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Lagesneulgkeiten.
— Las erledigte Oberämt Reutlingen wuide von Sr Äon. Maj- dem Herrn Oberamtmann Schippert in Calw übertragen.
— Calw, 23. Mai. Die am Pfingstmontag imThudium- scheu Saale hier abgehaltene Versammlung war von ungefähr 300 Personen besucht. Nach einer kurzen Eröffnungsrede von Hrn. Horlacher, in welcher in kräftigen Worten der drohende verderbliche Bruderkrieg verdammt und die kritische Lage des Vaterlandes geschildert und hieraus die Notwendigkeit, derartige Versammlungen abzuhalten, damit das Volk seine Stimme erheben könne und nickt durch Schweigen sich des Venards am Vaterlande mitschuldig mache, gefolgert, und hierauf die Freude der Versammlung konstatirr wurde, daß unser Abgeordneter. Herr Stadtschultheiß Schulet, in der Versammlung erschienen, um vor den, Zusammentritt der würll. Kammer die Ansichten und Wünsche des Bezirks kennen zu lernen, wurde der zum Vorsitzenden vvr- gescklagene Hr Chr. Bozenhardt einstimmi-, als solcher erwählt, welcher nach einer kurzen aber treffenden übersichtlichen Darstellung der jetzigen Weltlage wieder dem Hru. Horlacher das Wort gab, um eine vorbereitete Resolution der Versammlung zur Kennt- niß zu bringen und zu begründen. Die Resolution lauter:
Den Abgeordneten des Bezirks zu beauftragen, die Stimmung des Bezirks in der gegenwärtigen politischen Lage des Vaterlandes durch Mindcilung der nachstehenden Beschlüsse zur Kenntniß der Kammer der Abgeordneten zu bringen:
1) Württemberg kann in dem drohenden Kriege zwischen Preußen und Oesterreich einerseits und zwischen Oesterreick und Italien andererseits nur den Standpunkt der bewaffneten Neutralität einnehmen. Diese bewaffnete Neutralität bat aber natürlich nur dann einen Sinn, wenn sie gemeinschaftlich von allen Mittelstaat.n aufrecht erhalten wird, und ist dtßhalb unsere eiste Forderung die der Vereinigung der Mittelstaaten als selbstständigen Staatenbundes vorerst ohne Preußen und ohne Oesterreich. selbstverständlich mit Parlament und Centralgewalt, zu deren sofortiger Consti- tuirung die Mitwirkung d»-r Regierung mit allen gesetzlichen Mitteln zu erstreben ist.
2) Diese bewaffnete Neutralität erfordert aber außerordentliche Mittel, und sollen diese von der Ständeversammlung bereitwillig, jedoch nur unter der Bedingung vcrwilligr werden, daß das schon oft wiederholte, aber bis jetzt stets verweigerte Verlangen des Volks nach allgemeiner Bewaffnung durch Umgestaltung unseres stehenden Heeres in cin Milizsystem und durch sofortige Vorlage eines darauf bezüglichen Gesetzentwurfs noch bei den gegenwärtig versammelten Ständen erfüllt wird. Nur ein Volk in Waffen ist eine sichere Bürgschaft für die dauernde Erbaltung des Friedens und wird die zuverlässigste Stütze einer freideitlichen Regierung gegen äußere und innere Feinde sein.
3) Je rascher und energischer kie (von den Mittelstaaten ge meinschaftlich und in gleicher Weise anzuordmnden) Rüstungen vollzogen werden, für desto gesicherter halten wir den Frieden. Ist aber der Frieden wieder dauernd befestigt, so erwarten wir auch mit Zuversicht von unserer Regierung die Erfüllung ihrer schon früher gegebenen Zusagen bezüglich der volksthümlichen Umgestaltung unseres inneren staatlichen und Gemeindelebens, vor allen Dingen aber erwarten wir dann die Revision unserer Verfassung aus Grundlage der Beschlüsse der Landesversammlung vom 28 Dezember 1864.
Gegen Punkt 1 und 3 erhoben sich keine Einwendungen und fanden dieselben bei der Abstimmung einstimmige Annahme; bei Punkt 2 dagegen erhob der Abgeordnete dagegen Einsprache, daß die Verwilligung von Mitteln an die Bedingung sofortiger Vorlage eines Gesetzesentwurss BehusS Umgestaltung des jetzigen stehenden Heerwesens in eine Volksbewaffnung geknüpft werden solle; denn wenn er auch mit Durchführung des Volksbcwaff nungssystems im Prinzip einverstanden sei. so möchte er doch in dem jetzigen kritischen Zeitpunkte die Rüstungen keineswegs da durch verzögert wissen. Dieser Ansicht wurde auch Rechnung ge
tragen durch die Erklärung, daß man fick auch befriedigt finde, wenn die Regierung solch' bindende Zusage gebe, die Volksbewaffnung in thunliüster Bälde duichzusübren, daß ein Zurück ziehen dieser Zusage eine Unmöglichkeit sei. — Punkt 2 wurde hierauf auch mit beinahe Stimmeneinhcit angenommen. (Einiges Weitere über die Diskussion rc. im nächsten Blatt)
— Tie auf Heine (Mittwoch) einberufene Ständeversammlung wlrd von Sr. Maj. dem König persönlich eröffnet.
