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zu benützen, um rechtzeitig dort einzntreffen. Als er am Morgen des vorgestrigen Tages erwacht und nach der Uhr sieht, bemerkt er, daß bereits die Glocke 6 geschlagen und ihm nur noch 10 Minuten Zeit übrig sind, um sich anzukleiden und nach dem Bahnhof zu gehen, der zum Eck nur circa 5 Minuten von seiner Wohnung entfernt ist. Er wirst sich daher in resoluter Weise in die Unterhosen, in Rock und Schuhe, stülpt rasch den Hut oder die Mütze auf den Kopf, hangt Gewehr und Jagdtasche über die Schulter, die »och erforderlichen Kleidungsstücke, als: Hosen, Weste, Socken re. über den Arm und eilt beflügelten Schrittes den Wagen zu, vor welchen das Dampfroß schon zu schnauben beginnt. Allein „dem Muthigen gehört die Welt": der Jünger Diana's erreichte, wenn auch als „Sansculotte" glücklich den Zug, und während ihn derselbe brausend durch die Gefilde dahintrug, hatte er Zeit genug, die zu Hause so eilig begonnene Toilette in aller Gemülhsruhe im Coupe zu vollenden.
— Rudolstadt, 23. Nov. Die Nawricht von dem beabsichtigten Prinzenraub znm Zweck der Gekderpressung, wird durch verschiedene thüringische Blätter bestätigt. Die zwei Angeklagten sind dem Kreisgerichte zu Sondershausen überliefert worden.
— In Würzburg ließ der Besitzer eines Hauses, das in früheren Jahrhunderten dem über ganz Deutschland verbreitet gewesenen Johanniter-Orden gehörte und später bis 1840 der Gasthof zum „deutschen Haus" war, bedeutende Reparaturen an dem selben vornehmen, und so entdeckten einige Arbeiter beim Abbruch einer dicken Mauer ein eisernes Kästchen von circa I V-' Länge, 1' Breite und Höbe, das 25—30,000 fl. in Goldmünzen enthielt.
— In Zwickau wurde vorige Woche Fleisch von einem Schweine Polizeilich versiegelt, weil 12 Personen, die davon gegessen hatten, von der Trichinenkrankbeit befallen worden sind.
— Major v. Schack, der sich an dem Hauptmann Calow in Magdeburg so schwer vergangen und ihn zuletzt im Duell erschossen batte, ist zu lOjähriger Festungshaft auf Ehrenbreitstein verurtheilt worden.
— Das preußische Herrenhaus, das sich seit seiner Bestehen consequent als Hemnischuh jeden Fortschritts erwies, ist durch beträchtliche Verstärkung des Junkerelements und die Bestimmung, daß eine Aenderung in seiner Zusammensetzung nicht mehr aus dem Wege der Verordnung, sondern nur der Gesetzgebung, also mit Zustimmung dieses Hauses selbst, bewirkt werden könne, jeden etwaigen liberalen Zukunstsministerium als unübersteiglicheS Reformhinderniß vor die Nase gestellt. So lange das Junkerthum in diesem Hause überwiegt, wird jedes liberale Gesetz an ihm scheitern, ob auch Volk und Regierung dasselbe einmüthig durchsetzen wollte, und Laß ein solches Haus sich nicht selbst re- formiren helfen wird, liegt auf der Hand. Freilich gibt es Zeilen und Umstände, welche auch ein preußisches Herrenhaus veranlassen können, andere Saiten aufzuzieben.
— Berlin, 23. Nov. Ein ganz neues Attentat auf die Selbstständigkeit der Gemeinden wird jetzt von der Regierung zu Stralsund gemacht. Dieselbe hat nämlich den Bürgermeistern der pom- mer'schen Städte aufgegeben, wenn sie sich über 8 Tage von ihrem Wohnort entfernen, zuvor Urlaub bei der Regierung nachzusuchen. Eine Beschwerde beim Oberpräsidenten ist zurückgewiesen worden. Jetzt liegt die Sache dem Ministerium zur Entscheidung vor.
— Hambürg, 24. Nov. Wie der „Altonaer Merkur" meldet, haben die beiden deutschen Großmächte eine Einigung dahin getroffen, in einem demnächstigen Anträge beim Bunde die Aufforderung an den Frankfurter Senat zu stellen: derselbe solle diejenigen Maßregeln treffen, welche im Interesse der BundeS- würde erforderlich seien, um Vorgängen wie diejenigen beim Ab- gevrdnetentage, vorzubeugen, widrigenfalls der Bund die nöthigen Maßregeln selbst treffen müßte.
— Wien, 24. Nov. Es heißt, die Westmächte und Rußland unterhandeln über einen beabsichtigten gemeinsamen Schritt bei den deutschen Großmächten wegen Rückgabe Nordsckleswigs an Dänemark.
