Gute Unterlasten habe. Er berührt die 16 Millionen Überschüsse, welche in den drei Jahren 186164 dem Volk eigentlich zu viel abgenommen worden seien, und von Rechtswegen den Steuerzah- lenden zurückzugeben wären, da aber dieß nicht ausführbar sei, so ist er der Meinung, daß ungeachtet des Wettrennens der ver­schiedenen Herren Minister nach diesen Beuteln von denselben mindestens die Hälfte zum Eisenbahnbau zu verwenden sei, an­statt zu Archiv- und anderen Bauten, die sich verschieben lassen Herr Oesterlen kommt auf einige köstliche Früchte, die in der letz­ten Zeit ohne langes Schütteln dem Volk in den Sckwoß ge fallen seien, des Nähern zu sprechen, als da sind: Einführung der geheimen Stimmgebung bei Abgeordnetenwahlen. Ertheilunq des Wahlrechts an die Staatsbürger, welche Steuer aus Capital- oder anderem Einkommen zahlen, Ausdehnung des Wahlrechts aus alle im Bezirk wohnenden Staats- (nicht mehr allein Orts-) Bürger, Aushebung der im Verehelichungsgesetz von 1852 ent­haltenen polizeilichen Beschränkungen, wornach künftig die Hei- rathskandidalen sich weder über einen genügenden Nahrungsstand, noch über ein gutes Prädikat auszuweisen haben, zu welch letzte­rer Errungenschaft nur noch nöthig sei, daß das Gesetz über die Verpflichtung der Gemeinden zur Armensürsorge eine Aenderung dahin erleide, daß wenigstens keine arbeitsfähigen Personen mehr unterstützt werden

Herr Oesterlen schloß unter lebhaftem Beisall der Versamm­lung, die seinen Worten in lautloser Stille gelauscht hatte

Nach ihm betrat, mit Applaus begrüßt, Herr Carl Mayer, Redakteur des Beobachters, die Rednerbühne. Er meint, wo sein Freund Oesterlen schon so wacker geschüttelt habe, da bleibe ihm bloß noch das Afterbergen übrig, er aflerbergt aber ganz gründ lieb. Er kommt noch einmal kurz aber kräftig auf die deutsche Frage und unsere Stellung zu den beiden deutschen Großmächten rurück und beendigt dieses Capitel, indem er sagt, daß sicher noch eine Zeit kommen müsse, wo die Davids Schleuder dem Riesen Goliath in die Fratze fliegen werde. Alle deutschen Srämme seien gleichberechtigt und keiner dürfe sich anmaßen, über den andern herrschen zu wollen. Wir sollen uns die praktischen Ein­richtungen der Schweiz, wo unter dem Schutze der Freiheit der Wohlstand in der schönsten Blüthe stehe, zum Muster nehmen, man solle die Verwaltung vereinfachen, die Steuern praktischer »ertheilen und erheben Die Schweizer leben ohne Cameralämter und würden sich wundern, wenn bei ihnen Männer mit Schwer­tern an der Seite berumliefen, um für den Eingang der Stcu «rn zu sorgen. Daß Herr Mayer Manchem aus dem Herzen gesprochen hatte, bewies der stürmische Beifall, von dem er oft unterbrochen wurde, der aber den höchsten Grad -errichte, als er zwischen der schweizerischen und unsrer Heereseinrichtung Ver­gleiche anstellte. Tie elftere in Württemberg angewendet, würde uns ein Heer von 132,000 Mann verschaffen, während wir bei unserer Ein ichtung bloß 25,000 aufbringen, welche obendrein noch mehr kosten, als die 132,000 Mann nach schweizerischem System. Daß ein weniger sein gedrilltes Votksheer sich doch gut schlage, haben die Amerikaner im letzten mörderischen Krieg be­wiesen, nicht minder aber auch die preußische Landwehr, ais sie im Jahr 1813 mit der für unbezwinglich gehaltene - französischen Garde so glänzend fertig wurde" Der Redner sagte, ^deutsche Offiziere seien zusammengetreten und haben die in Coburg er­scheinende deutsche Wehrzeitung gegründet, um für Abschaffung der stehenden Heere und Einführung des Volksheers zu wirken, aber es sei in der That unbegreiflich, daß man sich weder in den Maßgebenden militärischen, noch in den gesetzgebenden Kreisen zu höheren praktischen Anschauungen erheben könne, wie der Durch­fall der Fetzer'schen Motion in der Abgeordnetenkammer beweise. Man soll nickt damit warten, bis die Noch zur Schaffung eines Volksheets zwinge. Herr v Miller dürste vielleicht in' dieser Beziehung seine Ansichten eben so gut ändern, wie der oste - reichische Kriegsminister, der den Abstrich einer sehr bedeutenden Summe am Militär- und Marineetat für eine Unmöglichkeit er­klärt, aber nach ein paar Tagen gan- charmant für möglich ge­funden hat. Zum Schluß ermahnte der Redner zu unermüd­lichem Weiterkämpfen und es machte einen wohlthuendcn Eindruck, auf den Gesichtern . ller Anwesenden die Begeisterung, welche

seine Worte hervorgerusen hatte, zu lesen und mit Beifall de» Mann überschütten zu sehen, der treu und uneigennützig wie wenige für das Volk einsteht.

