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der Gesang ganz verstummt war, bat er seinen Wirth, die Sänger von ihm zu grüßen und ihnen herzlich zu danken für die hohe Freude, die sic ihm bereitet. „Und wer" setzte er hinzu, „wer sind denn eigentlich die Sänger?"
„Es sind Bauern," sagte Ale- rander.
„Und wer hat sie so weit gebracht?"
„Der Schulmeister Jonas."
„So? also Ihr Vater, Frau Richterin? Es scheint in der That ein sehr geschickter Mann zu sein. So etwas ist mir auf einem Dorfe noch nicht vorgekommen."
Alerander hattesich vorgenommcn, seinem Gaste die Ungerechtigkeit zu klagen, welche man an seinem Schwiegervater begangen, und jetzt fühlte er sich dazu recht lebhaft gedrungen, allein er wollte nicht gern einen Mißton indiefeierlich frohe Stimmung des Genesenen bringen, und so beschloß er seine Klage auf eine andere Zeit aufzusparen. „Wer weiß," dachte er, „ob dieser Mann nicht irgendwie Einfluß in der Hauptstadt hat, wodurch er der Angelegenheit des guten Vaters noch eine günstige Wendung geben kann."
Der folgende Tag war ein Sonntag. Da sah der fremde Gast von A seinem Fenster aus die Dorfleute fv zahlreich in die Kirche strömen, daß er sich wunderte, wie sie in dem kleinen Gebäude alle Platz finden könnten. Zuletzt machte er sich selbst in Begleitung des Lehnrichters nach dem Gotteöhause auf den Weg. So voll hatte der Greis an einem gewöhnlichen Sonntage noch keine Kirche gefunden, und nun gar bei einer „Schulmeisterlese." Denn der Pastor kayl nur alle vierzehn Tage zur Predigt nach dem Filial Friedethal, und heute war gerade der Zwischensonntag. „Ist das die Gemeinde Friedethal, die mich sonst mit ihrem mißtönigen Geschrei fast aus der Kirche trieb?" fragte sich der Fremde, als er den schönen, wohl- geordneten, harmonischen Gesang der Versammlung vernahm. Und als
er die Kirche verließ, machte er ge gen Alerander die Bemerkung, er habe noch nie einem andächtiger» Gottesdienste bcigewohnt, obschon der Vicar nicht sonderlich gelesen habe.
„Aber jetzt" — fuhr er fort — „jetzt, mein verehrter Freund, dem ich so tief verschuldet bin und der doch noch nicht einmal nach meinem Namen geforscht hat, jetzt erfüllen Sie mir eine Bitte — Gott hat Ihnen den Stempel der Wahrhaftigkeit so unverkennbar ausgeprägt, daß ich Ihrem Worte unbedingt glauben werde — sagen Sie mir, wodurch ist die ungeheure Veränderung bewirkt worden, die ich mit Ihrem Orte vorgegangen finde? Ich habe dieses Friedethal zu einer Zeit gekannt, wo es weit umher berüchtigt war als ein wüstes, liederliches Raufund Streitnest voll Unflath und Gottlosigkeit — wie ist dieser sittliche Morast in einen so freundlichen Wohn- platz verwandelt worden?"
„Wollten Sie" —- antwortete Alerander — „statt meiner, der ich erst seit wenigen Jahren hier seßhaft bin, jeden Eingeborenen vom steben- zigjährigen Greise bis zum vierzigjährigen Manne herab fragen, so würde Ihnen von Augenzeugen die Antwort werden: das Alles verdanken wir unserem guten Schulmeister Jonas." (Schluß folgt.)
Als Thiers auf einer seiner letzten Reisen imLuremburgischen durch das Dorf kam, in dem er ausgewachsen und in die Schule gegangen war, suchte er seinen alten Schulmeister auf, der noch am Leben war.
„Kennt Ihr mich?" fragte er ihn.
„Nein."
„Wie, Ihr kennt den kleinen Adolph ThierS nicht mehr?"
„Ach, meint Ihr den kleinen Taugenichts?"
„Ja wohl, der bin ich."
„So, so, nun es freut mich, Euch wieder zu sehen. Es geht Euch doch gut?"
Revigirt, gedruckt und verlegt von A. Oelschlä
„O ganz wohl, und wie steht cs mit Euch?"
„Ja, mir geht es nicht besonders. Ich habe wenig Schüler und Mühe, durchzukommen."
Thiers gab ihm darauf einige Goldstücke. Der Alte bedankte sich und sagte:
„Verzeiht mir die Frage, aber sagt einmal, was seid Ihr? Banquier, Kaufmann oder sonst was?"
„Ich habe mich vom Geschäft zurückgezogen," erwiederte Thiers. „Ich war Minister."
„So," meinte darauf der Alte. „Hoffentlich seid Ihr doch Protestant geblieben?"
Als ihn Thiers darüber beruhigt hatte, schieden sie freundschaftlichst und der Alte bot Thiers reichlichen Stoff, lachend über die Gebrechlichkeiten des menschlichen Ruhmes nach- zudenkcn.
Der alte Schulmann erinnert lebhaft an die noch schlagendere Anek- -dote von der alten Hökerin, die vor dem Eingänge in Sanssouci Aepfel feil hielt und mit der Friedrich der Große zu reden Pflegte. Als er dieß auch nach seiner Rückkehr aus dem siebenjährigen Kriege that, fragte ihn die Frau:
„Na, wo ist Er denn so lange gewesen?"
„Im Kriege, weiß Sie denn das nicht?" erwiederte der König.
„Ach, wie soll ick det wissen," sagte darauf die Alte. „Pack schlägt sich und Pack verträgt sich."
Gold-Cours.
Frankfurt, den 13. August.
6. kr.
Pistolen.S 37-38
Friedrichsd'or . 9 58—57
Holland. 10 fl.-Ktück . S 47—48
Dukaten. 5 39 31
SVFrankenstücke ... 9 19'/,—SV'/, Lngl. Sovereigns ... 11 4L—48 Preußische Haffcnschcine. 1 44'/«—45
Predigen wird am Sonntag, den 16. August: Herr Dekan Heb er le.
ger."