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den Bullen los. Nur wenige Mi­nuten dauerte dieser letztere Act. Der Schneider senkte seine Peitsche und blieb mitten auf dem Hofraume ste­hen. Der Stier rannte noch einige Mal im Kampfplatze umher und fuhr bei jedem Peitschenknall des Schnei­ders schreckhaft zusammen. Nun wurde der Stall geöffnet und der Stier fand mit der größten Leichtig­keit sein Lager, das er in früheren Zeiten nur vermittelst anstrengender Experimente Seitens des Wärters aufzufinden geneigt war.

Der Stier lag stöhnend auf dem Lager. Nicht der mindeste Ausdruck früherer Wildheit und Bosheit war chm geblieben. Willig ließ er sich mit kaltem Wasser begießen und nahm nach einiger Zeit sein Futter und Trinkwasser so an, wie jedes andere gezähmte Stück Vieh. Einige Jahre sind darüber verflossen, aber keine Spur von Wildheit und Bosheit ist dem radical Gebeilten geblieben, nnd zahlreiche geduldige Nachkommen desselben gereichen auch jetzt noch jenem Gute zur Zierde.

Was den Schneider anbetrifft, so wusch er sich nach Beendigung des siegreich für ihn ausgefallenen Kampfes die Gliedmaßen mit Brannt­wein und war in einer halben Stunde ganz munter und guter Dinge.

Es versteht sich von selbst, daß ihm der auögcsetzte Preis bezahlt und ihm auch sonst Speise und Trank im Ueberfluß gereicht wurde. Was aus dem Helden weiter geworden, darüber schweigt die Fama.

Ob wohl Madrids Annalen einen ähnlichen Stierkampf aufzuweisen haben?

Vermischtes.

Ein französischer Marineoffizier, Thabaud Fontenel, hat der Regie­rung 100,000 Francs vermacht zur Unterstützung der Fischer-Familien, deren Väter auf dem Meere umkom­men. Thabaud Fontenel wurde als Marinezögling selbst in Brest durch einen Fischer vom gewissen Tode ge- rettet. Sein Retter kam einige Mo-

nate später bei einem Sturme um. Der junge Seemann übernahm so­fort die Sorge für die Wittwe und die Kinder des Verunglückten und blieb ihr Wohlthäter. Jetzt hat der Edle alle Familien der Fischer, die ein Opfer ihres Gewerbes werden, bedacht.

Ein Schlafrock. Die Frau eines Herrn in Berlin schenkt ihrem Gat­ten am Freitag zum Geburtstage einen Schlafrock, den sie bei Lands­berger gekauft hat. Der angenehm Ueberraschte probirt ihn an und stehe daes findet sich, daß der Schlaf­rock um mindestens 8 Zoll zu lang ist! In der Nacht bricht ein heftiges Gewitter aus. Die besorgte Haus­frau steht auf und macht Licht, während der Gatte ruhig weiter schläft. Um nicht unbeschäftigt zu sein, nimmt Madame Zwirn, Scheere und Schlafrock zur Hand und kürzt letzteren um acht Zoll. Als das Ge­witter ausgciobt, begibt sie sich wie­der zur Ruhe. Nun zählt zu der Familie auch eine sehr thätige Schwä­gerin, die sehr frühzeitig aufzustehen und die Wirthschaftsangelegenheiten zu besorgen pflegt. Auch am Sonn­abend Morgen ist das Fräulein zeitig auf dem Platz, sieht den Schlafrock hängen und beeifert, ihrem Schwa­ger eine Freude zu machen, kürzt sie den Schlafrock um weitere acht Zoll. Das Frühstück ist vorbei, die beiden Damen sind zum Einkauf nach dem Markte gegangen, und der Ehe­herr will sich gerade auf sein Bur­eau begeben, als ihm der Schlaf­rock einfällt, und ohne weiter danach zu sehen, befiehlt er der Köchin, ihn zu einem Flickschneider im Hause zu tragen, um acht Zoll daran zu kür­zen. Nachmittag beim Kaffee bringt der Schneider den Schlafrock wieder: o Jammer, es war nur noch eine Jacke mit Schößen!

Aus den Wolken fallen. In Neapel kam in einem Ballet vor Kurzem ein Wolkenwagen vor, auf

dem der Genius der Liebe herab­schwebt und zwei Liebende aus einer Wassergefahr rettet. Durch irgend ein Mißverständniß, oder durch Zer­streuung des Maschinisten kam der Wolkenwagen, statt am Schluffe des dritten Actes bereits am Schluffe des zweiten. Noch wunderbarer aber zu schauen war, daß als Genius eine junge hübsche Tänzerin darin saß und neben ihr ein junger ele­ganter Herr im schwarzen Frack und gelben Glacehandschuhen. Sie hat­ten wahrscheinlich oben auf dem Schnürboden etwas zu besprechen gehabt und in dem bequemen Wol­kenwagen Platz genommen. Die junge Tänzerin und der junge Herr fielen hier wirklich aus den Wolken.

Gold-Cours. Frankfurt, den 9. September.

». kr,

Pistolen.S 3334

Fricdrichsd'or . . . . S 35'/,S8>/ Holland. 1« fl.-Ktück . 9 41",4L'-, Dukaten . . . . 5 SV-39

SVFrankcnstücke . . . V 20'/,SI', Engl. Kovcrcigns ... 41 4L40

Preußische Kassenscheine. 1 44'/,45s,

Nachtrag.

Calw.

Die Unterhaltung der

Sicherheits-Schranken an Straßen und Wegen, so wie der Brücken­lind Dohlenbedeckungen wird am

Montag, den 13. d. M., Nachmittags 1 Uhr, aus hiesigem Rathhause im Abstreich verakkordirt werden.

Den 10. September 1858.

Stadtschultheißen-Amt.

S ch u l d t.

3)3. Stuttgart.

Lehrlings-Gesuch.

Ein wohlerzogener junger Mensch, der die Hutmacherei erlernen will, fin­det unter günstigen Bedingungen eine Stelle. Nähere Auskunft ertheilt die Redaktion.

Gottesdienst am 12. September: Herr Dekan Heber l e.

Redigirt, gedruckt und verlegt von A. Oelschlägcr.