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Theater-Notiz:
Einsender des Artikels, das Benefize der Frau Urban betreffend, hatte nicht zu viel gesagt, als er uns einen genußreichen Abend versprach; denn alle unsere Erwartungen wurden übcrtroffen. Es würde zu well führen, wollte ich auf das Spiel im Einzelnen ein- gehen und ss sage ich nur, daß die Aufführung eine,.durchweg gelungene war; obwohl der Darsteller des Reinhardt seiner Ausgabe nicht ganz gewachsen war und das Gefühl in den Scencn des 4. und 5. Aktes gar nicht hervorblickcn-ließ, sowie dem Darsteller des Fürsten mehr Anstand und Noblesse zu wünschen gewesen wäre. Im Uebrigcn sagen wir der Frau Urban unfern Dank für den uns bereiteten Genuß. Das Haus war übersüllt und namentlich war der 1. Platz durch einen Kranz von Damen geziert. Morgen kommen die Schwäbin und Dr. Peschke zur Aufführung? Das erstere ist hinreichend bekannt und beliebt beim Publikum und bedarf keiner Erwähnung. Dr. Peschke, welches an allen Theatern die glänzendsten Erfolge erlebte, ist eines der vorzüglichsten Erzeugnisse in diesem Genre, denn es ist überreich a» Witz und sprudelndem Humor und weiß die Lachmuskeln der Zuschauer in gehöriger Thätigkcit zu halten.
Dem Vernehmen nach wird in den nächsten Vorstellungen „der Goldbauer", Charakterbild v. CH. Birch-Pfeisfer, zur Aufführung kommen. Wenn es sich bewahrheitet, so dürfen wir der Direktion Dank wissen, daß sie uns Gelegenheit gibt, dieses Stück, welches zu den neuesten der beliebten Dichterin zählt, und welches nach Allem, was man bereits darüber las, auch zu den vorzüglichsten gehört, iills Leben treten zu sehen. Schließlich machen wir die Direktion aufmerksam, daß eine Aufführung des „l,umpaci-Vsga!)unäu8" ihr zum großen Vortheil gereichen würde. —_ B. A. ,
Tagesereignisse.
— Von Ludwigs bürg, 2. Juni, wird über ein beklagcnswer-
thes Zusammentreffen mehrerer trauriger Fälle berichtet. Zu Bietigheim gab sich vorgestern ein dortiger Einwohner den Tod, indem er sich in die Enz stürzte; gestern Während der Liormittags- kirche machte ganz in unserer Nähe, zu Oßweil, die 22jährige Tochter'eines .Handwerksmauns von da in einem Fieberanfall ihrem Leben ein Ende, indem sie sich erhängte, und Nachmittags endlich erschoß sich in seiner Kaserne ein Portepöekadet eines hiesigen Infanterieregiments. (Schw. M.)
— Im Schwurgerichtsbezirke Hall werden im zweiten Vierteljahr 1862 keine Urtheilssitzungen gehalten. (St.-A.)
— Plochingen, 1. Juni. Die heute hier gehaltene Versamm
lung württembergischer Schützen war von den Gilden von Böblingen, Calw, Cannstatt, Eningen, Eßlingen, Göppingen, Heilbronn, Neckarsulm, Reutlingen, Stuttgart, Süßen, Ulm, Weinsberg, beschickt. Es wurden (bei etwa 500 Mitgliedern aus Württemberg) 5 Vertreter zu ^'11 Frankfurter Berathungen über den deutschen Schützcnbund gewählt: die HH. Kallenberg aus Stuttgart, Fabrikant Ad. Wechsler aus Ulm, Ingen. Palm aus Hcil- bronn, RC. Freiesleben aus Heidenhvim, Hans Aickelin aus Reutlingen; daneben wurden 3 Ersatzmänner gewählt. Zum Frankfurter Fest benützen die württemb. Schützen den am 12. Juli in Stuttgart um 12 Uhr abgehenden Eilzug; in Heidelberg Vereinigung mit den per Dampfboot reisenden Schützen. Die württemb. Schützen sammeln sich um die Stuttgarter Fahne, welche allein mitgebracht wird. Bcistimmimg zu den Beschlüssen des Central- komites wegen der italienischen Schützen. Es soll auf Gründung von Gauvereincn und Wiederbelebung des Landesschützcnvereins hingewirkt werden. (Schw. M.)
— Karlsruhe, 31. Mai. Bei der heute vorgenommencn Se' ricnzichung der badischen 35 fl.-Loose sind folgende Nummern gezogen worden: Nr. 197, 458, 1790, 1954, 2637, 2713, 2872, 2904, 3405, 3842, 4054, 4472, 5079, 5956, 6147, 6374, 6439, 6601, 7502, 7931.
— Frankfurt a. M., 3. Juni. Der Senat hat das Forstamt angewiesen, dem Fcstkomite für das Schützenfest 600 Tannen-, 300 Fichten- und 100 Birkcnbäume, sowie 20 Wagen Moos und so viele Fichtenreiser, als der betreffende Ausschuß zur Ausschmückung für das Fest bedarf, gratis zu überlassen.