— Die österreichischen Landtage sind, mit alleiniger Ausnahme des ungarischen, am 23. Nov. zusammengetreten. Sie ollen, jeder gesondert jür sich, an einer gemeinsamen Reichsver
fassung für das Kaisertbum Mitwirken. Das wird ein langwieriges, kunterbuntes Stück Arbeit werden. Wenn die Herren Ab« geordneten so lang auf dem Platze ausharren müssen, bis Las gemeinsame Werk fertig und allseitig apprvbirt ist, so mögen sie zu Hause nur gleich Abschied nehmen auf Nimmerwiedersehen .denn ihrer Keiner wird dann voraussichtlich die Heimath wieder schauen, s — In Wien ist eine atmosphärische „Gasbeleuchtungsund Beheizungsanstalt" entstanden. Ihre Aufgabe ist, den Gasverbrauch um 60—80°/° zu vermindern, ohne daß die Lichtstärke beeinträchtigt wird, oder auch das Licht 3—4 mal stärker zu machen, ohne die Gasmenge zu erhöhen, und endlich wie durch Zauber für Flecken und Dörfer, die kein Gas haben, die Luft in ein'mäßiges und gesundes Beleuchtungs- und Heizmittel zu verwandeln. Es soll ferner durch Photogenisation der atmosphärischen Lust für die Küche, sür den Dampfkessel, für Oefen aller Art bis zum eisenschmelzenden Hochofen das billigste Heizmittel hergestellt werden. Das bezeichnet« Verfahren besteht darin;, unter Anwendung spezieller patentirter Apparate, statt des gewöhnlichen Leuchtgases, wasserstoffhaltige Dämpfe, welche mit Kohlenstoff geschwängert sind. zur Verwendung zu bringen. Dreimal wöchentlich werden im Bukeau der Anstalt Versuche und Experimente ausgeführt; überdieß ist ein tragbarer Apparat vorhanden, welcher auf Verlangen in die Häuser gebracht wird, wo man das Experiment zu sehen verlangt.
— Wien, 21. Nov. Die Thronrede des Königs Viktor Ema- nuel ist hier gemäßigt gefunden worden, und man ist geneigt, darin die waltende Hand der Tuilerien zu erblicken. Es scheint also, daß man sich hier über die nächste Zukunft, so weit es Italien betrifft, so ziemlich jeder Besorgniß entschlägt. Wie mau aber versichert, soll doch die allerdings prinzipiell in Aussicht genommene weitere Reducirung der österreichischen Armee in Vene- tien nicht eher zur wirklichen Durchführung gelangen, bis die italienische Armeereduktion gleichfalls Thatsache geworden ist.
Frankreich. Paris, 24. Nov. Die Journale drucken einen Artikel des Moniteur von Martinique ab, welcher einen Konflikt meldet, der zwischen 1039 nach Mexiko abgeschickten Zuaven und der Marine-Infanterie ausgebrochen ist. Von den Zuaven wurden 16 getödtet, 37 verwundet, die Marine-Infanterie hatte 3 Todte und 10 Verwundete.
Am Scheidewege.
(Aortsehuiu,.)
Napoleon hörte stumm diese wunderbare, schicksalsvolle Neuigkeit, doch Nichts verrieth seine Ueberraschung. Er stand mit verschränkten Armen, unbeweglich, seine Augen weit geöffnet.
„Die Revolution hat begonnen!" sagte Napoleon, als De- marris schwieg.
„Eine Nationalgarde hat sich in Paris gebildet, Lafayette ist an ihrer Spitze", fuhr Demarris fort. „Die Armee ist zurückgezogen, sie soll aufgelöst, Broglie entlassen werden. Nationalgarden entstehen überall."
„Das Volk wird siegen!" rief Napoleon. „Die Revolution wird siegen!"
„Wie wird sie enden!"
Napoleon antwortete nicht, er blickte über die Rhone hinaus. „Sind diese Nachrichten schon in Valence verbreitet?" fragte er.
„Noch nicht, man verheimlicht sie noch, um Maßregeln zu berathen, möglichen Unruhen vorzubeugen. Aber wie lange soll das währen? Kaum ein paar Stunden."
„Höre, Demarris!"
„Was willst du, lieber Nepoleon?"
„Schweige gegen Jedermann."
„Das will ich dir versprechen. Auch der Oberst hat es mir bereits befohlen. Es gibt manche unruhige Köpfe, selbst im Re- gimente, die ihm Sorge machen, aber diese — diese haben jetzt an andere Dinge zu denken." Er warf einen halb frei-- Vi Vn. halb scheuen Blick auf den Freund. Napoleon schien N ^ 7 hören und Nichts zu bemerken.
„Komm' in einer Stunde wieder her zu mir,