Amerika. NewAork. 26 Juli. Pcäfloent Johnson enl läßt >>lle Kriegsgefangenen einschließlich der Generale im Fall sie den Eid der Treue leisten Der Marineminister ordnete die Re­duktion des atlantischen Geschwaders aus 10, des Mississippigc- schwaders auf 5 Schiffe an Die Konflikte zwischen Bürgern und Soldaten dauern im Süden fort. Die Zuavcn in New-Pork und Charleston. welche meutertcn. wurden entwaffnet und in's Gejängniß gesteckt. Bei den Wahlen in Virginicn haben der Mehrzahl nach die snessionistischen Kandidaten gesiegt. Leit dreißig Tagen sind allein von Washington ans ^00,000 Solda­ten nach ihren Heimathorten entlassen w orden. _

Unterhaltendes Gräfin R v s c n ! i.

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Hast Du, lieber Leser, jemals ein Gesicht gesehen, das in seiner Steifheit und seinen massiven, rohen Zügen von einem stümpc.haften Bildhauer aus grobkörnigem Granit gemeißelt zu sein scheint, so kennst du das holdselige Antlitz meines liebens­würdigen neuen Freundes Er hatte bereits vierzig Jahre in Rußland verlebt, sich dort an Charakter und Sitten vollständig nationaliflrt. und ließ sich von keinem Eingeborncn an jedes fremde Interesse völlig ignorirendcr Berechnung des eigenen Portbeils übertreten. Er hatte so viele Jahre lang seinen Platz neben dem großen Ofen innegehabt, mit Pclzhäntlcrn gefeilscht, und unter der steifen Hausdisciplin gelebt, daß er fast völlig zum Automaten geworden zu sein schien. Ich habe den M. nn niemals lachen sehen, ausgenommen, wenn es ilm gelungen war, Jemanden im Handel zu übrrvorlheilcn, und das Hauptziel seines Lebens schien, dem Pelzhandel und seinen sonstigen geschäftigen Arbeiten abge sehen, nur daraus gerichtet, Andern daS Emporkommen z« er schweren, cder sic gänzlich in abhängiger Stellung zu erhalten, Ich muß ei »gestehen. daß er es in dieser Beziehung zur hohen Meisterschaft gebracht halte. Seine langjährige Geschäftserfahrung «nd Bekanntschaft mit ihnen ließ ihn selbst unseren Prinzipaten gegenüber als Autorität gelten und er besaß auch in anderer Beziehung ihr Vertrauen in so hohem Grade, daß in unserem Palast überhaupt wenig vorsallen konnte, ohne seinem Einfluß zugeschrikben zu werden. Stark übte, wie wir Alle wuß ten, das Spionirshstem unter uns systematisch und niit seltener Ausdauer und Gewaotlheit, und Jeder hütete sich daher wenigstens vor seinem Mißfallen, obgleich es allerdings völlig rin Ding der Unmöglichkeit war. sein Wohlwollen zu gewinnen.

Was mich selbst anbekrifft, so war ich freilich als der Rcprä sentant meines OheimS nach St. Petersburg gekommen, nnv der alte Herr war aiS Compagnv» des Geschäftes bekannt, doch hatte sich Stark'«! Stellung im Geschäft durch 40jährigrs Pelzwaarcn- sorlircn, Pntrarbeiten. Spionier«,j Rapportier« in einem solchen Grade befestigt, und außerdem besaß er so manche Kenntnisse, welch« mir abgingen, und mir nach seinem Beschluß skr immer abgrhen sollten, daß ich von der ersten Stunde an. da ich mein« Arbeiten begann, in eine ihm untergeordnete Stellung heradsank

Mein Pult st »d an der einen Seite des ungeheuren Ofens, das meines LanknianneS an der andern, und der Ofen selbst nahm, wir man in Rußland so häufig findet, die Mitte und fast die Halste des ganzen Zimmers rin, weiches jetzt unser Comp toir verstellte, in Wahrheit jedoch mehr dem Boudoir einer ele­ganten Dame ähnelte. denn ans den mit herrlichen Malereien geschmückten Wänden blitzten eolossatc Spiegel in prächtigen Gold­rahme« hervor, und in einer Ecke zeigten sich noch Spuren einer dort angrbracht gewesenen Garderobe

Mein Pult war natürlich gleich den übrigen mit einer roh gearbeitetrn Eins.irdignng versehen, jedoch nur von mäßiger Höhr, so daß ich. wenn ich mich cmporhob, und zwar wie ich glaubte, unbemerkt, jede Person sehr« konnte, welche unser Lokal betrat oder vrrlirß.

