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gebrechlicher zu werden, und in Folge reffen auch immer weniger verdiente. Je hinfälliger aber die Silke wurde, mit um so mebr Eifer und Lust ging die Marianne an ihre verschiedenen Geschäfte, so daß Air und Jung im Dersicin ihres Lobes voll war, und kein Mitbewohner an ihr und ihren Ziegen (denn riese pflegte sie den ganzen Tag bei sich zu haben, sogar bei ihren Marktgängen in die Stadt, weßwegcn man sie auch allgemein nur die „Ziegenmarianne" hieß) vorbeiging, ohne sie freundlichst und vertranlickst zu grüßen. Kein Wunder also, wenn das Märchen trotz der armseligen Verhälknffse, in denen es aufwuchs, trotz der strengen und fortwährenden Arbeit, welche ihm oblag, und trotz der vielen Ent- behrnnaen, die es durchzumachen batte, sich dennoch glücklich und zufrieden fühlte. Im Gebirge drin», wo man von der übrigen Welt so ziemlich abgeschnlttcn lebt, kennt man eine Menge von Bedürfnissen, d.ren Befriedigung man in der civilisirtcn Gesellschaft für unumgänglich notb- wcndig erachtet, nicht einmal dem Namen nach!
Eines Abends im Hochsommer kehrte Marianne von dem nächsten Städtchen, wohin sie wie gewöhnlich im Aufträge Dritter und Vierter Eier und andere Verkaufsgegenstände gebracht hatte, ziemlich sväk zurück. Es war spät geworden niclx wegen ihrer Sckumseligkeit, sondern weil sie di-ßmal, nachdem sie ihre Waaren ab'gcsetzt, Gegenwaaren minunehmen batte: für Tiefen Brod, für Jenen Sali, für einen Dritten Nadel und Faden, und wie derlei Bedürfnisse sonst noch heißen mögen. Die Last war nicht leicht, und sie sah sich deß> bald genothigt, hie und da unterwegs niederzusitzen, um ein wenig auszuruhen. So kam es, daß sie noch eine gute Strecke Wegs vor fick hakte, als es schon zu dunkeln anfing; allein die Marianne fürchtete sich nicht, denn im Gebirge drinn sind die Leute gar ehrlich, und in Dutzenden von Jahren hört man von keiner frevelhaften Handlung.
Ueberdieß hatte sie, wie immer, so auch heute, ihre Ziegen bei sich, deren Eine bcsondrs, die Alnnntter, sie gegen jeden Feind, er sei mensch- lieber od-r Ihiersscher Natur, verlhei- digk haben würde. Unbekümmert also um das Herannahen der Nackt hielt sie an etnem günstigen Plätzchen abermals füll, thcils um sick selbst Ruhe zu gönnen, theils damit ihre Ziegen sich das frische daselbst wachsende Gras munden lassen könnten. Da sah sie plötzlich (sie war bisher durch einen vorstehenden Berg an der Aussicht verhindert worden), daß der Himmel sich verfinstert Halle und ein starkes Gewitter im Anzüge sei. Ein Gewitter im Gebirge ist etwas anderes, als ein solches in der Ebene. Da rollt der Donner dreimal so stark und der Regen fällt hernieder, als batte der Himmel alle seine Schleußen geöffnet. Auch kommt das Unwetter meist plötzlich und unerwartet, wie ein Meteor, und man hat nickt halbestundenweise Zeit, sich vor ihm zu bergen. Dieß Alles wußte Marianne gar Wohl, und da die Waaren in ihrem Tragkorbe das Naßwerden nickt gut ertragen konnten , so mußte sie schnellstens ein Obdach suchen, wenn sic nickt Schaden leiden wollte. Zum Glück kannte sie ganz in der Nähe, unter schützenden Felsen verborgen, eine kleines Höhle, welche ihr ein trockenes Asyl i verhieß, und ulenden Trittes machte > sie sich dahin auf, gefolgt von ihren zwei Ziegen, die den Ort von langen Zeiten her ebenfalls kannten. Auch war sie keine Minute zu früh gekommen, denn kaum hatte, sie die Höhle erreicht, so krachte es schon wie von Kundert Kanonen, und die grellen Blitzstrahlen verwandelten die Finsterniß von Minute zu Minute in Helles Tageslicht. Sie legte ihren Korb gb und machte sich's bequem, denn die Höhle war — ein Werk der Gebirgsbewohner, die hier oft ihre Zuflucht zu nehmen gezwungen waren — mit Moos und Laub gut ausstaffirt, und hatte sogar eine Bank, auf der sich der müde Wanderer, der hier zu übernachten ge
zwungen wurde, auestrecken konnte. So fühlte sich das gute Mädchen ganz behaglich, und ebenso erging es ihren Ziegen, welche sich vor ihr gelagert hatten, denn außen prasselte es >n den Zweigen, als wäre eine zweite Sündflnth im Anzüge,
Marianne hakte 'sich sehr müde gefühlt, als sie in die kleine Höhle getreten war. Ist es da zu verwundern, wenn sie eiugewiegt von dur ewig gleichen Musik deS strömenden Regens in einen Schlummer verfiel, in welchem sie bald die Welt mu allen ihren Sorgen vergaß? Wie lauge sie übrigens geschlafen, wußte sie nicht; doch mußte es ziemlich lange gedauert haben, da der Regen aufgebörk und einem prächtigen Mvndlichi Platz gemacht hatte. Ueb- rigenS wäre sie wohl sicherlich auch jetzt nicht erwacht, wenn nickt die ält re ihrer Ziegen, die kluge Alt- mutier, das lauge zottige Haar ihres BarieS an ihr gerieben hätte, ohne Zweifel in keiner andern Absicht, als um sie zu erwecken. Marianne sprang ans und schaute verwundert um sick. „Mein Gott", dachte sie, „wie wird die gute Pflegemutter in Angst und Sorgen um mich sein!" Sie wollte schnellstens nach ihrem Tragkorb fass n, um ihn auf den Rücken zu laden; aber plötzlich Hörle sie vor der Höhle auß n Geräusch und Gestöhn, als ob dort ein schwerer Kampf gekämpft würde. „Laß mich am Leben " , flehte eben jetzt eine vor Ermattung keuckende Stimme. „Ich habe Dw ja nichts gethan, und wenn Dick's nach meinem Hab und Gut gelüstet, so will ich Dir geben, was ich bei nur habe."
(Forts, folgt.)
Naqoldwärme
den 14. August . 18,7° k.
„ 15. „ . . 18,9° k.
„16. „ . . 19,0° k-
Gottesdienste.
Sonntag, den 18. Nngnst:
Vorm. (Predigt): Hr. Dekan Heberlc.
— Kindertehre mit den Söhnen 1. Klasse.
— N ackm. (Miffstd.): Herr Helfer Riegen
i/ccdigirt. gedruckt und verlegt von A. Oeiichtäger
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