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Aus Wien, 24, Dez., wird gemeldet: Gestern empfing der Kaiser die Deputation des ungarischen Landtages, welche die Adresse überreicht hat' Der Kaiser erwiederte auf die Ansprache derselben, er werde die Arresse in einem Reskript beantworten, beauftrage ober die Deputation, den Landtag seiner Huld und Gnade zu versichern Freiherr v. Beust reist heute Abend zum Besuche seiner Familie nach Dresden.

Schweiz. Bern, 23. Dez, Die Bewaffnungsfrage ist nun­mehr vom Stände- und vom Nationalralhe in der Hauptsache nach den Anlrägui des Bundesraths erledigt worden. Das Win­chester Repetir-Hinterladungsgewehr wird für Auszug und Reserve, das Milbank-Amsler-Gewebr für die Landwehr eingeführt. Eine Anleihe von 12 Millionen wird zu diesem Zwecke ausgenommen. Das Winchester-Gewchr kann sowobl als einfaches Kammerla­dungsgewehr, wie als Repetirgewehr benützt werden. Es über trifft den Henry-Karabiner dadurch, daß es eine Vorrichtung zum Aufpsianzen des Bajonnets, sowie die Hinterladung der Lorraths- kammec gestattet, welche überdieß hermetisch verschlissen werden kann. Unser Heer besaß in seinem bisherigen Jnsanteriegewchr hinsichtlich der Präzision und Tragweite die erste Waffe der Welt; mit dem Winchester-Gewehr, welches jenem in diesen beiden Be­ziehungen nicht nachsteht, wird es auch in Beziehung auf schnelle Ladung ras Höchste zu leinen vermögen. Als Repelirgewehr gibt das Winchestergewehr ungefähr 20 Schüsse in der Minute ab, d. h 15 in 4541 Sekunden: als einfaches Kammerladungsgr- wehr mit Einzelladung 10V- Schuß in der Minute.

Frankreich. Paris, 22. Dez Die Vorbereitungen für die Reise der Kaiserin nack Italien find abbesteüt worden, schreibt die Vatrie Jchre Maj. wird sich nicht nach Rom begeben. 24. Dez. Der Abendmoniteur meldet, daß gestern Abend um 6 Uhr auf der Eisenbahn zwischen Dijon und Basanyon ein Personen­zug mit einem Güterzuze zusammengestoßen ist Zwölf Personen wurden sofort gelobtet, zwanzig andere verwundet, darunter fünf sehr schwer. Paris, 24. Dez. Der Kaiser Halden amerikanischen Gesandten Bigelow empfangen: die ausgetauschten Worte waren sehr freundlich. Der Moniteur sagt: die Auszüge der diploma­tischen Korrespondenz , welche in den amerikanischen Journalen veröffentlicht wurden, find sehr unvollständig. Die französische Re­gierung hat von der Depesche Seward's vom 23 Nov. nie Kennr- niß erhalten.

England. London, 24. Dez In Dublin sind gestern, am Vorabende deS Weihnachtss.-stes, 325 Personen verhaftet wor­den. Die Nachricht könnte schlimme Besorgnisse vor einer Stö­rung des Landfriedens erwecken, wäre der Telegraph nicht ge­wissenhaft genug, die Gründe der polizeilichen Maßnahmen hin- zuzufüqen: Betrunkenheit und unordentliche Aufführung.

Rußland Ueber den allgemeinen Stand der Bauernange­legenheit in Rußland zum 13. Nov. meldet die Nord Post:Die Zahl der Bauern, die noch im Pflichlverhäliniffe zu den Guts­besitzern verblieben, betrug 4.037,407, die der Bauern. deren Pflichtverhältniffe vollkommen gelöst waren, 5,738,610. Die Loskaufbarlehen betrugen 336,308,135 R. , die ausbezahltcn 319,309,075 R St. Petersburg, 18. Dez. AlsSupple- ment zu der Gesetzgebung über die Bauernemanzipation ist ein kaiserlicher Ukas vom 7 d. M. anzusehen, welcher die Gruvdbe- fitzverhälinisse der Reichsdauern in 36 Gouvernements ordnet. Nack diesem Edikt bleiben die Reichsbauern im Besitz aller Län­dereien und Hofstellen, die sie bisher i.rnegehabt, worüber eine besondereBesitzurkunde" ausgenommen wird. Für diesen Be­sitz haben die Bauern einen Reichsgrundzins zu zahlen, dessen Maß durch ein besonderes Gesetz bestimmt wird und innerhalb der ersten 20 Jahre nicht verändert werden darf.

Türkei. Konstanti'nvpel, 26 Dez. Die Pforte macht, da außer Freiwilligen auch griechisches Militär in Kandicn ge­landet ist. und an den Landcsgrenzcn griechische Truppen concen trirt werden, der griechischen Regierung energische Vorstellungen, worin dieselbe für die Konsequenzen verantwortlich gemacht wird.