Start's Platz bet ihm dieselben Porthrile, ohne daß er sich sie jemals zu Nutzen zu machen schien, renn ich sab idn immer nur mit dem Registrier« von Zobel, schwarzem Fuchs, ^Hermelin und^an-

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deren unserer kostbarsten Handelsartikel, von denen er eben Exem­plare neben sich auf dem Pult liegen hatte, beschäftigt, ohne daß er eine Miene dabei verzog oder die Augen in die Höhe schlug. Es kam ihm übrigens niemals in d-n Sinn, auch nur ein ein­ziges Wort mit mir zu wechseln, ausgenommen, wenn ich mich gegen meine 'Neigung gezwungen sab, in geschäftlichen Angelegen­heiten diese oder jene Frage an ihn zn richten, und seine Ant­wort pflegte in solchen Fällen nicht nur außerordentlich lakonisch zu sein, sondern auch so viele technische, wcilhergeholte Ausdrücke zu enthalten, wie er im Augenblick nur irgend aufzufinden wußte. Wir haßten uns in der That vom ersten Augenblicke unseres Zu­sammentreffens an Er blickte mit scheelem Auge aus meinen Eilttnlt ins Geschäft, in weichem er der einzige Deutsche zu blei­ben gewünscht hatte, und ich fühlte mich wahrhaftig zu ihm eben­sowenig hiilgezogen. Doch er war nicht der Mann dazu*, weder selbst Streit anzusangcn. noch mit sich ansangrn zu lassen.

So saßen wir denn eines Morgens an unfern rrspectivcn Pallen, oder richtiger in unseren Zellen. Es war Sommer; nämlich Ansang Juli; roch ein St. Petersburger Svminer be­deutet weiter nichts wie nebeliges Zwielicht, durch-welches sich höhrr «der niedriger am Firmament, je nach der Tagesstunde, die Sonne, unserem Eentemond ähnlich, wie eine rotbe Scheibe zeigt, und eine schwüle Atmosphäre, wie sie einem Gewittersturm vor- herzugchen pflegt; kurz, es war eine Witterung, wie sieden Men­schen aus's Aenßrrste erschlafft und zu jeder Arbeit unfähig macht. Die auffällige Länge der Tage, die trübselige monotone Lebens­weise, meine Einsamkeit in fremdem Lande, dessen Sprache mir unbekannt war, und in welchem mir kein Freund lebte, Alles daS hatte mir meine Stellung in St. Petersburg, der ich mit so freundlichen Hoffnungen entgrgengereist war, bereits gründlich verleibet. Ich hatte in fünf verschiedenen Häusern Empfehlungs­briefe von meinem Oheim abgegeben, und von allen jenen Leu­ten seit meiner ersten »nd letzten Visite kein Sterbensrvvrtchen wieder gehört hatte die prachtvollsten von Palästen eingefaß­ten Straßen der russischen Hauptstadt halbe Tage lang durchwan­dert. und sogar eine Excursion in vrn.dichten Fichtenwäldern un­weit der Stavt unternommen Ich hatte das Theater besucht, i»rd dort für einen schlechten Platz ein enormes Entree bezahlen muffen, und die Kaffeehäuser, nm gegen die dort zu Tage treten­den rohen Sitten den unbesiegbarsten Widerwillen zu fassen. Au­ßerhalb der Wände unseres kaufmännischen Palastes sah ich mich aus Weg und Steg belogen und betrogen und innerhalb dersel­ben von Spionen umgeben und bewacht War eS unter solchen Verhältnissen ein Wunder, wenn sich daS Heimweh bei mir ein- stcülc und ineine Sehnsucht nach der alten Hansestadt von Tag zu Tag quälender wurde.

In einer solchen traurigen Stimmung saß ich denn auch an einem schwülen Sominenage an meinem Pult und stellte mich, als ob ich eifrig schriebe, als plötzlich der neben in der Wand an­gebrachte Spiegel das Bild einer Dame zurückwarf.

Eine Dame in unserem Eomptair! Eher hätte ich eine« Paradiesvogel dort sein glänzendes Gefieder entfalten zu sehen erwartet, denn selbst die Küche und Wasche unseres gantzrn Eta­blissements wurde von männlichen Händen besorgt. UfidK den­noch, dort stand eine Dame in der elegantesten Pariser Toilette, dem Aeußeren nach kaum zwanzig Jahre alt, mit fein geschnitte­nen Gesichtszügen, zartem, durchsichtigem Teint, tiefblauen Angen und goldblondem Haar. .

Sic war so geräuschlos eingrtrrten, daß ich ihre Anwesenheit erst durch den Spiegel erfuhr nnd waS mein Staunen «och ver­mehrte, war. daß sie mit Stark sprach. Die Unterhaltung zwi­schen den Beiden war leise nnd angelegentlich, und ich muß be­kennen, daß ich zn lauschen versuchte, wodurch ich freilich, da sie russisch sprachen, nm nichts klüger wurde.

Was dem Ohr »«verständlich ist, erzählt uns indrssen nicht selten das Auge, nnd in diesem Fall belehrte mich dir scharfe Beobachtung.Beiter über der niedrigen Einfriedigung meines Pultes zu meinem außerordentlichen Erstaunen, daß von nickt» Anderem die Rete war. wie von meiner eigenen Wenigkeit.

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