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mal soviel ein, und so war's denn ein schwerer Verlust, den er sich zu- gcfügt, statt des Gewinnes, den er gehofft, und so sollt's allen Neid­säcken gehen in der Welt, und es geht ihnen auch so. Ich denke da an eine andre Geschichte, wo es grade so ging, wie hier

Bleib' bei der Schnur! sagte Bräunches Willem. Du bist so wit- schelig, wie eine Blindschleiche und so geschmeidig, wie ein Aal. Hält man dich nicht fest, so kommst du von dem Kraut in die Rüben. Wir wollen die andere Geschichte jetzt nicht hören. Also voran! Die andern Leute lachten, aber sie gaben doch dem Willem Recht.

Der alte Gebhard wurde durch diese Erfahrungen nicht gebessert, nur erbittert und hartnäckig und hart gegen feine Frau und seine Kinder. Gegen andere Leute wurde er bitter und unfreundlich. Seine Kundschaft nahm ab. Nur der Saalschultheiß und der Weinhändler Kurander von Köln blieben ihm treu. Aber mit dem alten Gölz? Wie gings da? Einander so nahe zu wohnen und sich so tödtlich zu hassen, wieffie Zweie, das war schlimm, ^kie spielten sich alle Schabernacke, wo und wie sie konnten. Das Schlimmste aber war, daß sie zusammen im Rathe der Stadt und im Kirchenvorstand saßen und natürlich auch in der Zunftstube. Wollte der Eine Rechts, so wandte sich der andere Links. Da litt ge­meine Bürgerschaft und das Wohl der Kirchgemeinde. Daß aber der alte Gölz auch kein Engel war, ist gewiß. Er war so reich, wie Hie­ronymus Gebhard auch und so nei­disch und geizig, so hochmüthig und hochfahrend, wie der auch.Ich falle um die Wahl nicht die Treppe hinunter" sagt der alte Sebastian Fabian in seiner Chronik von Ba- charach, aus der ich die Geschichte habe. Am Abscheulichsten benahm sich der alte Gölz gegen den armen Peter Emmerich. Der wohnte in dem Eck­hause der Bauersgasse, wo der Brun­nen ist. Hernachmals hat cs der Schiffer Scheidt gekauft, der es be­

wohnt, nachdem er es hat aufbauen müssen; doch davon rede ich später. Der Emmerich war des alten Gölz leiblicher Schwager. Er war früher­em wvhlstehender Schiffer gewesen, aber im Bingerloch verunglückte er mit seinem Schiffe, das schwer bela­den auf der Thalfahrt nach Köln war. Cr hatte in Mainz Weizen geladen. Dieß Unglück machte ihn bettelarm. Er ernährte sich lediglich dadurch, daß er mit dem Nachen, den er aus dem Schiffbruche im Binger- loche rettete, die Leute über und über setzte, von einem Ufer aus das an­dere. Das ist heute ein kärglicher Erwerb und jetzt fahren an Einem Tage mehr Leute über den Rhein, als damals in einer Woche. Es war sein Verdienst zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.

Das weiß Niemand besser, als der Ludwig Prätorius, sagte Bräun­ches Willem; und warum die Leute überfahren, wissen wir auch leer hinüber voll herüber; denn hier kostet das Pfund Kaffee einen Kronen- thaler und drüben 24 Kreuzer.

Das weiß Niemand besser, als die Schmuggler von Profession, sagte Schmitz und lächelte schelmisch dabei und sah den Willem an.

Der hustete-einige Male und sagte sanft: Wozu diese Abschweifung? Die Douanen wachen ja überall, wie die Dohlen.

Die du angefangen! erwiederte Schmitz und wandte sich zu den An­dern, indem er fvrtfuhr: die Dohlen sehen auch nicht Alles, wie oft sie auch den schlauen Kopf drehen. Item, der alte Gölz hätte helfen können, aber er that's nicht und ließ die armen Leute darben. Und sie hätten hungern müssen, wenn nicht ihr ein­ziges Kind gewesen wäre, das sanfte Minchen. Es hatte in bessern Ta­gen nähen und weibliche Kleidung und Putz machen gelernt, aber nicht in der Meinung, sein Brod damit zu verdienen, sondern um sich selbst dieß und das machen zu können. Wer hätte denken sollen, daß Min­chen das einmal nothwendig hätte. Aber man sieht da, wie wohl die.

Eltern thun, wenn sie ihre Töchter alle weibliche Arbeit und Kunst lehren lassen, die nur immer zu erlernen ist. Brauchen sie's nicht, um sich damit zu ernähren, desto besser' Sie tragen dann nicht schwer daran, und können's beurtheilen, wenn es An­dere machen; aber wendet sich das Blättlein, nun, dann brauchen sie nicht zu darben und Noth zu leiden. Jetzt half des Mädchens Nadel den Hunger abwehren, der sonst unab­weisbar an ihre Thüre geklopft hätte. Minchen war im Glücke demüthig gewesen, darum trug sie das Un­glück mit Ergebung. Man sah ihr kein Leid an. Sie war glücklich, daß sie ihre Eltern ernähren konnte. Ihr Ruf und Leben war fleckenlos und Jedermann bedauerte, aber ach­tete sie von Herzen. Und dieß Mäd­chen war die Perle unter den Töch­tern der Stadt. Schon war sie wie ein Engel und sanft wie ein Engel. Selbst in der dürftigsten Kleidung war sie eine Königin gegen die auf­geputzten Aeffchen der Reichen. Man­cher Jungbursche schielte nach dem Mädchen; mancher Reiche ging ihr zu Gefallen; aber Keiner wagte es, dem Mädchen sich zu nähern und da­zu fehlte auch alle Gelegenheit, da Minchen zu Spiel und Tanz nicht ging und außer in die Kirche und in die Bombach nirgends hinging, denn in der Bombach hatten sie die ein­zigen zwei Feldstücklein, die übrig geblieben waren, als Emmerich sein Schiff verlor und die Ladung dem Mainzer Fruchthändler ersetzen mußte bei Heller und Pfennig mit seinem Vermögen.

(Forts, folgt.)

Friedrich der Große sagte einst:Wenn ich eine böse Provinz zu bestrafen hätte, würde ich sie durch einen Philosophen regieren lassen."

Gottesdienst am 7. März:

Vormittags Herr Dekan Heberte. Nachmittags Herr Helfer Ri eg er.

Vtevigirl, gevructt unv verlegt von A. Oeischläger.