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Ttigesnenigkeiten.
— Stuttgart, 3t. Jan. (98.' Sitzung der Kammer der Abgeordneten)' Die Kammer genehmigt nach den einstimmigen Anträgen der Finanzkommission die Erhöhung der Normalgehalte der Bezirksbeamten von 1600 fl., 1400 fl. und 1200 fl. auf 1700 fl., 1500 fl. und 1300 fl., sowie die Erhöhung der Gehalte der Col »egial-Assessoren von 1400 fl., 1200 fl. und 1000 fl aus 1500 fl., 1300 fl. und 1100 fl, unv die der Keriwts- und Oberamls- aktuare, der Cameralamtsbuchhalier und Forstamtsassistenten von 000 fl. auf 700 fl., ebenso stimmte sie bei, daß es daneben bei den 25 Tienstalterszulagen für die Genchlsaktuare und bei den 18 Dienstalterszulagen für die Oberamtsakluare im Betrage von je 200 fl. sein Verbleiben behalte, daß künstig auch die der Dienstzeit nach ältesten 18 Cameralamtsbuchhalier und 7 Forstamts assistenten solche Zulagen von je 200 fl. erhalten, jedoch zugleich bestimmt werde, daß künftig die Verleihung dieser Dienstalterszu- lagen an die genannten Hilfsbeamten der Bezirksstellen an die weitere Bedingung geknüpft sein solle, daß der in eine solche Zu läge Einzusetzende mindestens das 35. Lebensjahr angetreten habe. Außerdem wurde die angesonnene Zulage von je 50 fl für die Kanzlisten, Kopisten und Tagschreiber, für die Kanzleidiener und Kanzleiaufwärter, sowie für die Amtsdiener der Oberamtsgerichte, Oberämter, Kameralämter und Fvcpämter bewilligt. Bei der an gesonnenen Zulage von 300 fl. für den Präsidenten des Oberin- bunals beantragt die Mehrheit der Commission gleichfalls Zustimmung, die Minderheit (Tuvernoy, Egelhaaf, Sieinbuch) will nur 100 fl. bewilligen, indessen stimmt die Kammer mit 44 gegen 42 Stimmen der Mehrheit zu; dagegen tritt sie bei der Besol dungsverwilligung für den Präsidenten des Cvnsistoriums, dem die Mehrheit gleichfalls eine Gehaltserhöhung von 300 fl. bewilligen will, dem Minderheitsantrag, welcher nur 100 fl. verwilligt, mit 40 gegen 38 Stimmen bei. — 1. Febr. (99. Sitzung.) Bon Einwohnern und von Pfarrgemeinderäthen aus den Bezirken Backnang, Waiblingen, Cannstatt re. sind Petitionen eingelaufen, welche die Beibehaltung der Todesstrafe wünschen. Aus Anlaß dieser Petitionen kündigt der Präsident an, daß er die Berathung über Bechers Motion wegen Abschaffung der Todesstrafe am Ende der nächsten Woche auf die Tagesordnung setzen werde. Becher entgegnet, er habe sich überzeugt, daß tue eingelaufenen Petitionen für Beibehaltung ver Todesstrafe denselben Inhalt haben, und einem herumgeschickten lithographirten,Exemplar entnommen seien, weßhalb der Schluß gerechtfertigt sei, daß im Land eine Agitation für Beibehaltung der Todesstrafe organisirt sei. Bei dem Ernste der Sache wünsche er, daß auch der Gegenpartei Zeit und Gelegenheit gegeben werde, ihre Ansicht kund zu geben, und die Berathung über seine Motion noch weiter hinausgeschoben werde, vereinigt sich jedoch mit der Ansicht des Präsidenten auf möglichst baldige Vornahme dieses Gegenstandes, in Anbetracht der That- sache, daß bereits wieder ein Todcsurtheil gefällt sei. Fetzer stellt den Antrag, die Regierung aufzusordern, daß sie an die Aufhebung der Kreisregierungen möglichst bald gehen und einen-hieraus abzielenden Gesetzesentwurf der Ständekammer längstens bei deren Wiederzusammentritt vorlegen solle. Wächter stellt an den Justizminister eine Anfrage wegen der Stellung der Notariatsassistenten und der Gehilfen der Amtsnotare. Schäffle fragt den Chef des Finanzdepartements, ob er binnen etwa 14 Tage» das neue Branntweinsteuergesetz werde vorlegen können? Staatsrath v. Renner entgegnet, daß es ihm wohl nicht möglich sein werde, diese Vorlage so bald zu machen, daß sie aber jedenfalls so rechtzeitig einkommen werde, um mit dem 1. Juli d. I. das neue Gesetz in Wirksam keit treten lassen zu können. Die Kammer geht hieraus auf den eigentlichen Gegenstand der Tagesordnung, die Fortsetzung des Berichts der Finanzkommission über Gehaltserhöhungen, ein. Den Direktoren werden nach dem Anträge der Mehrheit der Commission mit 66 gegen 20 Stimmen je 200 fl. als Zulage bewilligt, dagegen haben sie in Stuttgart für freie Wohnung 300 fl., außer halb Stuttgarts 200 fl. in Abzug bringen zu lassen, jedock nack dem Antrag des Kanzlers v. Gcßler nur in so weit, als dieser Abzug die obige Zulage nicht übersteigt. Den Ministeriell- und Obertribunalräthen wird mit 58 gegen 25 Stimmen, den Col- kegialräthen mit 67 gegen 17 Stimmen, eine Gehaltserhöhung