— Koburg, 2. Juni. Diesen Nachmittag, kurz nach 3 Uhr, ist der Herzog mit Gemahlin von seiner beschwerlichen und wenig
ausgiebigen afrikanische» Lustreise in seine Residenz zurückgekehrt; von Triest aus hatte er sich telegraphisch die Empfangsfeierlichkeiten, welche auf Betrieb einiger Hosbeamten beabsichtigt waren, verbeten. Die Herzogin ist mit sehr angegriffener Gesundheit heimgekehrt und findet in der Bevölkerung die allgemeinste Theil- nahme. (Schw. M.)
— Dresden, 30. Mai. Das Dresdner Journal veröffentlicht Major Scrre's Rechnungsabschluß über die Nationallotterie. Der Reinertrag ist 450,000 Thlr., darunter 40,000 Thlr. Zinsen. Zwei Drittel sind für die Schillerstistung, ein Drittel für die Tiedgestiftung bestimmt. Das Kapital wird einstweilen vom sächsischen Kultusministerium ausbewahrt.
— Berlin. Auf Veranlassung des königlichen Handelsministeriums sind den. preußischen Handelskammern nunmehr Vorschläge über die Einführung eines einheitlichen Maaßes und Gewichtes für ganz Deutschland zur Begutachtung zugcgangcn.
— Celle, 1. Juni. Ein Thekl der Westcellervorstadt, welcher
vom Bahnhofe ab dze Neustadt genannt wird, wurde gestern von cm cm furchtbaren Brandunglück betroffen. Das Feuer brach gegen 3 Uhr im Hause eines Bäckers aus, wo der Backofen gesprungen sein soll; die Flammen, von einem heftigen Ost-Süd-Ostwinde gepeitscht, ergriffen sofort das auf der andern Seite der Straße liegende Hans, und in kurzer Zeit brannten fast sämmtliche westlich gelegene Gebäude (gegen 60), und meistens auch bis aus den Grund nieder; nur wenige, am äußersten Ende der Vorstadt gelegene Häuser sind verschont geblieben. (Schw. M.)
— Wien, 30. Mai. In den letzten zwei Tagen wurde in dem Abgeordnetenhause aus Veranlassung des Etats sür den Unterricht abermals über das Konkordat verhandelt, vr. Giskra beleuchtet in einer mit leidenschaftsloser Ruhe gehaltenen Rede unter allgemeiner Aufmerksamkeit und dem lebhaften Beifall des Hauses einzelne Artikel des Konkordats, um zu zeigen, zu welchen ungeheuerlichen, erschreckenden Konsequenzen die strenge Durchführung desselben führen würde, welche Macht auf die Schule und überhaupt aus die ganze Bevölkerung der Geistlichkeit durch dasselbe ciugeräumt werde und in welche Konflikte die. weltliche und kirchliche Macht durch dasselbe gerathen könne. Beispielsweise wolle er anführcn, daß den Bischöfen nach dem Konkordat das Recht zustehe, Prozessionen, Wallfahrten u. dgl. zu veranstalten, wenn sie cs den kirchlichen Interessen und dem Wohl des Staates angemessen finden. Die jüngste Zeit aber habe eben gelehrt (Redner spielt aus die Vorgänge in Throl an), wie die Bischöfe oft das Wohl des Staates ausfassen, wie sie dieses Recht als Hebel zur Agitation gegen staatliche Institutionen benützen, um zwar mit geweihten Händen und gesalbtem Haupt, aber unlauterem Herzen und unreifem Verstände gegen Gesetze und' Verordnungen des Staates anzukämpfcn. Redner bemerkt schließlich noch, daß er seine Behauptung, das Konkordat habe einem Medusenhaupte gleich im Auslande gewirkt, aufrecht erhalten müsse, und nur Ein Mittel gebe es, die Uebel, welche dasselbe mit sich gebracht, einigermaßen zu mildern, und das wäre durch einen einzigen Gesetzesartikel, welcher zu lauten hätte: 'Das Konkordat ist außer Wirksamkeit gesetzt." (Allgemeiner lebhafter Beifall im Hause und aus der Gallerrie.) — Giskra's Rede ist für Oesterreich ein Ercigniß von ungeheurer Tragweite. Seit dem Abschlüsse jcues Staatsvertrags hat sich Niemand gegen denselben mit solcher Kraft erhoben als Giskra, der die gefährlichen Seiten dieses Vertrags bloßlcgte, und eine so schonungslose Kritik gegen denselben übte, daß das Haus fast athemlos seinen Worten lauschte. Cr unterwarf jeden Paragraphen einer eingehenden Kritik und bewies die Unmöglichkeit des Konkordats in dem neuen Oesterreich in so scharfer, präziser Weise, daß man dasselbe mit Recht als in seinen Grundfesten erschüttert betrachten kann. — Wien, 31. Mai. Glaubwürdiger Mittheiluug zufolge rst der Entwurf zu einer Modifikation des Konkordats, der zwischen dem .Papst und Oesterreich vereinbart wurde, von Rom angclangt.
(Schw. M.)
Türkei. Die Regierung hat Depeschen aus der Provinz Bagdad empfangen, wonach bei Keerköok ein blutiger Kampf zwischen den Kurden stattgesunden hat. 6000 Kurden, Bewohner des Distrikts Kulvindjck, haben den Stamm Nureddin, im Distrikt Suley- manic, angegriffen, 450 Männer niedergemetzelt und 300 Frauen und junge Mädchen mit fortgeschleppt. Mustapha Pascha, der