In der zwölften Stunde"

überschreibt die den preußischen Reformbestrebungen günstig gesinnte (offiz.) Weimarische Zeitung eine patriotische Mahnung an die preu­ßische Regierung, welche die höchste Beachtung verdient:

Die Mehrzahl der deutschen Regierungen und des deutschen Vol­kes ist bereit, auf die Verhandlung der preußischen Reformvorschläge eiuzugehen und die Herstellung eines engeren Anschlußverhältn sscs zwi­schen den Herzogthümern Schleswig-Holstein und Preußen zu bewilli­gen, vorausgesetzt, daß Preußen auf die Annexion der Herzogthümer verzichtet. Inzwischen scheint nunmehr die schleswig-holsteinische Frage sich nach den jüngsten diplomatischen Schritten Oesterreichs nicht un­wesentlich geändert zu haben. Dem Vernehmen nach (ist begründet) hat Oesterreich dem Berliner Kabinet Vorschläge zu einer definitiven Lösung dieser Angelegenheit gemacht, welche dem von Preußen ausge­stellten Februarprograinm sehr nahe kommen: mit Ausnahme der Mi­litärhoheit scheint Oesterreich bereit, die damaligen Forderungen des Berliner Kabinets zu erfüllen, und in diesem Sinne einen Antrag am Bund gemeinschaftlich mit Preußen cinzubringen. Ein solcher Antrag würde wahrscheinlich unter allen Umständen auf d e Annahme durch den Bundestag rechnen können; in einem Augenblick wie der jetzige, wo die Eventnalicät eines Krieges con allen Parteien in An­schlag gebracht werden muß, dürften auch diejenigen Staaten, welche sonst wohl die lebhafteste Opposition gegen Preußen machen, auf Wi­derspruch bereitwillig Verzicht leisten. Der Widerspruch gegen eine solche Lösung auf dem Wege engerer Vereinigung der Herzogthümer mit Preußen ist daher voraussichtlich nicht bei dm deutschen Regie­rungen, sondern bei dem Berliner Kabinet selbst zu suchen, wenn das­selbe die ihm von Oesterreich gemachten Vorschläge znrnckweist; auch nicht bei dem preußischen Volke, welches seinen Widerwillen gegen einen Krieg mit Oesterreich so oft ausgesprochen hat, und wenn es jetzt vielleicht eine solche Aussicht mit günstigerem Auge ansicht, doch jedenfalls eine Verständigung auf der Basis des Febrnarprogramms der unsichern Möglichkeit, den Besitz der Herzogthümer durch einen Krieg zu erwerben, vorzieht.

Dringend scheint daher geboten, daß man in Berlin an maßgeben­der Stelle sich noch eininal vergegenwärtige, welchen Gewinn man aus einem um den Besitz der Herzogthümer mit Oesterreich geführten Krieg erwarten kann und ob selbst der glücklichste Fall, daß das Re­sultat desselben der Erwerb jener Länder ist, wirklich die Herstellung des engeren Anschlusses der Herzogthümer an Preußen um so viel übertrifft, daß die deßhalb gebrachten Opfer nicht in Betracht kom­men können. Wir sind keineswegs dieser Ansicht, sondern, ausgehend von unserer sooft ausgesprochenen Ueberzeugung. daß derWeg bun­desstaatlicher Einigung überhaupt der einzige ist,wel­cher, der historischen Entwickelung D-utschlauds ent­sprechend, wir klichc Au ssicht auf eine Einigung Deutsch­lands eröffnet, und unser Vaterland vor der Zwei- oder Drei- th eilung sichern kann, halten wir daran fest, daß cs dem höchsten In­teresse Preußens entspricht, wenn es die Annexionsidee, die ja ohne­hin, abgesehen von eimm rein persönlichen Schreiben des Minister­präsidenten nie in offizieller Weise als das Programm der preu­ßischen Krone bezeichnet worden ist, rückhaltlos fallen läßt. Wir wür­den eine solche Politik für die richtige, für eine im besten Sinne na­tionale halten. Wir sind gewiß nicht geneigt, die Bedeutung der preu­ßischen Macht gering auzuschlagen, in der wir stets den Hort für die Zukunft unseres Vaterlandes erblicken, allein ebensowenig können wir die Bedeutung der österreichischen und mittelstaatlichen Macht unter­schätzen, die, selbst wenn Oesterreich durch einen Krieg mit Italien an der vollen Geltendmachung seiner Stieitkräfte gehindert wird, air Zahl und Tüchtigkeit der preußischen Armee das Gleichgewicht hält.

