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Nr. 42
Samstag, den 20. Februar 1926.
100. Jahrgang.
Um das MWstMWNlNl der ReichsresierNg
Aussprache im Kmsk. Ausschuß.
Berlin, 20. Febr. Im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde in die allgemeine Aussprache über d-ie Regierungserklärung eingetreten. Der Reichskanzler und der Reichsfinanzminister wohnten den Verhandlungen bei.
Abg. Hertz sSoz.) erklärte, wenn tatsächlich der Etat so angespannt sei. wie von der Regierung ausgeführt wurde, daß keine Mehrausgabe nröglich ist, dann müsse das Steuersenkungs- Programm der Regierung noch kritischer angesehen werden als vorher. Zu der vom Finanzminister geforderten Notgemeinschaft zur Durchführung feines gewagten Experimentes fehle die Zustimmung der Sozialdemokratie. Die Sozialdemokraten sind nicht der llebcrzeugung, daß eine allgemeine Ueberlastung der deutschen Wirtschaft mit Steuern vorliegt. Die Steuerlasten sind in Deurschland ganz ungleich verteilt. Die kleineren und mittleren Unternehmungen leiden viel mehr darunter als die großen. Einer Senkung der Brfitzsteuern können wir nicht zustimmen. Die Senkung der Umsatzsteuer könnte die von ihr erhoffte wirtschaftfördernde Wirkung nur haben, wenn damit entsprechende Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik verbunden sind.
Skbg. Hcrgt (Dntl.) führt aus, daß die Roden des Reichskanzlers und des Rcichsfinarizministers seiner Fraktion zu einer bestimmten Stellungnahme noch keine Veranlassung und Möglichkeit geben. Für die Erwerbslosen müsse sofort etwas geschehen. Keine Partei werde sich dem Appell entziehen können» daß eine Notgemeinfchaft zur Behebung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise gebildet werden soll. Wir vermissen aber irgend einen greifbaren Plan in den Ministerreden. Von Ueber- schiissen könne man doch nicht reden. Man könne auch nicht die als Ausgaben festgelegten Summen zur Deckung des Defizits verwenden. Wenn di« Kassenbestände des Reiches zur Deckung des Steuerausfalles herangezogen werden, dann müssen sie doch der Wirtschaft weggenommen werden, die sie jetzt als Kredite haben. Für 1927 lassen sich heute iwch keine zuverlässigen Schätzungen machen. Der Reichsfinanzminister zeigt in dieser Beziehung einen großen Optimismus.
Reichskanzler Dr. Luther führte aus: „Gegen die Regierung ist der Vorwurf der Planlosigkeit erhoben worden. Das Programm der Regierung wird aber ganz fest bestimmt dirrch die Ileberzeugung, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo wir eine grundsätzlich andere Stellung zu unserer Steuerpolitik einnsh- men können und müssen, als im Herbst l92?>, Damals war das große Vorzeichen unserer Finanzpolitik: Rettung rstid Schuh der Währung! In einer Lage, in der wir nicht wußten, wie die öffentlichen Ausgaben ohne Gefährdung der Währung anders geeckt werden könnten, mußten wir zu den die Wirtschaft schwer treffenden Substanzsteucrn greifen. Nachdem jetzt nicht nur die Währung gesichert ist und Ausländsanleihen hineingekommen sind, sondern auch der Prozeß der Reinigung dcr Wirtschaft von künstlichen Existenzen weit vorgeschritten ist, muß an Stelle der Währung als Vorzeichen unserer Politik die Wirtschaft treten. Das ist aber kein Abbrechen, sondern nur eine Fortsetzung der bisherigen Linie, angepaßt an die besonderen Verhältnisse, unter denen wir jetzt leben. Rach Ansicht der Reichs- «gierung gibt es überhaupt keine andere Wahl, als den im Grunde gesunden Teilen der Wirtschait mit allen Kräften zum Wiederaufbau zu verhelfen. Damit