269

Nächsten Sonntag, sowie die ganze Woche über, sind frische Lau­genbrezeln zu haben bei

Bäcker Gw inner.

Unterhaltendes.

Das selbstbewußte Weib.

(Fortsetzung.)

Bernhardine schrieb täglich an ihren Gatten. Sie hatte eigent­lich wenig zu sagen, außer ihrer Liebe für ihn, und wie angenehm sich Cousin Alphons mache. Er war das einzige Faktum, das sie für jetzt zum Gegenstände ihrer Erzählungen machen konnte. Nun aber bestand zwischen Cousin Alphons und Ar­thur seit langer Zeit eine bedeutende Spannung, obgleich Jeder von ihnen es vermied, tie Feindseligkeiten offen ausbrechen zu lassen. Arthur nannte Alphons frivol, dieser Arthur'» einen ehrwürdigen geistlichen Herrn re. Als daher Arthur las, daß Alphons auf seinem Gute sei, wurde er wüthend. Er wunderte sich über seine Mutter, schimpfte auf Alphons und nannte seine Frau eine Thörin; dann aber gedachte er auch dessen, was seine Mutter über Bernhardinens Füg­samkeit sich Andern anzuschmirgen gesagt hatte, und seine Eifersucht verdoppelte sich. In diesem Ge- müthszustande empfing er einen Brief von seiner Mutter. Nach einigen Präliminarien über Geschäfts­sachen sagte das Schreiben, wie folgt:

ES ist wirklich recht amüsant, Bernhardinen und Alphons bei ein­ander zu sehen, sie spielen zusammen, als ob sie noch Kinder in der Kinder­stubewären. Bernhardine ist allerliebst geworden und ist voll Geist und Le­ben. Himmel, was ist aus dem einst so thränenreichen, nervösen, nieder­geschlagenen Schulmädchen geworden! Weißt Du, Arthur, ich glaube wirk­lich, Du hast das Kind zu sehr com- mandirt, Alphons dagegen ermuthigt sie. Er ist bezaubert von ihrer Un­befangenheit und ihrem Muthwillen, und sie von seinem stets heitern We­sen und seiner Artigkeit. Und er ist ohne alle Frage ein äußerst ein­

nehmender Bursche, wenn ich auch nicht Bernhardinens Enthusiasmus für ihn ganz und gar theilen kann. Denke Dir, gestern Abend sagte sie sogar, sie wollte, Du glichest ihm mehr. Für meine Person ist nur jede Individualität heilig; ginge es mir nach, ich duldete kein moralisches Flick­werk. Fräulein Waldheim ärgert mich, daß sie von Alphvnscns Wesen abgestoßen wird. Gestern Abend machte sie sogar ernstlich deiner Frau Vorwürfe über ihre offenbare Par­teilichkeit, die Bernharvine aber Vet­terschaft nennt. Da aber traf sie ein stolzer Blick von Fräulein Wald­heim, und die kleine Bernhardine floh zu Alphons zu Cousin Alphons, wie sie ihn nennt, daß er sie schütze."

Arthur hatte genug gelesen. Er zerknitterte den Brief in seiner Hand, bedeckte dann sein Gesicht und stöhnte, und mehrere Tage vergingen, ehe er an seine Frau zu schreiben ver­mochte, die sich sein Schweigen gar nicht zu erklären wußte. Denn bis­her hatte er nach der gewöhnlichen Weise junger liebender Ehemänner jeden Tag geschrieben, jetzt aber war er zu mißtrauisch, um seiner Feder den natürlichen Lauf zu lassen, und zu stolz, um sein Mißtrauen zu verbergen, und so beschloß er denn! zuletzt, das Schreiben ganz zu unter­lassen. Seine arme Frau litt dar­unter unbeschreiblich. Sich keiner Schuld bewußt, blieb ihr nichts übrig als zu glauben, er sei krank oder es sei ihm ein entsetzliches Unglück paffirt. Ihre aufgeregte Phantasie sah ihn von einem die Hauptstadt durchrasenden Wagen überfahren, ge­rädert, todt. Es war eben so pein­lich als rührend, das arme Wesen sich so selbstquälend und ängstigend zu sehen; nur ihre Schwiegermutter ward dadurch nicht bloß nicht gerührt, sondern sogar zu verspottendem Hohn bewogen. Alphons aber bemühte sich von Herzen, sie zu beruhigen. Endlich kam am vierten Tage ein kurzer, gehaltener, kalter Brief. Es war nichts darin, das sie verwundet hätte, aber auch nichts, das sie er­freute. Bernhardine wünschte bei­nahe, er hätte ihr gar nicht geschrie­

ben, nur war sie froh und dankbar, ihn wohl zu wissen, und daß nichts Schlimmes ihm zugestoßen war.

Sie antwortete ihm, als wenn keine Wolke ihren Ehehimmel ver­düsterte, und erlaubte sich keine Be­merkung. Sie erzählte ihm Alles das, was sie gcthan hatte, wobei sie hie und da Alphonsens Name mit beimischte, je nachdem die Thal­sache es der Wahrheit gemäß ver­langte. Unter Anderem erzählte sie auch, wie gütig seine Mutter zu ihr sei, und wie angenehm Fräulein Wald­heim sein könnte, wenn sie nur wollte. So sei sie cs besonders vor einigen Ta­gen gewesen, da sie und Cousin Al­phons mit einander bei ihr zum Be­such gewesen wären.

MeineMutter hatte Recht," sagte Arthur zähneknirschend.Bernhar- dine hat das gemeine Laster der Schwachen, sie ist nicht beständig, nicht wahr. Und dieser Brief, der die Güte der Mutter und die Cor- dialität der Waldheini rühmt, ist ein Beweis davon. Ich war ein Thor. Wie konnte ick erwarten, daß ein Frauenzimmer, das nicht von meiner Stellung ist, die Gefüble cincrjdurch- auö wohlerzogenen Edeldame besitze und feinfühlend und treu sei einem so gewöhnlichen Lockvogel und Wind­beutel gegenüber, wie jener da ist. Wie kalt sie schreibt! Sie erwähnt nicht einmal meines langen Schwei­gens. Es bleibt nichts übrig, wir müssen uns trennen, und die Sache muß noch in diesem Monate zu Ende kommen. Schrecklich, sich schon drei Monate nach der Verbcirathung trennen zu müssen! Ein schlechtes Zeugniß das, für Ehen aus Liebe! Hätte ich den Burschen hier, ich stieße ibm das Messer in seine falsche Brust!" Und mit diesen Worten ergriff Ar­thur das Messer, das aus dem Tische lag, worauf sein unberübrtts Früh­stück stand, und warf cs gegen die Thür, in welcher es stecken blüb. In Gedanken hatte er den Mord wirklich begangen.

Mit Bernhardinens Brief war auch einer von Madame Alster ge­kommen. Mechanisch erbrach er die-