Was würde also uutcr diesen Umständen das Resultat eines Krie­ges sein? Nach einer Reihe verlorener uud gewonnener Schlachten, nach einer unendlichen Verwüstung Deutschlands, nach einer Vernichtung seines blühenden Wohlstandes und einer Lahmlegung seiner Kräfte für lange Zeit hinaus ein Friedensschluß, der vielleicht llerdings Schles­wig-Holstein dem preußischen Staate einverleiben, ihm eine wenig freundlich gesonnene Bevölkerung zaführen, dagegen aber möglicher, wenn auch vielleicht nicht wahrscheinlicher Weise eine andere Provinz mit treuergebeuer Bevölkerung kosten würde. Sicherlich wäre ein sol­ches Resultat so großer Opfer nicht werth. Oder meint man in Ber­lin, daß nach einem solchen Kainpfe die alte Rivalität zwischen Oester­

reich und Preußen beseitigt sein würde? Nichts könnte irriger sein: auf gewaltsamem Wege kann diese Rivalität nur beendigt werden, wenn Oesterreich vollständig aus Deutschland hinausgcdrängt würde, oder aufhörte, eine europäische Großmacht zu sein. Beides aber ist zur Zeit undenkbar, und selbst der entschiedenste Preuße wird eine solche Eventualität kaum wünschen können, da Oesterreich ein ganz uothwendiges Glied in der europäischen Machtstellung Deutschlands ist. Selbst wenn Preußen daher in den Besitz Schleswig-Holsteins käme, die Stellung Oesterreichs in Deutschland würde darum keine schlechtere sein; wohl aber würde Preußen für unendliche Zeit hinaus ein Gegenstand des Mißtrauens, sowohl der Regierungen wie der Völker werden und an jeder wirklichen Bethütigung seines deutschna­tionalen Berufs, das Centrum Deutschlands zu bilden, verhindert sein. Dieser Art würden die Resultate eines Krieges mit Oesterreich für Preußen sein, wenn der Kampf zwischen den beiden Mächten zwar nicht lokalisirt, aber doch ohne, die Einmisch ung einer dritten Großmacht geführt würde. Die Einmischung Frankreichs aber würde Preußen oder Deutschland eine Provinz kosten.

^ TageSneuigkeitcn.

Die erledigte Pfarrei Neuhengftett wurde dem Psarr- verweser Binder in Altenburg, Dekanats Tübingen, übertragen.

Levnberg. 3. Mai. Auf der Markung Weil im Dorf sind in letzter Wecke die ersten Grundstücke für die Eisenbahn durch eine Kommission erworben und 16 Morgen angekauft wor

^ den Der Preis weckseile von 600 bis 1800 fl ; nur 2 Güter- b.fitzer machten die übermäßige Forderung von 20M fl per Mor­gen, was ihnen nicht gewährt wurde. Sie haben sich jedoch seit- anders besonnen und den Morgen zu I700fl. abgegeben. (Schw.M.)

Obertürkveim. 4 Mai. Heute Nachmittag 4 Uhr zog bei sonst heiterem Himmel eine Gewitterwolke über unseren Ho­rizont. Ein von einem heftigen Donnerschlag begleiteter Blitz- stcahl streckte einen 23jährigen :m Weinberge arbeitenden Jüng­ling plötzlich todt zu Boden. Sein jüngerer Bruder kam nach kurzer Betäubung mit dem Schrecken davon

Frankfurt. 4 Mai. Wie dasFrks. Journ " vernimmt, wird morgen zur gewöhnlichen Zeit aus den Antrag Sachsens eine außerordentliche Bundestagsfitzung statlfinden Der Zweck dieser Sitzung dürfte wohl durch den letzten Notenwechsel zwischen Ber­lin und Dresden motivirt werden.

Frankfurt a. M, 5. Mai. Der in der heutigen Bun-

descxtraiitzung erwartete sächsische Antrag provozirt eineu Bundes- besckluß, welcher Preußen auf den Grund des Art. 11 um be­ruhigende Erklärung ersucht, damit die Bundesversammlung nickt iu den Fall komme, den Art. 19 (vorläufige Maßregeln gegen Selbsthilfe und Aufrechthaltung des Besitzstandes) in Anwendung zu bringen (Tek. d. Schw. M.)

Die N Preuß Zeitung macht kein Hehl daraus, daß man durch den Bismarck'schen Parlamentarismus nur die wirkliche Vertretung und Selbstbestimmung des deutschen Volkes beseitigen und ihr den Garaus machen möchte. Sie sagt mit christlicher Offenherzigkeit:Daß dieß möglich ist, dafür liefern die 6 Jahre preußischer Geschichte den schlagendsten Beweis. Um so unver­ständiger und unverantwortlicher wäre es aber, wenn die kleinen deutschen Staaten die Gelegenheit von der Hand weisen solltcn, den deutschen Parlamentarismus mit s.inen eigenen Waffen zu schlagen Für sich allein vermögen sie dieß nicht was man ihnen heute noch biete , wird ihnen voraussichtlich niemals ge­boten."

Berlin, 3. Mai. DerStaatsanzeiger" schreibt:Auf die österreichische Depesche vom 26 v. M., welche die Vorschläge zu einer definitiven Regelung der sckleswig holsteinischen F-aae ent­hält, 'st eine amtliche Antwort noch nicht abgegangen. Die Wich­tigkeit der Frage eriordert eine eingehendere Erwägung Ein preu­ßischer Gegenvorschlag mi ß sich aus einem andern Boden bewegen als die österreichischen Vorschläge, welche den Wiener Frieden und den Gasteiner Vertrag ignourcn Preußen hält an diesen Ver­trägen und den daraus erworbenen Reckten fest; wie Oesterreich eine in Aussicht gestellte Entscheidung durch den Bund damit

! vereinigen will, ist nicht abznsehrn Preußen seinerseits kann nicht gesonnen sein, den in Gemeinschaft Mil Oesterreich erkämpf-