die Wirtschaft sich erholen kann, hat die Regierung die Absicht, ihr die öffentlichen Lasten soviel als möglich abzunehmen. Die Vorsicht dabei kann nicht soweit gehen, daß die Antriebskräfte beeinträchtigt würden. Ich gehe an die Sach« mit der Vorstellung heran, daß die Erholung unserer Wirtschaft die Stcuercinbnßegefahr, die jetzt entsteht, kompensieren wird. Das ist das Programm der Regierung, über das wir uns mit dem Reichstage verständigen wollen. Es handelt sich nicht nur um Steuersenkung, sondern auch um den Entschluß, die Ausgaben des außerordentlichen Etats auf Anleihen zu verweisen. Auch das ist ein Wagnis, das wir nur unternehmen, weil wir den Glauben an eine Erholung der Wirtschaft haben. Wir wagen es, unser Werk auf normale Etats und Wirtschaftsoerhältnisse cinzustellen. Die Behauptung, daß es für die jetzigen Verhältnisse kein Wirtschaftsprogramm gebe, kann ich nicht verstehen. Dazu kommt, daß wir das Möglichste versuchen werden, die Wirtschaft anzukurbeln. Wir werden das besonders da tun, wo, wie bei der Eisenbahn, zwangsweise auferlegte, nicht wirtschaftliche, sondern aus politischen Gründen entsprungene Hemmungen bestehen.
Die Preissenkungsaktion hat tatsächlich Erfolg gehabt. Sie Hai anfangs schwer darunter gelitten, daß vielfach im politischen Leben unsere Arbeit nach dieser Richtung als nicht ernst bezeichnet worden ist, daß inan dein Publikum sagte, eine emsthafte Preissenkungsaktion komme gar nicht in Frage. Dr. Luther wies dann darauf hin, daß eine allmähliche Umstellung der Wirtschaft auf normale Verhältnisse überhaupt erst möglich gewesen sei, nachdem für die Regelung der AufwertungSftage die gesetzliche Grundlage und nachdem ein festes Steuersystem Dieder geschaffen war. Die Zollgesetzgebung des vorigen Sommers, die tn ihrer Art durch die Schutzzollentwicklung im übri
gen Europa notwendig geworden sei, habe überhaupt erst die Grundlage zum Abschluß von Handclsvertägen gegeben, wobei es sich im Ziel daruin handelte, neben der selbstverständlich überaus wichtigen Kräftigung des Jnnenmarktes durch möglichst leichten Warenaustausch in Europa und der Welt das gesamte Wirtschaftsleben zu fördern.
Der Ausschuß wandte sich dann wieder der Beratung der Anträge zur Erwerbslosenfürsorge zu. Es liegt dazu der von den Regierungsparteien vereinbarte neue Antrag vor. Abgeordneter Aufhäuser (S<H.) bezeichnet den Antrag als eine wesentliche Verschlechterung des bescheidenen Beschlusses des Sozialpolitischen Ausschusses. Die Sozialdemokraten behalten sich für das Plenum ihre eigenen Anträge vor. Sie werden auch die von den Regierungsparteien einge- brachte Erschließung ablehnen, weil sich daraus neue Schika- nierungen der Erwerbslosen ergeben könnten.
Nach weiterer kurzer Aussprache wird der Antrag der Regierungsparteien gegen die Stimmen -er Gryialdemokaten und Kommunisten angenommen.
Mit der gleichen Mehrheit wird eine Entschließung der Regierungsparteien angenommen, in der ein Einschreiten gegen ungerechte Auszahlungen der Erwerbslosenunterstützung verlangt wird. Angenommen wird ferner eine Entschließung, in der eine Prüfung verlangt wird, ob tn Betrieben, in denen Kurzarbeit nicht durch den Ausfall voller Arbeitstage durchführbar ist, nicht auch dann die Unterstützung eintreten kenn, wenn die umgerechneten Stunden die erforderliche Zahl von Arbeitstagen ergeben, wobei die besondcreen Arbeitsverhält- nissc der Angestellten zu berücksichtigen sind.
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Der Auswärtige Ausschuß Zur Ratsfrage.
