall des Kriegs zum Schutz im Innern und zum Be latzungsdienst, sowie nölhigensalls zur Verstärkung der Linie bestimmt. Im Kriege werden Reserve und Landwehr gleich dem aktiven Heer nach Bedürfniß verwendet, im Frieden dagegen sind di:selben — mit Ausnahme der Landwehrstämme — in ihre Hei math entlassen und an der Einrichtung eines eigenen Hausstan des durch Verheirathung, Ansäßigmachung ober selbstständigen Erwerbsbetrieb nicht behindert. Sie haben sich aber nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften und gegebenen Befehle jeweilig zu den Kvntroleversammlungen und kurzen Waffenübungen einzufinben.
— Hr. Minister v. Varnbüler stellt zum Eisenbahnbau 1867 bis 1870 ein neues Anlehen von 36 Millionen in Aussicht.
— Am 2. Olt. fand in Stuttgart in Gegenwart von Ein geladenen, eine kleine Probe des elektrischen Klaviers von Herrn Andreä statt. Die Probe lieferte den Beweis, daß der Gedanke, ein Klavier, ein Harmonium und ähnliche Instrumente durch Elektrizität zu spielen, realistrbar sei. Für den mechanischen Theil des Klaviers, der die Elektrizität auf die Saiten überträgt, werden sich die zweckmäßigsten Formen im Lause der Zeit wohl von selbst ergeben. - Der ständische Ausschuß ist zusam- mengetrecen, um über den Stand der Kommisfionsarbeiten zu berathen und der K. Regierung Bericht zu erstatten. — Am neuen Postgebäude wird eifrigst gearbeitet; es hat schon die Aus- maurung der Fundamente begonnen. Die mehr oder weniger rasche Vollendung des Baues ist wesentlich von der Gunst der Witterung abhängig. Aber selbst bei günstigen Verhältnissen ist eine Beendignng deS kolosalen Gebäudes erst im Sommer 1870 zu erwarten.
Fridriechshasen, 2. Okt. Ihre Maj. der König und die Königin haben Sich gestern nach Schloß Mainau begeben, um Ihre Maj. den König uud die Königin von Preußen, welche dort ei Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Groß
herzogin von Baden verweilten, zu besuchen; heute Vormittag trafen I hre Majestäten der König und die Königin von Preußen, sowie Se Königl. Hoh. der Kronprinz von Preußen hier zum Besuch der Königlichen Familie ein und sind heute Nachmittag wieder von hier abgereisl
— Tübingen, 30. Sept. (Schwurgerichts Verhandlungen.) Im dritten Quartal kommt nur ein Fall, aber das schwere Verbrechen des Mordes zur Aburtheilung, weßhalb 5 Richter berufen sind, An einem Tische in der Nähe der Richter habender Chef des Justizbepartements Sraatsrath v. Mittnacht, der Kanz- leidinklor des Justizministeriums Köstlin und der General Staatsanwalt Huber Platz genommen (wegen Gutachtens über Begnadigung, falls ein Todesurtheil gefällt wird). Nachdem der Ersatzgeschworene O.-A.-Thierarzt Vötsch von hier wegen unentschuldig- ren Ausbleibens in eine Geldbuße von 50 fl. verfällt worden, wurde der A., nämlich der 30 Jahre alte, ledige Bauernknecht Zacharias Schanz von Messingen, O.A. Rottenburg, vor die Schranken geführt. Derselbe erklärt sich für nichtschuldig und wird von Rechtskonsulent Etter von Noltweil vertheidigt. Dem sehr umfassenden Anklageakte entnehmen wir in möglichster Kürze für heute Folgendes: In Mössingen lebte seit 10 Jahren die 35 Jahre alte Barbara Feiger, ledige Tochter des Schneiders Christoph Feiger in Belsen. Sie bewohnte ein ihren unehelichen Kindern gehöriges, am Ende des Ortes gelegenes Häuschen und schlief mit zweien derselben, einem 10 Jahre alten Knaben und einem 5 Jahre alten Mädchen, in der Wohnstube Die Feiger war äußerst friedfertiger Natur, freundlich gegen Jedermann und stets bei guter Laune, so Laß sie allgemein beliebt war; sie war sehr fleißig und hatte ihr genügendes Auskommen. Voriges Jahr kam sie in die Hoffnung und zwar dießmal von dem A , welcher ein Nachbar von «hr war. Seine Eltern waren aber gegen eine Heirath, insbesondere war es dir Mutter, welche sich heftig gegen die Feiger austieß und sie sogar aus offener Straße schimpfte, aber auch dem A. war eS mit dem vorgespiegelten Heirathen nicht im Geringsten Ernst und äußerte er einmal gegen einen Dritten: „ehe er die heirathe, steche er ihr das Messer in den Leib", und die Mutter der Feiger äußerte noch am 21. Juni d. I. gegen ihre Tochter, von einer plötzlichen Ahnung beunruhigt: „mit dem Kerle — Schanz — solle sie nicht allein durch den Raitenwald gehen, der könnte ihr etwas ihun!" Am Abend des 21. Juni legte sich die Feiger aus Müdigkeit schon um 8 Uhr zu Bette, und um's Ave Maria-Läuten ging auch ihr Knabe, nachdem er noch vorher das Haus abgeschlossen hatte, in sein Bett, das er mit seinem Schwesterchen iheilte, und schlief bis zum andern Morgen. An diesem, gegen 7 Uhr, stand zuerst das Töchterchen aus und ries nach seiner Mutter, erhielt aber keine Antwort; es fing nun zu weinen an, was auch den Knaben bestimmte, aufzustehen und nach der Mutter zu sehen. Als er an das Bett derselben getreton war, sah er, daß die Mutter todt in ihrem Blute im Bette lag. Auf das Geschrei der Kinder kamen alsbald Nachbarsleute und dann auch der Arzt herbei. Schon die oberflächliche Besichtigung führte zu der Vermuthung, daß die Felger durch fremde Hand getödtet worden sei. Bei Besichtigung der Leiche der Barbara jFelger fand sich an der rechten Seite des Halses eine weit klaffende, tiefe Schnittwunde und auf der linken Halsseite ebenfalls eine große Schnittwunde, es war auch hier die äußere Drosselader vollständig durchschnitten, in der Tiefe ließ sich diese Wunde bis auf die Wirbelsäule verfolgen und eS zeigte sich, daß der Querfortsatz des letzten Halswirbels durchschnitten war. Diese beiden Schnittwunden, durch welche 5 bedeutendere Blutgefäß-Aeste durchschnitten waren, mußten des bedeutenden Blutverlusts wegen ein schnelles Schwinden des Bewußtseins und den Tod der Felger alsbald zur Folge haben. Mit dem Leben der wohl und kräftig gestalteten Ermordeten war auch das Leben einer 8monatl. Leibesfrucht abgeschnitten. Bei der Leiche fand sich ein Rasirmesser, stark mit Blut beschmutzt, womit offenbar die Wunden zugesügt wurden. Das Bett war ganz mit Blut besudelt, auch fanden sich blutige Abdrücke einer Hand am Kissen und Bluispureu an der Stubenthür, in der Scheuer und an der aus der Scheuer hinten auf den Garten hinausgehrnden Ladenvffnung, durch welche der Thä» ter seinen Weg genommen haben mußte. (Schluß folgt.)