Run kam die Reihe an einen schlichten Bauern, Adam Gehring von Gechingen eine hier zu Lande ganz ungewohnte Erscheinung aus einer Rednerbühne der mit begeisterten Worten zur Einigkeit und Ausdauer aufforderte und, was bei Männern in Lederhosen eben­falls selten ist, den Schluß seines Vortrags in Verse geformt hatte.

Auf diesen ächten Sohn des Volks folgte Herr Emil Georgii, der auf diesen Ehrentitel nicht weniger Anspruch hat. Er bestätigte Herrn Oesterlen, wie dieser es gewünscht hatte, daß die Versammlung mit seiner Ansicht in Betreff der Verwendung der Ueberschüsse ein­verstanden sei und sprach Worte der Anerkennung gegen die bewähr­ten Führer, die uns mit ihrem Besuche erfreut hatten.

Inzwischen war die Zeit herangekommen, wo die entfernter Wohnenden an den Heimweg denken mußtm und sich Alle mehr oder weniger auf die Hitze im Saale nach frischer Luft sehntm. Der Vorsitzende schloß die Versammlung, nachdem er Herrn Oesterlen be­auftragt hatte, dem Senior der Mrttemb. Volkspartei, dem ehrwür­digen vr. Tafel, der gleich einigen andern Freunden an der Teil­nahme verhindert war, die Grüße der Versammlung zu »Herdringen. Ein Telegramm mehrerer Tübinger Freunde, die bei einem Füßchen Calwer Bier der Versammlung ihren Gruß sandten, wurde sogleich dahin erwiedcrt, daß wir so lange schütteln, bis die letzte Birne vom Gipfel falle.

So waren einige Stunden rasch verstrichen, in welchen sich trotz einer afrikanischen Hitze Geist und Herz erfrischt hatten, und eine solche Erfrischung ist von Zeit zu Zeit nöthig, nicht allein zur Be­lebung für die Männer des Volkes, sondern auch, damit der lautere Samen, den wir ausstreuen, um so schöner aufgehe.

Stuttgart, 6 Juli. (170. Sitzung der Kammer der Abgeordneten) Hölder entwi. elt seinen Antrag wegen Abschluß eines Handelsvertrags mit Italien, der sodann der volkswirtb- schastlichen Commission überwiesen wirb, worauf die Kammer dem neuen Zollvereinsvertrag vom 16. Mai 1865 mit seinen Anla­ge» und Zubehörden, sowie dem Protokolle vom 24. Mai 1865, den Einschluß der Kreuzlinger und der Paradieser Vorstadt bei Constanz in den Zollverein betreffend, ihre ständische Zustimmung ertheilt Staaksrath v. Renner beantwortet hierauf die Anfrage r esterlens wegen des Handelsvertrags mit der Schweiz dahin, daß allerdings neben anderen deutschen Regierungen auch die preußische dessen Genehmigung versagt habe, und zwar einestheilS, weil die Stände nicht versammelt seien und denselben genehmi­gen könnten, anderntheils aus materiellen Bedenken. Davon, daß die Haltung einiger süddeutscher Regierungen in der Frage wegen des italienischen Handelsvertrags hierun die Schuld trage, sei nirgends die Rede, es sei hierzu aber auch kein Grund vor­handen. Die württembergische Regierung werte sich indessen be­mühen, die diesem Vertrage entgegenstchenden Hindernisse zu be­seitigen. (Uns scheint, Herr v. Bismarck habe eben den Regie­rungen von Württemberg, Baiern und Baden zeigen wollen, daß nur er Verträge abschließen könne und dürfe.) Schließlich komnit das Branntweinsteuergesetz zur Berathung. Der princt- piclle Anlrag der Mehrbeit der Commission, die Malzsteuer auf das zu Erzeugung von Branntwein dienende Malz nicht auszudehnen. wird mit 66 gegen 14 Stimmen abgelehnt, dage­gen der Antrag der Minderheit, es nur für die Essig- und Hefe­bereitung steuerfrei zu lasstn, mit 75 gegen 7 Stimmen ange­nommen Hierauf wurden, da über Art. 28 ein Commissions­bericht nocb nicht vorliegt, die Artikel 9 12 ohne Debatte genehmigt, die Art. 2 8 aber einer künftigen Berathung Vor­behalten.

Stuttgart, 7. Juli. Heute hat die Infanterie eine An­zahl Mannschaft in Ernreurlaub bis zum 12. August entlassen

Karlsruhe, 7. Juli. I. K. H. die verwitiwete Groß- herzogin Sophie ist gestern Abend halb 7 Uhr einem schon seit Jahren dauernden chronischen Leiden, einer Lungentuberkulose, zu der sich am 29 vorigen Monats ein entzündlicher Rheuma­tismus der Brustmuskeln gesellte, erlegen. Tie Verstorbene war geboren den 21.Mai180l und die Tochter des vertriebenen und langst verstorbene» Königs Gustav IV. von Schweden; am 25.