— Der heutige „Siaalsanzeiger" sucht sich „in dem Augenblick, welcher der Eröffnung des außerordentlichen Landtages nur um Stunden vorausgeht", die Lage, wie sie sich bisher gestaltet bat, unter dem Gesichtspunkt praktischer Politik nochmals scharf ins Auge zu fassen, und sagt dabei am Schluß: „Mögen Andere den unheilvollen Weg der Neutralität gehen, welcher nichts ist, als
-die Empörung der Muth und Rathlosigkeit, und welcher zweifelllos dem Verderben entgegenführt."
^ — Das Gewerbeblatt aus Württemberg beschäftigt sich in sei- lner letzten Nummer mit der Frage: Was sind die wahren Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bei einer Geschäfts- Stockung? Es wird den Arbeiigebern der Rath ertheilt, den Bestrich ihres Geschäftes nicht ciuzustellen, denselben vielmehr, wenn !auck ohne Gewinn, und selbst mit Aufopferung fortzusetzen Die j Arbeiter dagegen sollen billiger arbeiten, wodurch den Unterneh- >mern in einer schwierigen Zeit ihre schwere Stellung zum Nutzen ! Beider erleichtert werde.
— Stuttgart. Der Ausschuß des Vereins zum Wohl der arbeitenden Klassen hat beichlossen, an die Regierung eine Petition zu richten, die mit Rücksicht auf die näher rückende Nolh der Arbeitslosigkeit das Ersuchen stellt, die für dieses Jahr projektir- ten Staatsbaulen nicht einzuste llen, beziehungsweise wieder aufzunehurev. Sodann ist die Bildung eines Hilscomitö's Vorbehalten, so bald die Noth außerordentliche Maßregeln erheischen sollte.
— Tübingen, 21. Mai. Die von etwa 6—700 Bürgern Tübingens und der Umaegend besuchte Versammlung hak heule beschlossen, rn der gefahrdrohenden Lage des Vaterlandes ihre Ansicht in einer an die Abgeordnetenkammer zu erlassenden Adresse
jauszusprechen. Darin werden die Stände gebeten, die zweifelS ohne von Seiten der Regierung an sie gelangende Aufforderung von Mannschaft und Geld nur unter der Bedingung zu bewilligen, daß die Regierung Garantien dafür gebe, für Berufung eines deutschen Parlaments auf Grund des Reichswahlgesetzetz von 1849, für Wiedereinführung der Grundrechte und für die Ein leitung zu allgemeiner Volksbewaffnung tbätig sein zu wollen. Die Versammlung erklärt ferner ausdrücklich, daß sie, wenn auch j sür den Augenblick hinsichtlich der aktiven Bekheiligung an dem drohenden Kriege zwischen Preußen und Oesterreich ein zurückhaltendes Verhalten geboten scheine, gleichwohl den Ständen wie der Regierung keineswegs unter allen Umständen eine unihätige Neutralitätspolitik ansinnen wolle.
— Von Tübingen und Stuttgar r, sowie auch von verschie denen anderen Orten wird geu eldei. daß durch den Frost der letzten Nächte sowohl die Reben als auch ankere Gewächse sehr gelitten haben
— Hei den beim, 19. Mai. Heute wurde hier der fast in allen Theilen unseres Vaterlandes wohlbekannte Handels- und Gewerbelehrer Beger zur Erde bestattet Letzten Samstag kaum hier angekommen, um nun zum drittenmal einen Kurs in der gewerblichen Buchführung zu eröffnen, erkrankte er sofort an einer Lungenentzündung, der er schon nach fünf Tagen erlag.
Pforzheim, >3 Mai. Manche Fabrikanten lassen jetzt nur noch während 3 oder 4 Wochentagen, andere nur während des Vormittags arbeiten. Eine gänzliche Arbeiiseinstellung ifi hier zum Glücke nicht zu befürchten, da der Export der hiesigen Goldwaaren zum großen Theil ein überseeischer ist.
— Frankfurt, 19. Mai. In der heutigen Bundestags sitzung wurde von den Regierungen von Baiern, Württemberg, Baden, Großh. Hessen, Nassau, Sachsen Weimar, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg Gotha der Antrag eingebracht: Die bohe Bundesversammlung wolle an alle diejenigen BunkeSglieder, welche militärische, über den Friedensstand hinausgehende Maß-