Grirchenlond. In A Iben ist am 22. Dez.die gesetzgebende Session ohne Thronrede eröffnet worden. - Am 12. hat Mu- stavba Pascka bei Cares in der Provinz Apoc oronon die Jns ur-

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genten angegriffen, wurde aber mit beträchtlichem Perlust zurück- geschlagen. Die Kreter haben sich koncentrirt, um den Paß von Apocoronon bei Selmon zu besitzen.

Mrxiko. DerMessager sranco-amäncain" meldet, daß nack Briefen aus Vera-Cruz vom 28. Nov. Kaiser Maximi­lian in Orizaba ein Manifest vorbereitet hat, das er bei seiner definitiven Abreise nach Europa in die Welt schicken will. Das­selbe enthält seine sofortige Abdankung, die Uebertragung der Negierung an ein Triumvirat, gebildet von General Marquez, Gen. Mejia und dem derweiligen Minister des Innern, Tcofilo Marin. Endlich fordert er darin die Nation auf. durch eine allgemeine Abstimmung die Form der neuen Regierung sestzu- setzen. Kaiser Maximilian lebt in sehr bescheidener Weise zu Or'zaba in dem Hause deS Sennvr Brayos. Er geht gewöhn­lich ohne Begleitung aus, meidet die Gesellschaften und die po­litischen Diskussionen und pflegt beinahe einzig Umgang mildem englischen Gesandten, Hrn. Scarlett, der sein Vertrauen zu be­sitzen scheint.

D c r S e h e r.

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Dte dichte Menschenmenge. welche einige Hunde« Schritte entfernt am Rande der Wiese stand, Hatte das seltsame Schau­spiel einige Sekunden sprachlos mit angesehen jetzt aber machte sich die Ueberraschung und die Freude über die wunderbare Er­haltung des Wiesenbauers in einem endlosen Gejauchze Luft. Greise. Frauen, Jünglinge, Kinder, Männer und Mädchen stürz­ten in freudiger Hast ans den Letzter» zu, schüttelten ihm die Hände, wünschten ibm Glück zu seiner Rettung und führten ihn im Triumphe nach dem Dorfe zurück.

Obgleich er een Leuten mehrmals die Worte des Offiziers wiederholte und versicherte, daß er auf Verwenden des Maire be­gnadigt sei, so wollten das Leck die Wenigsten glauben. Die Kugeln seien an dem Wiesenbauer abgeprolll, weil er unschuldig gewesen, hieß es überall im Dorfe, und da die Soldaten sich ge­weigert hätten, zum zweiten Mal auf einen Menschen zu schießen, der offenbar von Gott beschützt würde, so sei dem Offizier nichts Anderes übrig gedlieben, als ihn freizulassen und mitseinen Leu­ten abzumarschiren.

Der Jubel Elisabeths beim Anblick des Vaters, den sie nicht mehr unter den Lebenden wähnte, war grenzenlos und der Greis erlag fast unter ihren stürmischen Liebkosungen. Auch der Rhein­länder nahm herzlichen Antheil an der allgemeinen Freude und schien ungewöhnlich bewegt zn sein.

Es dauerte lange, ehe sich die beglückwünschende fröhliche Menge verlor Der Eine bestürmte den Wiesenbauer mit Fragen nach seinem gestrigen Aufenthaltsorte: der Andere wollte wissen, woher die Preußen und Kosaken am verwichenen Abend gekom­men seien; ein Dritter erkundigte sich nach dem Verhör beim Obristen, und ein Vierter bat um eine Beschreibung des Gefühls kurz vor dem Anschlägen der Büchsen. Erst spät am Abend sah der Wiesenbauer sich allein mit seiner Tochter und seinem Gaste, und fand Muße, Beiden den ganzen Hergang der Sache aus­führlich zu erzählen.

Daß er am Schluß seiner Mittheilung de» Wunsch äußerte, daß das Glück der Waffen fick bald entschieden einer Partei zu­rrenden möge, damit die Bewohner der ganzen umliegenden Ge­gend sich nicht stets zwischen zwei Feuern befänden, war ihm sehr zu verzeihen, und daß er sich unter der einen Partei Ne Preußen und Russen dachte, war noch verzeihlicher, da ihm die Franzosen soeben arg mitgespielt hatten.

Der Rheinländer schien dagegen anderer Ansicht zu sein, ob' Wohl er dieselbe nicht laut werden ließ. Da wenig Hcffnung vorhanden war, daß sich den fran-.ösischen Waffe» der Sieg zu­wenden werde, so konnte er nur wünschen, daß der jetzige Zustand noch sorrdauern möge hätte er doch sonst Elisabeth verlassen müssen, Elisabeth, das sanfte Mädchen, das er mehr liebte, als er sich eingestehen mochte. (Forts, folgt.)

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