LU Berlin, 20. Febr. Im Auswärtigen Ausschuß des Reichstags berichtete gestern Außenminister Dr. Stresemann über den Stand der derzeitigen Verhandlungen, die sich auf die Verstärkung des Bölkerbundsrats beziehen. Hieran schloß sich eine umfangreiche Aussprache. Abgclehnt wurde ein kommunistischer Antrag, daß die Reichsregiernng aufgefordert werden soll, das Eintrittsgesuch Deutschlands in den Völkerbund zu- rückzuziehen. Für den kommunistischen Antrag stimmten neun Mitglieder des Ausschusses.
Dazu wurde durch den Vorsitzende«, Abg. Herzt (D.Ratl.) fcstgestellt, daß unbeschadet der grundsätzlichen Stellungnahme der einzelnen Parteien zum Völkerbund von sämtlichen Parteien des Ausschusses mit Ausnahme der Kommunisten und Völkischen die Auffassung - vertreten werde, daß das Gesuch Deutschlands um die Aufnahme in den Völkerbund unter der Voraussetzung gestellt worden ist, daß entsprechend den gepflogenen internationalen Verhandlungen >md dm dabei gegebenen Zusagen Deutschland bei der bevorstehenden Tagung des Völkerbundes einen ständigen Sitz im Völkerbundsrat erhält, ohne daß dabei eine weitere Aenderung in der Zusammensetzung des Rats eintritt.
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Aus den Reichstagsausschüfsen.
Der Fürstenabftndungosantrag im Rechtsausschuß angenommen.
Berlin, 20. Febr. Im Rechlsausschuß des Reichstags wurde die Abstimmung über den Paragraphen des Kompromißantrags zur Fürstenabfindung abschnittweise vorgenommen. Sie ergab nach Ablehnung der vielen hierzu vorliegende« Ab- änderungsanträge mit wechselnden Mehrheiten dir Annahme in der Fassung der Kompromißparteien. Als Aeudcnmgen wurden nur beschlossen auf Antrag der Deutschen Volkspartei, daß der Reichspräsident die Mitglieder deS Sondergerichts auf Vorschlag der Reichsregiernng ernennt, auf Antrag der Deutsch- Demokraten, daß die beiden von dm streitenden Parteien zu ernennenden Beisitzer Wegfällen, so daß das Sondergericht nur aus Berufsrichtern bestehen soll. Der Ausschuß vertagte sich dann auf nächste Woche.
Der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstages behandelte gestern die Regierungsvorlage über die Sicherung der Getreidebewegung und die vom Abgeordneten v. Drewitz (Dtntl.) vorglegten Richtlinien über ein Einfuhr-Monopol. Präsident Merz von der Neichsgetreidestelle gab einen Ucberblick über die deutsche Getreideernte in den Jahren 1908/1913 und 1925. Es wurde ein Unterausschuß eingesetzt. Präsident Merz erlitt nach der Sitzung einen Schlaganfall.
Im sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags wurde die Jnvalidenpension weiter behandelt. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.
Tages-Tpiegel.
Der Haushaltsausschuß des Reichstages »ahm gestern d«u Antrag der Regierungsparteien auf Erhöhung der Eriverbslosen- lintcrstützung an.
Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages besahte sich mit der Frage der Vermehrung der Ratsfitze für de« Völkerbund.
Der Reichsfiuanzminjster hat die Frist siir di« Anmeldung der Reichsanleihen alte, Besitzes bis zum 31. März 1928 verlängert.
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Der Nechtsausschuß hat de» Kompromißantrag z,r Abfindung der Fürsten angenomme».
Der Reichstag verabschiedete gestern dm Etat des Reichs» arbritsmiuisteriums.
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Die Pariser Luftfahrt»«rhandlunge» gehen «nr schrittweise vorwärts. Man «,ß damit rechne», daß die Verhandlungen frühestens in 8 Woche» zu Ende geführt werden.
In der von Polen erfundene» „Spiouageafsäre" de» Deutsche« Bolksbunde» ist gegen 270 Personen das Untersuchungsversah« ren eingeleitet worden.
Um die Erweiterung
des Bölkerbundrats.