von gleichfalls je 200 fl. bewilligt. Sodann beschließt die Kammer mit 53 gegen 30 Stimmen, daß die Expediteure bei den verschiedenen Departements statt seither in 7, künftig nur noch in 6 Klassen zerfallen sollten, mit Gehalten von 1500 fl., 1400 st., 130(1 fl, 1200 fl., 1100 fl. und 1000 fl., und ihre Gehalte sämmt- lich um je 100 fl aufgebessert werden sollen. Schließlich wird der weitere Antrag der Commission, die Kammer möge an die K. Staatscegierung die Bitte richten, die Frage der Äenderung unseres Besoldungsshstems in reifliche Erwägung zu ziehen, mir großer Mehrheit angenommen/
— Karlsruhe, 31. Jau. „Bekanntlich werden — so schreibt die Karlsruher Zeitung — dermalen von den Gegnern des Schul- aussicbtsgesetzes Volksversammlungen abgehalten, zu dem Zweck, Adressen in den von dem Großherzog in freigebigster Weise gewährten Audienzen durch Peülionäre in verschiedenen Gruppen und an verschiedenen Tagen möglichst fortgesetzt überbringen zu lassen Den Leitern dieser Agitation könne nicht unbekannt sein, daß es bei der beregten Angelegenheit sich uni ein verfassungsmäßig erlassenes Gesetz handelt, dessen Beseitigung oder Mvdifizi- rung nur in den durch die Verfassung vorgeschriebenen Formen thunlich ist, und daß der von ihnen gewählte Weg, auch wenn man absieht von der Ungesetzlichkeit der da und dort zu Tage tretenden unverständigen Begehren, zu einem Ziele nickt führen kann. Die Bittsteller, welche hier in Person erscheinen, werden daher sich begnügen müssen, ihre Adressen einfach abzugeben, ohne zu persönlicher Uebergabe zugelassen zu werden."
— Offenbach, 31. Jan. vr. Karl Gutzkow ist heute auf Anrathen seiner Aerzte von hier nach Gilgenberg bei Bayreuth übergesiedelt, um dort in stiller Zurückgezogenheit, fern dem Geräusche der Welt, unter bewährter Pflege für sein getrübtes GemütbS- leben Klärung und Heilung zu suchen.
— München, 31. Jan. Dem Vernehmen nach beabsichtigt
der König, auf kosten ver Civilliste hier ein eigenes Opernhaus zu erbauen. — Die Einführung von Franko-Couverten zu 3 kr. für ganz Baiern ist jetzt gesichert, und man denkt außerdem daran, Lokalcouverte zu 1 kr. einzusühren. (Schw. M.)
— Wien, 30. Jan. Das „Vaterland" meldet (im Wirer- spcuch mit andern Nachrichten, wonach Preußen auch jetzt nickt aus seinem Temporisiren herausgetreten wäre) die Preußische Antwortdepesche erstrebe im Wesentlichen die Herbeiführung eines raschen Ausgleichs; der Erbprinz von Augustenburg habe bereits ein vertrauliches Abkommen mit Preußen getroffen.
— Berlin, 31. Jan. Die „Zeidler'sche Korrespondenz" sagt: Die preußische Antwort auf die österreichische Depesche enthalte nur den provisorischen Hinweis, Laß erst nach Abgabe des Gutachtens der Kronjuristen weitere Auslassungen erfolgen dürften, da Preußen auf den ^österreichischen Vorschlag der provisorischen Einsetzung des Augustenburgers nicht eingehe und die Zeit zur Aufstellung des Programms über die Ordnung Ider schleswig- holsteinischen Frage nicht für gekommen erachte.
- Berlin, 30. Jan. Tie Auflösung des Abgeordnetenhauses stellt heute die „Kreuzzeitung" mit folgenden Worten in Aussicht: Das Abgeordnetenhaus scheint von denjenigen Mitgliedern, welche einem schärferen Konflikt aus dem Wege gehen wollen, in der Budgetberathung auf Nebenwege verleitet zu werden, welche that- sächlick auf eine Arbeitseinstellung in Bezug aus die nächste und Hauptaufgabe, nämlich die gesetzliche Feststellung des Stäatshaus- haltsetats, hinausführen würde. Es scheint nicht unzweifelhaft, daß in solchem Fall die Regierung die thatsächliche Verweigerung der Mitwirkung lediglich als solche betrachten und behandeln und dem Hause die Verantwortung für die Fruchtlosigkeit und den nothwendigen Abbruch der Verhanrlungen überlassen würde.
— Schwerin, 31. Jan. Als Kuriosum verdient erwähnt zu werden, daß auch der mecklenburgische Oberkirchcnrath einen Protest gegen das „unchnstliche" Buch Schenkel's losgelaffen bat. Das „christliche" Prügel-Institut finden wir in dem Proteste der frommen Herren nicht erwähnt.
Schweiz. Bern. Die schweizerische Bundeskanzlei publizirt folgende Warnung: In Folge neulich eingelangter Berichte von kompetentester und zuverlässigster Seite muß abermals und aufl Entschiedenste gewarnt werden, nicht nach Nordamerika auszuwandern,