— Und ich bin nicht so ruhig,
— rief Henri aus; — wenn er noch nicht verliebt ist, so wird er es werden, weil man seine Eitelkeit aufgestachelt hat.
— Und wo wäre das Uebel,
— fragte der Oberst, — wenn er Ihr Schwager würde?
— Würden Sie ihm Ihre Tochter geben?
— Ohne Zögern, wenn ich eine hätte und würde mich durch seine Bewerbung sehr geehrt fühlen.
Eine Comtesse Folleville sollte Madame Vcrmon schechtweg werden.
— Lieber junger Freund, mein Großvater hat die Tochter eines Gcneralpächters geheirathet, der aus den untersten Volksschichten hcrvor- gcgangcn war.
— Die war wenigstens reich.. .
— Und mein Großvater ruinirt. Er hatte Schulden gemacht, um dem König ein Regiment zu Gebote stellen zu können. Das Regiment ist im Kriege ausgerieben worben und verschwunden ; die Schulden aber waren zurückgeblieben.
— Das Mädchen erhielt im Austausch für ihr Vermögen einen Namen.
— Einen ehrenhaften Namen und den führt Vermon auch.
— Meine Schwester muß wenigstens einen Marquis heirathen; das ist auch die Ansicht der Herzogin von Nangeac.
— Gedenkt meine Cousine vielleicht für die Vermählung des Fräuleins zu sorgen?
— Sie hat die Absicht, heute Vormittag hichcr zu kommen und dem Vater eme vortreffliche Parthie für Elise vorzuschlagen.
— Ohne mich früher befragt zu haben! — sagte Elise; — mein Vater wird mich nicht opfern wollen.
— Sei Du in dieser Hinsicht ganz ruhig, mein Kind, — beschwichtigte der Vicomte das aufgeregte Mädchen.
In diesem Augenblicke wurden die Thüren des Salons geöffnet; die Herzogin von Nangeac trat ein, eine hochgewachsenc, sechsundzwanzig- iährige Brünette mit stolz blickenden,
schwarzen Augen, einem allerliebsten, zuweilen spöttischen Lächeln und sehr geistreichen Zügen.
Die junge Frau reichte dem Vicomte die Hand, umarmte Elise, begrüßte Henri mit freundlichem Kopfnicken und war ganz überrascht, als sie des Obersten ansichtig wurde.
— Sie hier, Cousin, rief sie aus; — Sie in Paris?
— Wie Sie sehen, schöne Cousine.
— Ich glaubte Sie in Niort.
— Noch vor Kurzem war ich dort und bin nach Paris gekommen, um . . .
— Um wie gewöhnlich feindselige Operationen gegen mich auszuführen.
— Ich? Ich bin ja der ergebenste und demüthigste Ihrer Diener und kann den Himmel zum Zeugen an- rufen, daß die Plänkeleien nie von mir aus begonnen haben.
— So wäre also das Unrecht auf meiner Seite?
— Eine schöne Frau hat nie Unrecht! Höchstens hat sie nicht immer Recht.
— Ihr Urlaub wird wohl lange dauern?
— Sechs Monate?
— Und gedenken Sie diese in Paris zuzubringen?
— Gewiß, nachdem ich sechs Jahre in Afrika und eines m Niort verlebt habe.
Ich sehe schon, daß der Mensch seinem Schicksal nicht entgehen kann.
— Sie sprechen, wie wenn ich im Stande wäre, einen nachthciligen Einfluß auf das Schicksal einer liebenswürdigen Cousine zu üben. Um Ihnen jedoch einen Beweis meiner Loyalität zu geben, werde ich Sie sofort in Kenntniß setzen, daß alle Welt hier den Zweck Jkres Besuches kennt. Henri hat aus der Schule geplaudert und wir wissen, daß es noch immer Ihre Lieblingsunterhaltung ist, Ehen zu stiften.
— Und warum auch nicht?
— Mich will bedrucken, — bemerkte Elise mit reizender Schüchternheit, — daß ich, ehe über mich verfügt wurde, denn doch auch zu Rathe hätte gezogen werden sollen.
Graf Folleville nahm wieder bas
Wort. — Liebes Fräulein, — sagte er, — meine schöne Cousine wird gewiß eine treffliche Wahl für Sie getroffen haben. Ihr Sinn ist ohne Zweifel darauf gerichtet, Sie so vermählt zu wissen, wie Sie es selbst ist, ich möchte wetten, daß Sie irgend einen Herrn für Sie im Auge hat, der eben so hinfällig und so alt ist, wie mein gichtischer Cousin, der Herzog von Nangeac.
— Wenn man Sie anhörte, sollte man wirklich glauben, daß der Herzog hundert Jahre alt sei.
— Das wohl nicht, aber siebenzig.
— Die man ihm aber nicht ansieht. Man gibt ihm kaum fünfzig.
— Ein siebenzigjähriger Gemahl! — seufzte Elise.
— Beruhigen Sie sich, liebes Kind, — sagte die Herzogin, indem sie Elisen's Hand faßte, — hören Sie nicht auf die Neckereien des Grafen, sondern auf meine Worte. Ich bin überzeugt, daß Sie und Ihr würdiger Vater auf meine Pläne cingehen, wenn ich Ihnen sage, daß der Mann, den ich für Sic im Sinne habe, jung und schön ist, daß er sechzigtausend Francs Rente von seinen Gütern bezieht, daß er den Titel eines Marquis führt, und daß er Sie bereits glühend liebt. Sie kennen ihn, Sie müssen seinen Namen bereits errathen haben, da er bei unseren Promenaden im Bois de Boulognc sehr oft neben dem Wagen ritt.
— Wie, — cntgcgcnete Elise, — jenes Original. . .
— Das jedenfalls ein sehr liebenswürdiges Original ist.
— Hm, darüber werden die Ansichten wohl verschieden sein.
— Ich will eben nicht behaupten, daß der Marquis eine Genie sei . . .
— Was bei einem Ehemann, fiel der Graf ein, nicht immer unbedingt nöthig ist; meinen Sie nicht auch, schöne Cousine?
Die Herzogin errvthete und zuckte die Achseln.
Mit einem Worte, lieber V.comte, fuhr sie an diesen gewendet fort — ich habe hiermit die Ehre, um die