Diplomatmempfang bei.Briand.
TU Paris, 20. Febr. Ministerpräsident Vriand empfing gestern vormittag nacheinander dm italienischen und den spa- Nischen Botschafter, darauf den portugiesischen Gesandten. Wie verlautet, soll sich Briand mit den Diplomatm über die Aufnahme neuer Mächte in den Völkerbund unterhalten haben.
Das Verlangen Spaniens nach einem ständigen Sitz im Völkerbundsrat findet die Unterstützung Frankreichs unter der Bedingung, daß Spanien an der Seite Frankreichs für einen ständigen Sitz zugunsten Polens eintritt. Man ist in dm offiziellen spanischen Kreisen der Ansicht, daß Spanien, falls es allein auf einen ständigen RatSsttz prätendieren würde, auf weit geringere Widerstände stoßen würde als an der Seite Polens und man empfindet deshalb die polnische Kandidatur als sehr störend. Jedoch hat sich Spanien in dieser Frage bisher nicht dem französischen Einfluß zu entziehen vermocht.
Die französisch-polnrsche Freundschaft.
Der polnische Botschafter in Paris Elapowski streifte bei einem Frühstück der Gesellschaft der Freunde Frankreichs die Frage der polnischen Kandidatur für dm Völlerbunderat. Er sagte unter anderem: Der Eintritt Deutschlands in den Völlerbund werde von Polen durchaus nicht befeindet, aber deutsche Stimmen erhöben gegen eine Kandidatur Pell«ns flir den Völkerbundsrat Widerspruch. Die nächste Sitzung des Böllerbundsrates und die Generalversammlung würden darüber zu entscheiden haben. Polen erwarte die Entscheidung im Vertrauen auf di« Gerechtigkeit der Völker, die fich bemühen, ein neues Europa auf der Grundlage der Gleichberechtigung aller Nationen aufzubauen. Painleve erwiderte unter anderem, der Botschafter möge seiner Regierung sagen, daß Frankreich niemals seine Pflicht und seine Freundschaft vergessen werde.
Ein italienischer Schritt in Wien.
Rückfrage zur Ramekrede.
TU Rom, 20. Febr. Ageueia Stesaui berichtet aus Wien, d«ß der dortige italienische Gesandte von Mussolini den Auftrag erhalten habe, von Bundeskanzler Ram«k über gewisse Punkt« sei«er Re^e formelle Erklärungen eknzuholm. Ein« erst« Aussprache habe bereit« stattgesnndm.
In Verbindung mit dieser Meldung schreibt die offiziös« Tribun«: Oesterreich treibt ein doppeltes Spiel, indem es sein« Selbständigkeit und Unverletzlichkeit dem Völkerbünde anoertraut und fich gleichzeitig der pa»germanistischen Bewegung an- schließt. Oesterreiches geographische Lage als Nachbar Italiens, Jugoslawiens, Ungarns, der Tschechoslowakei und Deutschlands lasse nur eine gemeinsame Politik diesen Mächten gegenüber zu, keine einseitige Anlehnung an Deutschland. Nur ein gute- politisches Verhältnis Oesterreichs zu allen seinen Nachbarstaaten sei die Voraussetzung für die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit Oesterreichs. Line deutsche Politik, die auf den Anschluß Oesterreichs an Deutschland gerichtet sei, könne von den Nachbarstaaten Oesterreichs nicht geduldet werden. Besonders Italien dürfe nicht d'.Wcn. daß die Minderheitenfrage von Deutschland aufgerollt und von Oesterreich allsgegriffen würde: Oesterreich dürfe sich nicht zum Instrument der deutschen Politik nach dein Eintritt Deutschlands in den Völkerbund machen lassen. Sollte Oesterreich trotzdem mit Deutschland im Völkerbünde Zusammengehen, so könne es den Völkerbund nicht mehr als Garanten feiner Selbständigkeit und Unverletzlichkeit an- rufen. Mussolini habe aber deutlich zu verstehen gegeben, daß die Interessen Italiens wichtiger seien, als die des Völkerbundes. "